Botanik

Deshalb hilft es Pflanzen, wenn wir mit ihnen reden

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Thomas Samboll
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Franziska Ehrenfeld & Ralf Kölbel

Vor allem Zimmerpflanzen hilft ein bisschen Zuspruch. Denn dabei bekommen sie eine Extradosis CO₂. Und: Tomaten und Wein „hören“ offenbar gerne Musik. Aber haben Pflanzen auch Gefühle?

Im Forschungsgewächshaus der Universität Hamburg gedeihen unter anderem Raps, Kohl und Bohnen. Den Pflanzen geht es offenbar bestens. Und das ohne, dass jemand etwas gesagt hätte. Auf das Gemüse einreden – das klingt auch erstmal ziemlich komisch. Aber die Biologin Julia Kehr weiß:

 „Das ist tatsächlich gut! Weil das Schallwellen produziert, die gut für Pflanzen sein können. Und zweitens stößt man beim Reden CO₂ aus. Und das ist das, woraus Pflanzen während der Photosynthese Zucker machen. Also mit Pflanzen reden ist eine gute Sache. Dazu gibt es auch schon wissenschaftliche Studien.“

Eine Zimmerpflanze hat dabei sicherlich mehr vom Smalltalk als das Stiefmütterchen im Balkonkasten, wo der Wind das begehrte CO2 schnell in Luft auflösen kann.

Pflanzen reagieren wohl auf Schalleinflüsse mit vermehrtem Wachstum. Dass Pflanzen so etwas wie Gefühle entwickeln können, ist jedoch sehr umstritten. (Foto: IMAGO, imago/imagebroker)
Pflanzen reagieren wohl auf Schalleinflüsse mit vermehrtem Wachstum. Dass Pflanzen so etwas wie Gefühle entwickeln können, ist jedoch sehr umstritten.

Wein mag Mozart

Es gibt auch wissenschaftliche Studien, die belegen sollen, dass zum Beispiel Wein und Tomaten gerne Musik hören. Demnach hat ein Winzer in Florenz seinen Ertrag gesteigert und den Geschmack seiner Trauben verbessert, indem er seinen Pflanzen Aufnahmen von Mozart, Mahler und Vivaldi vorspielte. Andere Weinbauer berichten von ähnlichen Erfahrungen.

Manche Weinbauern behaupten, dass die Beschallung der Reben mit klassischer Musik das Wachstum der Reben positiv beeinflusse. (Foto: IMAGO, imago/Joana Kruse)
Manche Weinbauern behaupten, dass die Beschallung der Reben mit klassischer Musik das Wachstum der Reben positiv beeinflusse.

Rote Tomaten fahren dagegen angeblich auf Pop-Musik von Simply Red ab. Schöne Geschichten. Sie haben laut Biologin Julia Kehr allerdings alle einen kleinen Haken:

„Pflanzen ist relativ egal, was da für Musik gespielt wird. Sie wirkt im Prinzip wie ein mechanischer Reiz auf die Membranen, die die Pflanzenzellen umgeben. Das führt dazu, dass die Pflanze leicht gestresst wird und das tut ihr im Zweifelsfall gut. Es ist also egal, ob Mozart oder Hardrock - es darf bloß nicht zu laut sein, weil dann die Membranen geschädigt werden.“

Bis zu einer gewissen Lautstärke scheinen Pflanzen auf Musikbeschallung positiv zu reagieren. (Foto: IMAGO, imago images / Panthermedia)
Bis zu einer gewissen Lautstärke scheinen Pflanzen auf Musikbeschallung positiv zu reagieren.

Haben Pflanzen Gefühle?

Schallwellen, die das Wachstum fördern, Kohlendioxid, das bei der Photosynthese hilft – das klingt alles erstmal ganz schön nüchtern und emotionslos. Und nicht danach, dass Pflanzen tatsächlich Gefühle haben. Tatsächlich hat das Grünzeug keine Neuronen und kein Gehirn, was Reize verarbeiten kann. Trotzdem sind Pflanzen keineswegs einfach gestrickt, betont Julia Kehr:

„Sie nehmen ganz viel wahr, sie reagieren auch darauf. Sie lernen sogar aus dem, was sie wahrnehmen. Das ist, warum man Pflanzen auch immer einen gewissen Grad der Intelligenz zuschreibt. Aber sie können das Ganze nicht zu Gefühlen verarbeiten und zu Emotionen zusammenfassen.“

Pflanzen reagieren stark auf unterschiedlichste Umwelteinflüsse. Aber haben Sie so etwas wie Gefühle? (Foto: IMAGO, imago images/Westend61)
Pflanzen reagieren stark auf unterschiedlichste Umwelteinflüsse. Aber haben Sie so etwas wie Gefühle?

