Klimaschutz

Wer verhindert den Solarstrom?

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AUTOR/IN
Axel Wagner
ONLINEFASSUNG
Nina Kunze
Carla Vinetta Richter

Axel Wagner geht der Frage nach: Woran liegt es, dass trotz des fortschreitenden Klimawandels so wenige Solarmodule auf unseren Dächern zu finden sind?

Klimaschonender Strom aus Solarzellen soll helfen, die Erderwärmung aufzuhalten. Aber ist das Potential der Photovoltaik überhaupt genügend ausgeschöpft?

Solarforschung in Freiburg

Um die Akzeptanz und Nutzung von Solartechnologie zu erhöhen, werden am Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg spezielle Modelle entwickelt, die ein homogenes Erscheinungsbild und höhere Wirkungsgrade haben.

Solche hocheffizienten Modelle seien wichtig für Anwendungsbereiche mit begrenzter oder suboptimal ausgerichteter Fläche, wie das Dach eines mit Solarstrom betriebenen Autos. Sogar Lastwägen könnten in Zukunft mit Solarzellen ausgestattet werden, deren Energie beispielsweise die Elektronik von Kühllastern betreiben könnte.

In der Industrie können die Solarzellen schnell und kostengünstig hergestellt werden, der Preis ist also nicht das Problem. Und doch werden in Deutschland außer für die Wissenschaft so gut wie keine Solarzellen industriell hergestellt. Laut dem Leiter des Instituts ist einer der Gründe für die niedrige Produktion in Europa der fehlende Heimatmarkt und die damit verbundene Abwanderung der Herstellung nach China.

Wir müssen auf jeden Fall wieder die industrielle Produktion hier in Europa aufbauen.

Dass der Heimatmarkt und damit auch das Werben für mehr Solarstrom auf unseren Dächern verschwunden ist, liegt unter anderem an der Förderungspolitik durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Die Förderung stieg zunächst an, doch dann wurden die Mittel heruntergefahren und der Ausbau brach ein. In diesen Jahren verschwand die Solar-Produktion aus Deutschland und Europa. Lediglich die wissenschaftliche Forschung ist geblieben und feilt die Solar-Technik sogar immer weiter aus.

Solararchitektur

Auch in der Stadtplanung und Architektur könnte die Photovoltaik viel mehr genutzt werden. Doch Auflagen für die Bauherren und bürokratische Hürden verhindern den Solarstrom und Klimaschutz auf unseren Dächern. Eines der wenigen Bauprojekte in Deutschland, das über den Eigenbedarf hinaus konsequent auf die Nutzung von Sonnenergie setzt, ist die Solarsiedlung in Freiburg. Die Siedlung besteht aus Plusenergiehäusern, die über ihre Solarmodule mehr Energie liefern, als sie benötigen.

Für eine flächendeckende Solararchitektur in Deutschland brauche es laut dem Solararchitekten Rolf Disch, dessen Firma die Solarsiedlung in Freiburg konzipiert hat, viel weniger Bürokratie, etwa bei der Vergütung des entstehenden Solarstroms über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).

Uns war immer klar: Wenn es zum Massenprodukt wird, dann wird Solararchitektur sehr günstig. Und da sind wir eigentlich hingekommen.

Doch das ursprünglich fünf Seiten lange EEG sei so oft verändert und ergänzt worden, dass es inzwischen kaum mehr verständlich sei. Nicht nur Privatpersonen, auch Firmen und Bauträger würden durch die derzeitigen Gesetze wenig dazu animiert, Solartechnik in neue Wohnhäuser zu integrieren. Am liebsten würden Disch und seine Mitarbeitenden sogar verpflichtende Vorschriften für Solartechnik auf Neubauten sehen, wie es sie bereits beim Dämmen gibt.

Dennoch sieht Rolf Disch optimistisch in die Zukunft. Der Siegeszug der Photovoltaik sei nicht aufzuhalten, die Frage sei nur wie schnell. Denn die Bürokratie schrecke viele Hausbesitzende ab, Solartechnik auf ihren Immobilien zu installieren. Aus Sicht des Solararchitekten ist das kein Zufall.

Ich glaube, dass diese Bremsen ganz bewusst gemacht werden, um die großen Energieversorger zu schützen.

Denn wenn nicht nur Hausbesitzende, sondern auch Mietende vom selbst vor Ort produzierten Strom leben könnten, würde das einen wirtschaftlichen Verlust für große Energieunternehmen bedeuten. Inzwischen sei Solarstrom sogar die günstigste Art der Stromversorgung.

Doch anstatt diesen Strom in den Städten mit Plusenergiehäusern zu gewinnen, entstehen draußen vor den Toren unserer Städte immer mehr sogenannte Solarparks – riesige Anlagen, die das Licht der Sonne tanken, aber auch viel Platz brauchen. Verständlich ist dieser Flächenverbrauch nicht wirklich, denn was hier die Natur verdrängt gehört eigentlich auf unsere Dächer.

Solarautos

Ungenutzte Flächen gibt es auch in der Automobilindustrie. Der „Sion“ vom Münchner Start-Up Sono Motors ist Deutschlands erstes Solarauto, dessen Konstruktionsteam konsequent auf Photovoltaik als Antriebsenergie setzt. Die Module sind an ein Solarladegerät im Motorraum des Elektroautos angeschlossen, wo der ankommende Strom in die für die Batterie nötige Hochspannung umgewandelt wird. In Zukunft hätte so ein Fahrzeug durchaus das Potenzial, den erzeugten Strom sogar ins Netz zu speisen.

Doch was bremst die weitere Entwicklung aus? Für die Gründer des Unternehmens ist ein Grund die fehlende Förderung von Seiten der Politik. Und die Solartechnologie sei kein Einzelfall: Auch bei der Windenergie habe die fehlende Förderung von Schlüsseltechnologien dazu geführt, dass sie im Ausland mittlerweile deutlich besser umgesetzt werde. Mit der Solarintegration in Fahrzeuge habe man jedoch die Möglichkeit, diesen Sprung diesmal proaktiv zu machen.

Auch Andreas Bett wünscht sich, dass die Politik die Leistungen in Europa anerkennt und unterstützt, um mit der Photovoltaik das Klima zu schützen. Dazu gehöre eine Risikominimierung auf der finanziellen Seite und Garantien, um den Einstieg zu erleichtern. Und auch im Bauwesen hemmen Trägheit, Hürden in der Bürokratie und die skurrile Besteuerung des hauseigenen Solarstroms den Ausbau von Solarstrom.

Das wäre, wie wenn Sie einen Garten haben und auf ihre Tomaten, wenn Sie sie essen, Mehrwertsteuer zahlen müssten.

Mehr Hintergründe zum Thema bietet die Odysso-Webdoku "Axel Wagner und der Solarstrom".

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