Motorola International 3200 und ein iPhone der ersten Generation gegenübergestellt (Foto: IMAGO, picture-alliance / Reportdienste, /stock&people /empics)

Glosse

50 Jahre Mobilfunk – Vom "Knochen" zum Alleskönner

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Stefan Troendle
Stefan Troendle, Reporter und Redakteur bei SWR Wissen aktuell und SWR2 Impuls. (Foto: SWR, SWR, Christian Koch)
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Das Handy hat unser Leben und sich selbst sehr verändert. Stefan Troendle, SWR Wissenschaftsredaktion, schildert persönliche Erfahrungen vom ersten eigenen Mobiltelefon bis zum heutigen Alleskönner.

„Die Menschen wollen mit anderen Menschen sprechen – nicht mit einem Haus, einem Büro oder einem Auto. Wenn sie die Wahl haben, wollen sie die Freiheit, von dort aus zu kommunizieren, wo sie gerade sind, unbehindert von so einem furchtbaren Kupferdraht.“ Dieser Satz stammt von Martin Cooper in Rückschau auf den 3. April 1973, als er den weltweit ersten Anruf von einem Mobiltelefon aus tätigte. Was hat sich seitdem verändert?

Eine Glosse von Stefan Troendle

Vom Pilotenkoffer zum „Knochen“

Mein erstes Mobiltelefon war nicht so richtig mobil. Es steckte in einem Pilotenkoffer, wog ungefähr zwölf Kilo und hatte außen einen Hörer plus Buchsen für Mikrofon und Kopfhörer. Das Ding im Rahmen einer Live-Reportage per C-Netz Funktelefon über mehrere Kilometer durch eine Studentendemo zu schleppen, das gehörte zu den eher nicht so erfreulichen Momenten meiner Reporterlaufbahn.

Auch die ersten kleinen Mobiltelefone waren nicht so „handy“ – das Handheld war format- und gewichtstechnisch für Telefonate über eine Minute eher ein Abenteuer für zwei Hände, das Design – nun ja – gewöhnungsbedürftig.

Die Geräte des Herstellers Motorola trugen nicht umsonst den Spitznamen: „Der Knochen“. Man konnte damit genau das machen, was bei jungen Leuten heute eher verpönt ist: Man konnte mit anderen Menschen sprechen, wenn man denn Empfang hatte – ja, auch das hieß damals so – also man konnte telefonieren. Mehr nicht. Wenn der Akku nicht leer war.

Ein Motorola International 3200 (Foto: IMAGO,  / teutopress)
Das Motorola International 3200 war eines der ersten Mobiltelefone, mit dem man Telefonieren und im Internet surfen konnte.

Für Ärzte, Vertreter und eben Reporter wie mich waren Handys enorm praktisch. Man war jederzeit erreichbar und natürlich hatte man einen Ersatzakku. Den Akku auszuwechseln war damals, in der Vor-Powerbank-Zeit, übrigens auch noch möglich.

Als WhatsApp noch SMS hieß und Geld kostete

Der nächste Schritt war die mobile Textkommunikation per SMS. Ohne spezielle Verträge konnte eine Kurznachricht bis zu 35 Pfennig kosten (für die Jüngeren unter uns: Das sind genau 17,89522 Cent) und Telekom, Mannesmann-Mobilfunk, e-plus und Viag Interkom haben sich durch das neumodische Simsen ihre Bilanzen saniert.

Einer der klassischen Witze damals lautete: Woran erkennt man, dass jemand ein Handy hat? Antwort: Er zeigt es jedem. Für alle ohne das nötige Kleingeld gab es täuschend echt aussehende Attrappen für den Kneipentisch.

Personalisierte Klingeltöne

Dann kam die Individualisierung. Wer was auf sich hielt, hatte einen eigenen Klingelton. Die klangen zwar alle gleich nach Gameboy, aber das Badener Lied hatte selbst in dieser Fassung sehr viel Schönes, wenn man in Stuttgart angerufen wurde. 

Seit ein paar Jahren haben die Geräte bekanntlich einen Vibrationsalarm, der seinen Namen verdient und lautes Klingeln gilt – weil störend – als eher unsozial. Auch in Kinos oder Theatern ist Handygebimmel daher meist die Ausnahme.