Professor Frantisek Baluska von der Uni Bonn hat da so seine Zweifel. Er ist davon überzeugt, dass sich Pflanzen, Tiere und Menschen sehr viel ähnlicher sind, als es die klassische Biologie lehrt. Deshalb hält er es für möglich, dass auch Pflanzen Gefühle haben könnten:

 „Wir können sie nicht fragen. Aber die Pflanze unter Stress oder Verwundung synthetisiert Stoffe, die bei Menschen oder Tieren schmerzlindernd sind. Warum sollten sie das sonst tun? Also ich würde eher sagen: Ja! Aber beweisen kann man das nicht.“

Umstrittene Neurobiologie

Pflanzen-Neurobiologie heißt seine Forschungsrichtung, die innerhalb der Wissenschaft sehr umstritten ist. Pflanzliche Zellen seien demnach den Nervenzellen von Tieren und Menschen, den sogenannten Neuronen, sehr ähnlich. Denn, so Frantisek Baluska:

„Die pflanzliche Zelle ist irgendwie in der Lage, alles zu machen, was die Neuronen auch machen. Pflanzen haben keine Organe so wie Tiere oder Menschen, aber sie haben Zellen in der Wurzelspitze so angeordnet, dass sie da in ähnlicher Weise agieren wie ein tierisches Gehirn. Mit menschlicher oder tierischer Intelligenz hat das nicht viel zu tun, aber sie ist auch dazu da, dass die Pflanzen überleben.“

Querschnitt durch den Spross eines Ginkobaumes mit Harzkanälen - lichtmikroskopische Aufnahme (Foto: IMAGO, imago xblickwinkel/F.xFoxx )
Querschnitt durch den Spross eines Ginkobaumes mit Harzkanälen - lichtmikroskopische Aufnahme

Gewisse Ähnlichkeiten zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen sieht auch Julia Kehr von der Universität Hamburg. Ein Beispiel sind die Wurzelnetzwerke im Wald. Wird ein Baum zum Beispiel von Käfern befallen, sendet er Botenstoffe aus. Die werden über das unterirdische Netzwerk verbreitet und wirken wie ein Warnsignal für Nachbarbäume. Ob die Bäume das allerdings absichtlich tun, ist unklar.

Dürfen wir Pflanzen essen?

Das sieht auch Frantisek Baluska von der Uni Bonn so. Trotzdem hält er Pflanzen für so komplexe Organismen, dass das Verspeisen von Kohlrabi, Knoblauch und Co einen gewissen Beigeschmack haben könnte…

„Wir müssen etwas Lebendes essen. Und ob das bei Pflanzen jetzt so schmerzhaft ist wie bei Tieren oder Menschen, das ist immer die Frage. Aber ich vermute, die haben da schon ein Problem irgendwie…“

Wer beim Herausreißen und dem Verzehr einer Karotte schon ethische Bedenken entwickelt, wird es schwer haben, passende Nahrung für sich zu finden. (Foto: IMAGO, imago images/Westend61)
Wer beim Herausreißen und dem Verzehr einer Karotte schon ethische Bedenken entwickelt, wird es schwer haben, passende Nahrung für sich zu finden.

Julia Kehr sieht das dagegen wie die meisten Wissenschaftler*innen deutlich gelassener:

 „Pflanzen können ganz tolle Sachen. Aber man muss nicht versuchen, eine Pflanze einem Tier gleichzusetzen. Sie müssen nicht warten, bis die Früchte reif vom Baum fallen. Man kann durchaus auch ohne ein schlechtes Gewissen Salatblätter essen oder Mohrrüben oder anderes Gemüse. Pflanzen sind keine Tiere und keine Menschen!“

Ob Pflanzen oder Bäume es spüren, wenn man sie umarmt ist schwer zu erkunden. Für den Menschen selbst hat die Natur jedenfalls positive Effekte - gerade in Zeiten von Corona. (Foto: IMAGO, imago images/Westend61)
Ob Pflanzen oder Bäume es spüren, wenn man sie umarmt ist schwer zu erkunden. Für den Menschen selbst hat die Natur jedenfalls positive Effekte - gerade in Zeiten von Corona.
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