Donaueschinger Musiktage 2005 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2005: "Powered by Emphasis"

Stand
AUTOR/IN
Clemens Gadenstätter
Lisa Spalt

Ballade 2, 3 & 4

"Powered by" – die Wendung deutet an, dass einer Sache eine Art Außenbordmotorisierung zugeschaltet wird, etwas, das sie antreibt, schneller vorwärts bringt. Rhetorisch bedeutet "Emphase" die Eindrücklichkeit der Rede, im Konzertbetrieb dagegen steht der Begriff oft fälschlich für "das Gefühl", das vor allem in konzeptuell gedachten Stücken, wie es dann schnell heißt, vermisst wird. Powered by Emphasis ist das Ergebnis einer Untersuchung zu diesem diffusen Nachdruck, der da die Musik antreiben soll. Das englische "Emphasis", das ungefähr mit "Akzent" zu übersetzen ist, schien uns unsere Arbeitshypothese am besten zu erfassen: dass das Reden über "das Gefühl" in der Musik sich oft auf die Sehnsucht nach gängigen Akzentuierungsmustern bezieht. Was nur neu ist, vermittelt eben genauso wenig Information wie das, was nur bekannt ist. Akzentuierung wiederum ist Aufmerksamkeitslenkung, und Hinweisen auf etwas erzeugt den Eindruck von Sinnhaftigkeit. Diese Konnotation von Äußerlichkeit, die der Akzentsetzung im englischen Begriff anhaftet, hat uns interessiert, beispielsweise als ein Phänomen der Werbung, die völlig inhaltsleeren Äußerungen durch solche Akzentuierungen den Nimbus informativer Aussagen verleiht. Aussagen, die in einer rudimentären Weise bloß Bedeutung besitzen, werden so als "sinnvoll" verkauft.

Musik und Sprache in Powered by Emphasis gehen aus von zeichenhaften Ereignissen. Signalhaftes Material in der Musik sowie kontextuell geprägte Lautereignisse (Straßenlärm etc.) ermöglichen semantisch deutbare Syntagmen. Unterschiedliche Akzentsetzungen sollen durchspielen, wie "Emphasis" aus bloß bedeutsamen Einheiten Sinn zu erzeugen vorgibt, wie deren Anwendung die Sicht auf diese Welt aus Klängen/Sprachklängen lenkt, wie sehr jede Sinnvermittlung auch Appell ist zur Sichtweise und Weltsicht der jeweils Akzent setzenden Person.

Ballade 2

Sinnvermittlung ist Lockung, Werbung, "Highlightening". Wenn durch "Akzentsetzung in der Leere" Sinn vermittelt wird, das Sammeln von Lockvögeln könnte Lebenssinn sein, wenn diesem Lockruf auch gefolgt wird, erzeugt das einen höheren Status dessen oder derjenigen, der/die um die Aneignung dieser Weltsicht geworben hat. Die Verlockung zum Sinn ist also mit Status und Hierarchie verbunden. Der Aufstieg ist der Zweck des Sinns. Die "richtige" Weltsicht/Einordnung der Umweltphänomene bringt eine größere Durchsetzungskraft mit sich. Die Masse/Menge, mit der die Marke daherkommt, verleiht ihr daher auch ihr Gewicht – sie muss viele Lockvögel beinhalten, auf die möglichst große Massen/Mengen "fliegen". Sie muss, wie Kevin Roberts, Werbemanager von Saatchi und Erfinder des Begriffs "Lovemark" klar gemacht hat, "Gefühl" hervorrufen. Und mit "Gefühl" ist auch hier gemeint, dass gewohnte Muster aufgerufen werden, die Geborgenheit, Verstehbarkeit Vorhersehbarkeit vermitteln die Empfindung, dass jeder, jede und jedes einen Platz im Gefüge hat, der sich "in der Nähe der Gewichtigkeit" befindet.

Ballade 3

Die Person hält den Akzent vor sich hin, macht sich interessant, hält sich das modische Zitat seiner selbst als ein Lockvogel vor sich hin, der die echte Person verkaufen helfen soll. Vorgespiegelt wird das Persönliche, das Private, das sich beim Hingreifen immer in die Projektion eines Images, eines Klischees (z.B. Heimattümelei) auflöst. Musikalische Kontexte setzen Schwerpunkte, die zu bestimmten Sinnsetzungen verleiten (Hausmusik/Jagdmusik). Letztlich treffen sich zwei, die einander für etwas anderes gehalten haben Von außen (kommentierender Chor) ist leicht zu erkennen, dass das Problem folgendes ist: Die Wörter sind das eine, der Sinn das andere. Liebe ist diesen beiden Akteuren nur ein Begriff. Würden sie das verstehen, wäre ihnen Liebe ein Begriff.

Ballade 4

Emphasis aus der Praxis von Ideologie und Produktwerbung. Schwanken zwischen Bild und Realität. Das musikalische oder sprachliche Zeichen verweist als ein Akzent auf ganze Lebensführungsweisen/Lifestyles, drängt darauf, zur "richtigen" Lebensweise hinführen zu können. Zum Stahlhelm gehört das Berufs- und Heldenbild "New Yorker Feuerwehrmann", zu einem anderen Heldentum die Demo-Soundkulisse, zum erwerbbaren Actionheldenfeeling die Shopping-Mall-Berieselung.

Amüsant: Als ein Stück Sinnvermittlungsversuch, ein Versuch zum "so verstehen wirs jetzt und es gefällt uns nicht", fühlt sich unser Stück natürlich selbst auf den Zahn, führt sich hoffentlich mit Ironie und Mehrwert ad absurdum.

Stand
AUTOR/IN
Clemens Gadenstätter
Lisa Spalt