Bionik

Weißer Blatthornkäfer: Vorbild für umweltfreundliches Weiß

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AUTOR/IN
Bernd Schlupeck
ONLINEFASSUNG
Anja Braun

Sonnencreme, Papier oder Wandfarbe enthalten als Weißmacher oft Titandioxid. Forscher am KIT haben sich einen Käfer zum Vorbild genommen und ein umweltfreundlicheres Weiß entwickelt.

Weiß und glänzend soll sie sein: Sonnencreme, aber auch Papier oder Wandfarbe und vieles andere mehr. Dazu wird in der Regel Titandioxid verwendet: eine Verbindung aus Sauerstoff und dem Metall Titan. Doch das Pigment steht unter Verdacht möglicherweise unserer Gesundheit und der Umwelt zu schaden. Forscher am Karlsruher Institut für Technologie haben nun ein umweltfreundliches Verfahren für Weißmacher entwickelt. Dabei hat sie ein ganz besonderer Käfer inspiriert: Er heißt Cyphochilus insulanus.

Das Vorbild: der weiße Blatthornkäfer aus Indonesien

Der weiße Blatthornkäfer ist etwa zwei bis drei Zentimeter lang und lebt in der Regel in Indonesien. Es wird vermutet, dass der Käfer die weiße Farbe zur Tarnung angenommen hat, denn so kann er sich dort auf helle Pilze setzen und ist dann kaum sichtbar.

Weiße Färbung durch spezielle Nanostruktur der Käferschuppen

Dank der Schuppen im Chitinpanzer, auf dem Kopf und den Beinen erscheint der Sechsbeiner kräftig weiß. Unter dem Elektronenmikroskop betrachtet, weisen die Schuppen eine spezielle Nanostruktur auf, die einem Schwamm ähnelt. Das Luftbläschen-Gebilde sorgt dafür, dass einfallendes Licht fast vollständig reflektiert wird.

Forscher entwickeln ähnliche Struktur aus Acrylglas

Eine vergleichbare Struktur hat nun Hendrik Hölscher vom Karlsruher Institut für Technologie aus Acrylglas nachgebaut.

„Wir haben dazu eine Technik benutzt, bei der man das Polymer zusammen mit CO2 in eine Kammer einbringt, stellt dann eine bestimmte Temperatur ein und erhöht dann sehr stark den Druck. Dann kommt das CO2 in einen superkritischen Zustand, das heißt, es verhält sich wie ein Fluid. Und wenn ich dann sehr plötzlich den Druck aus der Kammer herauslasse, dann wird das CO2 wieder gasförmig. Und wenn ich das bei der richtigen Temperatur, mit der richtigen Geschwindigkeit und dem richtigen Druckablass mache, dann schaffe ich es, sehr kleine Bläschen zu erreichen.“

Das Ergebnis: hellweiße Kunststofffolien

Diese Technik erlaubt es, sehr dünne, flexible Kunststofffolien mit hellweißer Optik herzustellen. Bereits eine neun Mikrometer dünne Schicht – also etwa die Größe von Feinstaub – reicht aus, um 57 Prozent des einfallenden Lichts zu reflektieren. Wird die Schicht um das Sechsfache vergrößert, sind es sogar bis zu 90 Prozent.

Verpackungs- und Möbelindustrie sind sehr interessiert

Derartige Folien eignen sich zum Beispiel, um Möbel zu beschichten oder weiße Verpackungen herzustellen. Weil die derzeitigen industriellen Verfahren aber auf Titandioxid-Partikel ausgerichtet sind, die einfach nur beigemengt werden, wurde der Forscher häufig gefragt, ob sich aus den geschäumten Polymeren nicht auch Partikel herstellen lassen. Das versuchen sie derzeit:

„ Man muss sich das so ein bisschen wie einen weißen, geschäumten Marshmellow vorstellen, sehr klein und rund. Außen hat man noch eine Schicht, die ganz durchgängig ist, da kann dann auch nichts eindringen. Und innen drin wird das Licht gestreut und der Partikel sieht dann eben weiß aus. Wie gut wir die in Farben und Lacke einbringen können, das probieren wir gerade aus.“

Papierhersteller ebenfalls am Bio-Weißmacher interessiert

Das Interesse aus der Industrie an den käferinspirierten Polymeren ist schon jetzt sehr groß. Noch nie habe eines seiner Projekte so viel Resonanz erfahren, sagt Hendrik Hölscher. Sogar aus Bereichen, an die er vorher gar nicht gedacht hatte, etwa von Premium-Papierherstellern.

Der Karlsruher Wissenschaftler orientiert sich aber eher in Richtung Verpackungsmittelhersteller. So könnten in Zukunft Joghurtbecher kostengünstiger und umweltfreundlicher weiß gefärbt werden und beim Recycling gebe es durch die Verwendung des Bio-Weißmachers auch weniger Probleme. Mit einigen Firmen sind erste Vorstudien geplant.

Gleichzeitig forscht Hölscher daran, die Polymere noch nachhaltiger zu machen. Sein Ziel ist es in erster Linie Materialien zu nehmen, die biologisch abbaubar sind oder komplett biologische Polymere, die schon aus biologischen Stoffen hergestellt werden.

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