SWR Symphonieorchester | Programm 22. September

Kaija Saariaho: L'amour de loin

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Von der Oper in den Konzertsaal

Die finnische Komponistin Kaija Saariaho hat sich in ihrem Orchesterwerk "Cinq reflets" erneut mit dem Thema Sehnsucht befasst. Dabei bezieht sie sich auf die Handlung, die sie schon in ihrer Oper "L'Amour de loin" verarbeitet hatte.

Bevor Kaija Saariaho den nicht einfachen Weg zur Komponistin einschlug, war sie Malerin. Sie hat also einen engen Bezug zu Bildern, sowohl zu visuellen wie zu akustischen. "Das hat mit meiner Konzeption von Klängen zu tun", sagte die 1952 in Helsinki geborene einmal "Es gibt bestimmte Klänge in meinem Kopf, die in mir – ohne dass ich es forcieren würde – Lichter und Farben auslösen. Ich denke sozusagen mehr cineastisch. Und das möchte ich dann in meiner Musik umsetzen."

Die "Cinq reflets" für Sopran, Bariton und Orchester werden ihrem Namen gerecht. Die fünf Sätze sind ein Reflex auf die in Salzburg sehr erfolgreiche Oper "L'Amour de loin", die die New Yorker Times zum besten neuen Werk des Jahres 2000 gekürt hatte. Naturgemäß spielen in einem 30-minütigen Orchesterwerk andere Prinzipien eine Rolle als in einer fast zweistündigen Oper. Es gibt keine geschlossene Handlung. Eher sind es kondensierte Ausschnitte aus dem Leben des Troubadours Jaufré Rudel, der im 12. Jahrhundert tatsächlich lebte. Im dritten Satz "L'Amour de loin" zitiert Saariaho Worte Rudels, während die anderen Sätze aus Texten des 1949 in der Nähe von Beirut geborenen Autors Amin Maalouf bestehen. Sehnsucht steht im Mittelpunkt der Handlung. Der Troubadour und seine verehrte Clémence, die Gräfin von Tripolis, sahen sich nur sehr kurz, verliebten sich im wesentlichen mittels Fernkontakt: Berichte von der Gräfin führten zur Liebe des Troubadours, während die Zuneigung der Gräfin dadurch zu Stande kam, dass ihr seine Lieder zu Gehör kamen. Zum Happy End sollte es nicht kommen. Auf der Reise zur abstrakt Geliebten wird der Troubadour Rudel krank.

Nach der Ankunft und mit der ersten Umarmung kommt der Tod. Kaija Saariaho war von der Geschichte fasziniert. Sie suchte "nichts Dramatisches", nicht so Opern typische "große Eifersuchtsausbrüche". Der Sehnsucht beider Protagonisten entspricht ein elegisch-litaneiartiger Ton. Höhepunkte, dramatische Zuspitzungen gibt es nicht. Es sind wahrlich Klangbilder, nicht statische, aber nur langsam sich entwickelnde. Nicht einzelne "Ereignisse" sind bedeutend für Saariahos Musik, sondern eher ein Sinn für Farben und verschiedene Dichten. Bereits ihr Lehrer Paavo Heininen hatte ein Faible für die französische Musik eines Claude Debussy und eines Olivier Messiaen. Saariaho, die schon lange in Paris lebt, führt das französische-finnische Erbe weiter. Ihr künstlerisches Credo fasste sie einmal so zusammen: "Alles ist erlaubt – so lange es geschmackvoll gemacht ist."

Aus dem Programmheft, Autor: Torsten Möller

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