Thema Musik

Operetten-Gefahr! Aktuelle Uraufführungen auf deutschen Bühnen

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AUTOR/IN
Stefan Frey
Portrait von Stefan Frey (Foto: Markus Konvalin )

Die Operette gilt gemeinhin als "totes Genre", zumindest zehrt sie von der Substanz eines Repertoires, das mittlerweile historisch ist. Dabei war sie einmal eine aktuelle, zeitkritische Kunst. Die letzte Uraufführung einer Operette, die heute noch gespielt wird, war 1950 Paul Burkhards "Feuerwerk". Höchste Zeit also für neue Operetten! Das dachten sich auch die Komponisten Gordon Kampe, Daniel Behle und Moritz Eggert und schrieben im letzten Jahr drei sehr unterschiedliche Werke, die alle mit sehr eigenwilligen Mitteln versuchen, die Absurdität der Gattung wiederzubeleben: "Hopfen und Malz", "Gefährliche Operette" und "Die letzte Verschwörung".

Hopfen und Malz verloren?

Ölsum oder Meersum, Senta oder Klaus, Voodoo-Bier aus dem Kloster St. Demenz oder Flens – das sind die Fragen in Daniel Behles überschäumender Bier-Operette Hopfen und Malz.

Eine Operette voller Kalauer, Sauflieder und Opernparodien, die Musik süffig, aber schwer zu realisieren – vor allem für das Orchester, denn Behle liebt Klangspielereien à la Strauss - nicht à la Johann, sondern à la Richard Strauss, wohlgemerkt! Ein eigenwilliges Gebräu mit Ohrwurm-Qualität.

Ein Mann gießt Flüssigkeit in einen Krug in der Operette "Hopfen und Malz" (Foto: © TOG / Foto: Theresa Lange )
Wer gewinnt den ersten Preis für die höchste Braukunst? Ein Geheimrezept soll in der Operette „Hopfen und Malz“ zum Sieg verhelfen.

Nichts ist wie es scheint

Eine „Mythos-Operette“ so nennt Moritz Eggert sein jüngstes Bühnenwerk Die letzte Verschwörung. Es geht darin um Verschwörungsmythen, z. B. den der Flat-Earth-Bewegung, also von Leuten, die glauben, die Erde sei flach – durchaus ein Operettenstoff.

Moritz Eggert liebt es, mit musikalischen Genres zu spielen. Mal illustriert er das Geschehen mit großem spätromantischen Orchesteraufwand, mal minimalistisch reduziert, zitiert Fernsehjingles und Wiener Walzer. 

Timothy Fallon neben schwarzen Figuren in der Operette "Die letzte Verschwörung" (Foto: Barbara Pálffy/Volksoper Wien)
Friedrich Quant (gespielt von Timothy Fallon) begiebt sich in der Operette „Die letzte Verschwörung“ auf die Suche der Wahrheit.

Obacht: Operette!

Gefährliche Operette heißt Gordon Kampes kammermusikalische Etüde über das Genre. Er vertraut deren Nummerndramaturgie, würzt sie mit schrägen Klängen aus der Neuen Musik und ebenso schrägen Texten.

Gordon Kampe im Musikgespräch über seine „Gefährliche Operette“

Das kleine Orchester rund um das große Schlagwerk samt Kuhglocken, Flaschen und singender Säge ist ein Schauspiel für sich und auch szenisch eingebunden. Da wird die Klarinettistin zum Tanz aufgefordert, und den Dirigenten lässt Kampe am Ende in den Schnürboden entschweben.

Nostalgie kontra Aktualität

Das Berliner Theaterkollektiv Tutti d*amore will die Operette vor allem performativ erneuern. Ihre gemeinsam entwickelten Projekte präsentieren Operette in neuen Formen, neuen Arrangements, mit neuen Texten und an neuen Orten - ob im Großstadtclub oder auf dem Dorfplatz.

Je schwerer die Zeiten, desto leichter die Muse. Die Operette war – und ist – immer ein Krisengenre. Auch für die Absurditäten unserer Zeit scheint sie das passende Genre zu sein – ob experimentell überdreht, ob gefährlich schräg oder wie in der Operette für zwei schwule Tenöre als pop-kultureller Kontrapunkt.

Hier geht es weniger um neue musikalische Formen, sondern um neue Inhalte, nämlich eine moderne schwule Beziehungskiste, für die Komponist Florian Ludewig bewusst nostalgische Klänge gefunden hat – im gewollten Gegensatz zum witzig-aktuellen Libretto von Johannes Kram. 

Drei Männer in "Operette für zwei schwule Tenöre" (Foto: Morris Mac Matzen)
Florian Ludewig liefert für die „Operette für zwei schwule Tenöre“ die Musik und Johannes Kram den Text. Zur Diskussion steht in dem Stück das idyllische Dorfleben.

SWR2 Tandem Retterinnen der Operette - Das Kollektiv tutti d*amore entstaubt und erneuert das Musiktheater

Vier Künstlerinnen wollen die Operette erneuern und zukunftsfähig machen. Ihr Publikum erreichen sie auf Raves genauso wie auf Dorfplätzen.  

SWR2 Tandem SWR2

Trier

Bühne Queere Operette bringt Retroflair nach Trier

Retro ist „in” – Serien wie Babylon Berlin oder Ku’damm 56 machen es vor. Auch die „Operette für zwei schwule Tenöre“ bedient dieses Gefühl und transportiert eine moderne Botschaft.

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