Medizintechnik

Stethoskop benutzt Künstliche Intelligenz für Diagnose von Lungenkrankheiten

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AUTOR/IN
Vincent Kolominsky-Rabas

Mit herkömmlichen Stethoskopen sind Lungenkrankheiten nur schwer zu entdecken. Ein digitales Stethoskop, mit einer künstlichen Intelligenz ausgestattet, soll das Problem nun lösen.

Das altbewährte Werkzeug ist den meisten Menschen schon von frühkindlichen Praxisbesuchen bekannt: Das Stethoskop macht das Ärzte-Outfit zusammen mit dem weißen Kittel komplett. Seine Wichtigkeit ist nicht zu unterschätzen: Das Stethoskop soll Diagnosen über Lungen- oder Herzprobleme ermöglichen, indem es Töne von Organen aus dem Brustraum besser hörbar macht. Doch das klangverstärkende Gerät ist längst nicht so zuverlässig, wie es zunächst scheinen mag.

Stethoskop (Foto: IMAGO, imago images / imagebroker)
Das Stethoskop gibt es seit dem Jahr 1816. Erfunden hat es der französische Arzt René Laennec. Die Funktionsweise des Instruments hat sich seitdem nur geringfügig weiterentwickelt.

Stethoskop bietet keine zuverlässige Diagnose

Meist werden bei der Untersuchung mit einem Stethoskop auch störende Umgebungsgeräusche eingefangen, die eine korrekte Diagnose erschweren. Gerade die aktuelle Pandemie stellt die Diagnostik von Krankheiten vor neue Herausforderungen: Überfüllte Kliniken sorgen für Lärm und wenig Zeit bei einzelnen Patient*innen. Das kann dazu führen, dass ein Problem nicht richtig erkannt wird und falsche Diagnosen gestellt werden.

Die Ungenauigkeit und Störanfälligkeit der Methode kann vor allem in Gebieten und Ländern, wo medizinisches Fachpersonal und Ausrüstung Mangelware sind, zu einem großen Problem werden. Fortschrittliche Medizintechnik, wie MRT oder Ultraschall, sind nicht überall verfügbar, was eine angemessene Untersuchung sehr erschwert. Im schlimmsten Fall kostet die mangelnde Einschätzbarkeit sogar Menschenleben - besonders aber die von Kleinkindern. Lungenentzündungen und damit verbundene Infektionen sind jedes Jahr für den Tod von fast einer Million Kindern verantwortlich.

Ein Arzt in Indien untersucht einen Säugling auf Herzprobleme. (Foto: IMAGO, imago images / Hindustan Times)
Ein Arzt in Indien untersucht einen Säugling auf Herzprobleme. In lauten Umgebungen wird es sehr schwierig, Unregelmäßigkeiten festzustellen.

"Smartes Stethoskop" filtert Störgeräusche heraus und stellt sogar Diagnose

Um sich diesem Problem anzunehmen hat Dr. James E. West an der Johns Hopkins Universität ein digitales Stethoskop entwickelt, das mit einer künstlichen Intelligenz ausgestattet ist und präzise Diagnosen für die Lunge stellen soll. Das Stethoskop kann Umgebungslärm und sogar den Herzschlag unterdrücken, sodass das auditive Signal der Lungen verbessert und die Diagnose vereinfacht wird. Maßgeblich unterstützend wirkt dabei, dass das Gerät automatisch eine Diagnose vorschlägt, die auf einem LED-Bildschirm eingeblendet wird und die Lärmunterdrückung automatisch abläuft. Die Erfolgsrate ist hoch: In 87 Prozent der Fälle erkennt das Instrument eine Lungenentzündung richtig.

Ein Mensch und ein Roboter schütteln sich die Hände. Darunter liegt ein Stethoskop (Foto: IMAGO, imago images / Panthermedia)
Künstliche Intelligenz findet sich inzwischen in fast allen Bereichen der Medizintechnik. Der Begriff umfasst eine Vielfalt von Technologien, die eigenständig lernen und daraufhin Entscheidungsprozesse optimieren können.

Das Gerät ist besonders nützlich für Personal im Gesundheitssystem in vielbevölkerten Gegenden oder lauten Klinikumgebungen und für Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen, die sich zuhause untersuchen müssen. West sagt, dass das Stethoskop aufgrund seiner einfachen Handhabung kein besonderes Training erfordere. Daher könnten auch Mitarbeiter ohne professionelle Ausbildung Untersuchungen vornehmen.

Entlastung für Krankenhauspersonal

Besonders in Zeiten der Corona-Pandemie kann medizinisches Personal von einer derartigen Unterstützung profitieren: Das Gerät kann dazu beitragen, das Social Distancing einzuhalten und das Ansteckungsrisiko für medizinisches Personal durch Covid-19 verringern, indem Aufnahmen virtuell mit Pflegekräften in anderen Räumen geteilt werden können. Außerdem entlastet es Fachpersonal, das zeitgleich für dringendere Aufgaben benötigt wird.

Ein überfülltes Krankenhaus in Indien (Foto: IMAGO, imago images / ZUMA Press)
Die Corona-Pandemie führt dazu, dass viele Krankenhäuser an ihre Belastungsgrenzen geraten. Gerade dann lohnt sich der Einsatz eines digitalen Stethoskops umso mehr, da aufgenommene Daten einfach verschickt und somit Kontakte minimiert werden können. Die einfache Bedingung ermöglicht Laien die Untersuchung und entlastet damit Fachkräfte.

Tests ergaben, dass Lungenärzte für Kinder das digitale Stethoskop in über 95 Prozent der Fälle gegenüber traditionellen Methoden bevorzugen. Sobald die Algorithmen weiter verbessert wurden, kann das revolutionäre Stethoskop zum Einsatz kommen und hoffentlich dazu beitragen, die Zahl der Opfer von Lungenentzündungen und deren Folgen zu vermindern.

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Vincent Kolominsky-Rabas