Musikstück der Woche vom 08.09.2014

In die Tiefe gehorcht

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Frédéric Chopin: Andante spianato und Grande Polonaise Es-Dur op. 22

Selbst dann, wenn Chopin brillante und virtuose Musik schreibt – immer klingt bei ihm Sehnsucht und Melancholie hindurch. In unserem Musikstück der Woche spielt der kroatische Pianist Dejan Lazic, der Mitschnitt stammt vom 1.11.2009 aus dem Palatin Wiesloch.

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„Bei oberflächlicher Betrachtung scheint es, Chopins musikalisches Potential wäre nur dem Klavier gewidmet“, sagt der Pianist Dejan Lazic. „Doch horcht man in die Tiefe der Klavierwerke dieses Klavierpoeten und –virtuosen, so erkennt man, dass man diese auch als orchestral, kammermusikalisch oder als Lied mit Begleitung sehen kann. Seine kühnen und individuellen Harmonien, unterstrichen durch vielfältigen Rhythmus, weisen bereits auf den Impressionismus hin – und das zeigt, wie weit Chopin seiner Zeit voraus war.“

Im Jahr 2000 hat Dejan Lazic eine Chopin-CD veröffentlicht, unmittelbar nach seiner Mozart-CD. „Für mich war das eine besondere Herausforderung“, schreibt er darüber im Booklet. „Es gibt nämlich kaum zwei Komponisten, die im Charakter so ähnlich und zugleich so unterschiedlich waren. Beide haben in ihrem kurzen Leben schnell und problemlos komponiert, ihre Musik ist ehrlich und klar. Mozart jedoch war kreativ auf allen Gebieten der Musik; Chopin war jemand, dem das Klavier sein ‚Ein und Alles‘ war … Bei allen kompositorischen Formen versuche ich die improvisatorische Spontaneität Chopins beizubehalten“.


Aufforderung zum Tanz

Die Grande Polonaise Brillante Es-Dur, der ein Andante spianato (spianato = mit ebenmäßiger Stimme) vorausgeht, hat Chopin um 1830 komponiert, in seinen letzten Warschauer Monaten. Er hat davon auch eine Version für Klavier mit Orchesterbegleitung angefertigt. Heute wird das Stück meist in der Fassung für Klavier allein aufgeführt. Dejan Lazic: „Ich versuche, die Unterschiede zwischen den Solo- und Tuttiabschnitten nicht nur dynamisch, sondern auch agogisch deutlich zu machen. Nach einem ruhigen Andante, das eine Mazurka in der Mitte hat, kommen die Fanfaren – wie eine Aufforderung zum Tanz. Die Polonaise, obwohl sehr verziert, behält die ursprüngliche rhythmische Struktur bis zum buchstäblich letzten Takt.“

Dejan Lazic
wurde 1977 in Zagreb, Kroatien, in eine Musiker-Familie geboren. Er wuchs in Salzburg auf, wo er am Mozarteum studierte. Heute lebt er in Amsterdam. Er ist ein gefrager Solist auf den großen Bühnen der Welt, macht leidenschaftlich gerne Kammermusik und widmet sich – immer, wenn es seine Zeit zulässt –, auch der Komposition.

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SWR