Materialforschung

Stuttgarter Forscher entwickeln Touchscreen mit „fühlbaren“ Infos

Stand
Autor/in
Bernd Schlupeck
Onlinefassung
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.

Ob Bordcomputer im Auto, Herd oder Heizanlage - immer mehr Geräte werden über Touchscreens bedient. Ein Touchscreen mit Gefühl soll nun ein haptisches Erleben möglich machen.

Die meisten Touchscreens geben als Feedback Text oder Töne aus. Dabei wird unser Tastsinn völlig vernachlässigt. Forscher der Universität Stuttgart haben daher einen Touchscreen entwickelt, der Informationen "fühlbar" macht.

Professor Thomas Maier vom Institut für Konstruktionstechnik und Technisches Design der Universität Stuttgart erklärt, warum ein Touchscreen fühlbar sein sollte:

Der Tastsinn ist ein Sinn, der neben der Wahrnehmung über das Auge und die Ohren der drittwichtigste Sinn ist. Sie können sich vorstellen, dass, wenn Sie die Bedienaufgabe Fahrzeug fahren haben, der visuelle Sinn, der am meisten belastete ist. Der ist mittlerweile sogar schon überlastet. Dazu haben die Fahrzeughersteller noch viele akustische Signale eingebaut. Deshalb wollen wir dieses haptische Feedback ausbauen, um eine sichere Bedienung zu gewährleisten.

Haptische Touchscreens sollen letztlich auch die Sicherheit - zum Beispiel im Straßenverkehr - erhöhen.
Haptische Touchscreens sollen letztlich auch die Sicherheit - zum Beispiel im Straßenverkehr - erhöhen.

Ältere Menschen könnten von der Technik profitieren

Auch um den immer größer werdenden Informationsfluss zu bewältigen, könnte es helfen, wenn als weiterer Wahrnehmungskanal der Tastsinn mit eingebunden wird.

Gerade ältere Menschen, die mit dem Alter schlechter sehen und hören, würden von solch einer Oberfläche profitieren. Denn für sie kann es zum Problem werden, wenn Geräte nur per Touchscreen durch Sehen und Hören bedient werden können.

Die Stuttgarter Forschenden wollen den Tastsinn nun ansprechen, indem sie die Touch-Bedienoberfläche mit elektrostatischen Feldern ausstatten.

Unsere Fingerkuppen sind extrem reizempfindlich

Bekannt ist, dass die Mechanorezeptoren in unseren Fingerkuppen Reize im Millimeterbereich und sekundenschnell auflösen können.

Um das Gefühl von Haptik technologisch umzusetzen, nutzen die Stuttgarter die Reibungselektrizität.

Reibung zwischen Touchscreen und Finger

Hierbei wird der Touchscreen mit Hilfe elektrostatischer Felder kodiert, die eine Wechselwirkung mit den Wassermolekülen im Finger erzeugen. Streicht man nun mit dem Finger über die Touch-Bedienoberfläche, ändert sich die Reibung zwischen Touchscreen und Finger.

Sollen nun bestimmte Informationen fühlbar gemacht werden, müssen die Elektroden eindeutige Feedback-Muster erzeugen, ähnlich wie bei der Braille-Schrift für sehbehinderte Menschen.

Der neu entwickelte Touchscreen soll informationen fühlbar machen.
Der neu entwickelte Touchscreen soll informationen fühlbar machen.

Allerdings muss es auch für alle Nutzer passen. Denn es soll ja für Kinder genauso funktionieren wie für Senioren. Und für Menschen mit sehr sensiblen Hautoberflächen bis hin zu Handwerkern, die möglicherweise eine dicke Hornhaut haben.

Diese Oberfläche muss im Prinzip so ausgelegt werden, dass jeder diese haptischen Feedbacks spürt.

Schweißige Finger vermindern Stärke des Feedbacks

Auch die Schweißmenge auf der Haut spielt eine Rolle. Ähnlich wie fettige Finger die Bedienung eines Touch-Kochfelds erschweren, vermindern schweißige Finger die Stärke des Feedbacks.

Außerdem müssen die Forscher bedenken, dass der Touchscreen vielleicht in einem beweglichen Gerät eingesetzt wird, bei dem Schwingungen die tastbare Information überlagern.

Haptischer Touchscreen noch nicht serienreif

All das soll mit Hilfe einer große Praxisstudie erforscht werden, für die noch Testpersonen gesucht werden. Daneben ist eine weitere Studie mit blinden Probanden geplant. Bis haptische Touchscreens unseren Alltag erreichen, wird es also noch eine Weile dauern.

Thomas Maier schätzt, dass es im Bereich IT und Automobil sicher in zwei bis drei Jahren zu einer Umsetzung eines Prototypen kommen wird. In der Medizintechnik schätzt er den Zeitraum auf etwa fünf bis zehn Jahre, da dort die Freigabeprozesse teilweise sehr lange dauern.

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Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.