Tagesgespräch

JSUD-Präsidentin Hanna Veiler: Junge Jüdinnen und Juden hinterfragen ihre Zukunft in Deutschland und Europa

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AUTOR/IN
Pascal Lechler

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Am 85. Jahrestag der Nazi-Pogromnacht in Deutschland fühlt Hanna Veiler, die Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland, auch Wut. Im SWR2 Tagesgespräch kritisiert sie die Erinnerungskultur in Deutschland: "Wir erleben seit Jahrzehnten, dass an Jahrestagen wie dem 9. November oder dem 27. Januar zahlreiche 'Nie wieder...' aufgezählt werden. Das ist ein ritualisiertes Gedenken geworden. (…) Aber wir sind immer noch nicht an dem Punkt angekommen, dass verstanden wurde, dass das nicht leere Floskeln sein können, sondern dass das Handlungsaufträge für die Gegenwart und Zukunft sein müssen. Dass wir nicht toten Jüdinnen und Juden gedenken können, ohne gleichzeitig dafür zu sorgen, dass lebendige Jüdinnen und Juden im Hier und Jetzt sicher und selbstbestimmt leben können."
Die Feindseligkeit habe seit dem 7. Oktober, dem Tag an dem Hamas-Kämpfer in Israel mehr als 1400 Menschen getötet und mehr als 200 verschleppt haben, deutlich zugenommen, auch wenn jüdische Lebensrealität in Deutschland schon lange vorher "und eigentlich immer von Antisemitismus geprägt" gewesen sei.
Mit Blick auf die Sichtbarkeit jüdischen Lebens in Deutschland spricht Veiler aktuell von einer "Paradoxen Situation". Jüdische Aktivisten und Organisationen hätten über Jahrzehnte "alles daran gesetzt, jüdisches Leben sichtbarer zu machen". Gerade müssten aber "Jüdinnen und Juden ihre Identität wieder verstecken (…), um sicher sein zu können." Gleichzeitig sei jüdisches Leben aufgrund der jahrelangen Arbeit "nach wie vor wahnsinnig sichtbar".
Veiler geht davon aus, dass der 7. Oktober die "jüdische Gemeinschaft nachhaltig prägen und verändern" wird. Auf welche Art und Weise, könne man im Moment noch nicht sagen. Erste Anzeichen dafür seien ein "Gefühl der Unsicherheit" und eine „Veränderung des Selbstbewusstseins und der Selbstwahrnehmung als eigentlich gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger dieses Landes".

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Pascal Lechler