Körperbehaarung

Wozu Haare gut sind

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AUTOR/IN
Annegret Faber
ONLINEFASSUNG
Julia Otto

Achsel- und Beinhaare sind aus der Mode. Das hat allerdings Nachteile – Haptikforscher Marin Grunwald sagt, wer sich rasiert, oder die Haare ganz herausreißt, spürt weniger.

Wachsen ist „old style“. Heute werden Haare „weggelasert“ oder mit Licht entfernt. Das soll gar nicht weh tun. "Aus den Haarfollikeln wachsen nie wieder Haare", verspricht ein YouTube-Erklärvideo. Ob das stimmt oder nicht, sei dahin gestellt.

Körperbehaarung hat eine Funktion

Für viele, die ständig zupfen und rasieren, wäre es jedenfalls ein Traum. Doch egal wie man es tut, Haare entfernen hat immer einen Haken. Denn Körperbehaarung ist uns nicht umsonst gewachsen – sie erfüllt einen Zweck.

"Jedes Haar ist ein hochsensibler Sensor, ein Rezeptor der allerfeinste Berührungsreize und Verformungsreize registrieren kann."

Körperbehaarung (Foto: IMAGO, imago images/YAY Images)
Zupfen, rasieren, waxen – Haare entfernen hat immer einen Haken.

Haarfollikel ist mit Muskel verbunden

Laut Grunwald hat der Mensch im Schnitt fünf Millionen Haare und jedes Haar wächst aus einem eigenen Haarfollikel. "Ein Haarfollikel, das sind winzige Einstülpungen in der Haut, in denen letztendlich das menschliche Haar gebaut und auch verankert wird, damit es nicht ausfällt."

Und jetzt wird es spannend. An jedem Haarfollikel ist ein kleiner Muskel. Wenn dieser Muskel kontrahiert, stellt sich das Haar senkrecht auf. Denn Haare wachsen, laut Grunwald, generell nicht gerade, sondern schräg aus der Haut. Der Muskel stellt das Haar dann zum Beispiel auf, wenn es kalt ist. Dann bekommen wir eine Gänsehaut. Der Haarfollikel hat aber noch mehr zu bieten als nur einen Muskel.

Körperbehaarung (Foto: IMAGO, imago/imagebroker)
Das Haar wächst schräg aus der Haut. Der Haarfollikel ist von einem dichten Netzwerk von Rezeptoren umgeben und an jedem Haarfollikel ist ein kleiner Muskel.

Haare sind sensible Antennen

"Zusätzlich ist der Haarfollikel von einem sehr feinen dichten Netzwerk von Rezeptoren umgeben, so dass jegliche Bewegungen, jegliche Stauchungen und Veränderungen am Haar, auch sensorisch registriert werden können."

Das Haar ist also eine hochsensible Antenne, oder ein Sensor, wie Grunwald sagt. Wenn man die Haare abrasiere, dann gehe diese sehr feine Empfindungsfähigkeit durchaus verloren. Das Haar kann uns also nicht mehr anzeigen, ob da gerade eine kleine Fliege auf der Haut gelandet ist, ob Regen auf die Haut fällt, ein warmer Lufthauch darüber streicht und auch die wohlige Empfindung bei einer Berührung, kann das Haar nicht mehr verstärken, weil es ja weg ist. Da klafft dann nur noch ein Loch und das kann nichts, außer Probleme bereiten.

Körperbehaarung (Foto: IMAGO, imago stock&people)
Wenn man die Haare abrasiert, geht die sehr feine Empfindungsfähigkeit verloren. Das Haar kann also nicht mehr anzeigen, ob eine Fliege auf der Haut gelandet ist.

Haarentfernung kann zu Entzündungen führen

Das könne laut Grunwald das Einfallstor für Milliarden Bakterien sein, die normalerweise auf unserer Haut lebten, und könnte zu Entzündungen führen. Insofern sei das Herausreißen von Haaren auch damit verbunden, dass sich dann dort Bakterien ansiedeln könnten.

Grunwald empfiehlt deshalb, wenn die Haare schon weg sollen, dann doch bitte nur abrasieren. Allerdings gibt es dann wieder die Leute, deren Haare sich so kringeln, dass sie zurück in die Haut wachsen und sich entzünden. In solchen Fällen bereitet auch Rasieren Probleme.

Körperbehaarung (Foto: IMAGO, imago/Westend61)
Durch das Herausreißen von Haaren könnten sich Bakterien ansiedeln und zu Entzündungen führen. Deshalb die Haare am besten nur abrasieren.

Warum also nicht, wie früher, munter sprießen lassen? Grunwald beruhigt allerdings all jene die jetzt fürchten, mit so einer Ganzkörper-Enthaarung zwar gut auszusehen, dafür aber kaum noch etwas zu spüren. Der Unterschied sei gering.

Unterschied im Alltag nicht wahrnehmbar

Es gebe noch viele andere hochsensible Rezeptoren in der Haut – die leisteten das dann auch. Das sei eine minimale Einschränkung, die im Alltag wahrscheinlich gar nicht wahrnehmbar sei und nur in spezifischen Experimenten herausbekommen werden könne. Aus Grunwalds Sicht könne das also jeder gerne so machen wie er das für richtig hält, die Haare dran lassen, oder die Haare abrasieren. Das sei sicherlich eine kulturelle und ästhetische Frage und müsse jeder individuell für sich selbst entscheiden, erklärt er weiter.

Wer sich trotzdem etwas Gutes tun will, und dem die schrägen Blicke anderer egal sind, der sollte der Natur freien Lauf lassen. Und das mit dem Wachs kann man sich dann auch ersparen.

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Annegret Faber
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Julia Otto