Und dann kam das mobile Internet

Das Handy jedenfalls war um den Jahrtausendwechsel fertig entwickelt. Ein Nokia 6310i hatte bis zu zwei Wochen Standbyzeit und Batterie-Werte von denen E-Auto-Hersteller nur träumen können. Ein Mitarbeiter eines großen Mobilfunkkonzerns sagte damals mal, man brauche jetzt eine neue Killerapplikation.

Er musste nicht lange warten: Die kam durch die Mobilisierung des Internets. Zunächst erst nur in Mailform, durch Geräte wie den Blackberry – ein Handy mit Schreibmaschinentastatur, aber damals extrem mieser Akkuleistung.

Das Bild zeigt Martin Cooper, den Erfinder des ersten Mobiltelefons. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, ZUMAPRESS.com, Dane Andrew)
Seit dem 3. April 1973 hat sich viel getan: Martin Cooper, der Erfinder des ersten Mobiltelefons, telefonierte vor 50 Jahren noch mit einem kiloschweren Telefon. Vom unhandlichen „Knochen“ bis zum Smartphone, wie es heute verbreitet ist, war es ein weiter Weg.

Revolution des iPhones als Alleskönner

Dann jedoch entschied ein gewisser Steve Jobs, alle unterwegs nötigen Geräte in einem zusammenzufassen. Fotoapparat, Walkman, Notizbuch, Fernseher, Computer und natürlich Telefon. Das alles ohne Tastatur. Die Deutschen, die bereits ihre Erfahrungen mit den Touchscreen-Fahrkartenautomaten der Bahn gemacht hatten, waren zunächst skeptisch – aber nicht lange.

Und so hat das Handy, das jetzt Smartphone genannt wurde, obwohl es meist dümmer war als seine Besitzer, die Welt und unsere Sprache verändert. Den Satz: „Du hast doch WLAN, schick dem mal ‘ne Whatsapp, dass wir sein Selfie gepostet haben“, hätte noch vor 20 Jahren niemand verstanden.

Inzwischen sitzen wir vor dem Fernseher und wenn der Film Längen hat, schauen wir mal kurz auf den Second Screen, posten auf Social-Media-Kanälen, dass der Film langweilig ist oder bestellen online Pizza – natürlich alles, ohne jemanden anzurufen.

„Der ist nicht erreichbar“ – hübsche Aussage von Auszubildenden, die ich betreue, „der antwortet nicht auf WhatsApp oder Mail“. Die Nachfrage: „Hast Du ihn denn mal angerufen?“ löst häufig große Verwunderung aus.

iphone-Einführung in der T-Mobile-Zentrale in Bonn  (Foto: IMAGO, /JOKER)
Am 09. Januar 2007 wurde das erste iPhone von Steve Jobs vorgestellt.

Ständige Erreichbarkeit – egal wann und wo

In Deutschland gibt es inzwischen zwar weit über 60 Millionen Handys, aber immer weniger dieser Geräte werden benutzt, um mit ihnen zu telefonieren. Wir sind dank Flatrate zwar europaweit rund um die Uhr erreichbar – es ruft nur keiner mehr an. Das Wichtigste an Mobilfunkverträgen ist inzwischen die Größe der Datenrate.

Denn das Handy als unverzichtbarer Alltagsbegleiter bietet so viele andere Möglichkeiten, dass man mit anderen Menschen gar nicht mehr reden muss. Kann man schön beobachten, wenn im Restaurant Pärchen nebeneinander sitzen, aber nur auf ihre Handys starren. Smombies.

Wir können sie sogar in Flugzeugen nutzen, ohne dass diese abstürzen. Auch die Zahl derjenigen mit Knopf im Ohr, die scheinbar Selbstgespräche führend durch die Fußgängerzonen laufen, nimmt stark ab. Und eine Szene, wie sie mir Anfang der 1990er-Jahre als Early-Handy-Adopter passiert ist, wäre heute nicht mehr denkbar:

In der Innenstadt von Karlsruhe klingelt mein Handy, ein kleines Gerät. Ich telefoniere angeregt, stütze mich irgendwo angelehnt mit dem Ellenbogen ab. Kommt eine Gruppe Jugendlicher vorbei: „Ey, guck mal, der Typ da ist total bescheuert – der telefoniert mit einer Parkuhr...“ 

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