Ein Notarzt und ein Sanitäter versorgen einen Mann, der auf dem Boden liegt, mit Sauerstoff und führen eine Herzdruckmassage durch (gestellte Szene).

Woche der Wiederbelebung

Herzstillstand: Ob man überlebt, hängt (auch) vom Wohnort in RLP ab

Stand
Autor/in
Annette Fuhrmann
Martin Heuser
Martin Heuser ist Redakteur bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz
SWR Data Lab
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In der Woche der Wiederbelebung rückt die Reanimation näher in den Fokus. Tausende Menschen könnten jedes Jahr gerettet werden, wenn die Notfallversorgung in Deutschland besser aufgestellt wäre. Das zeigt eine SWR-Recherche. So ist die Lage in Rheinland-Pfalz.

Der plötzliche Herz-Kreislauf-Stillstand ist eine der häufigsten Todesursachen. So überleben in Deutschland hochgerechnet bei 55.000 Reanimationen gerade einmal 7.400 Patientinnen und Patienten. In Rheinland-Pfalz überleben von mindestens 2.700 Reanimierten pro Jahr nur etwa 370.

Ein wichtiges Ergebnis der SWR-Daten-Recherche: Bundesweit gibt es große Unterschiede in der Nofallversorgung bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand. Das gilt auch für Rheinland-Pfalz. Wie die Lage bei Ihnen in der Region ist, erfahren Sie hier.

Rettungskette ist regional sehr unterschiedlich aufgestellt

Je nachdem, wo Menschen in Deutschland wohnen, haben sie im Ernstfall ganz unterschiedliche Überlebenschancen. Entscheidend ist unter anderem, dass der Rettungsdienst so schnell wie möglich am Notfallort ist. Experten empfehlen, dass die Retter in 80 Prozent der Fälle innerhalb von acht Minuten vor Ort sein sollten. In Rheinland-Pfalz gelingt es keinem einzigen Rettungsdienstbereich, wie die Karte zeigt.

Das ist nicht nur die Schuld der Rettungsdienste und ihrer Mitarbeitenden. Die Gründe, warum die medizinische Empfehlung im Land nicht eingehalten werden kann, sind vielfältig: Zum Beispiel die weiten Entfernungen, die der Rettungsdienst von der Wache bis zum Einsatzort im ländlichen Rheinland-Pfalz zurücklegen muss. Hinzu kommen Verkehrsbehinderungen wie Staus und Baustellen oder akuter Personalmangel bei Notärzten und Notfallsanitätern. Auch die Barmer Krankenkasse hat für die SWR-Recherche Auswertungen zur Wiederbelebung erstellt. Demnach sind die Erfolgschancen, nach einer Reanimation lebend ins Krankenhaus zu kommen, regional sehr unterschiedlich.  

Für die Leiterin im Institut für Gesundheitssystemforschung der Barmer, Ursula Marschall, ist es hochproblematisch, dass die Überlebenschance auch vom Unfallort abhängt. "Das kann es nicht sein, weil daran hängen Menschenleben", so Marschall.

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Auch bundesweit sieht die Lage nicht besser aus: Hier schaffen es nur 24 Rettungsdienstbereiche, dass der Rettungsdienst in 80 Prozent der Reanimationseinsätze in unter acht Minuten am Notfallort eintrifft. Mehr als 130 Rettungsdienstbereiche erreichen diesen Zielwert nicht. In den übrigen Bereichen liegen keine Angaben vor.

Die Chance, nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand das Krankenhaus lebend zu erreichen, hängt derzeit von meinem Wohnort ab. Das kann es nicht sein, weil daran hängen Menschenleben.

Telefonische Anleitung zur Herzdruckmassage

Bis die Retter eintreffen, ist es im Ernstfall überlebenswichtig, dass jemand mit der Herzdruckmassage beginnt. Die erste Zeit, in denen das Herz des Patienten nicht schlägt und noch keiner wiederbelebt, sollte so kurz wie möglich sein.

Dabei hilft die sogenannte Telefonreanimation. Sie ist für die Patienten überlebenswichtig. Dabei leitet ein Mitarbeiter der Rettungsleitstelle den Anrufer sofort an, mit einer Herzdruckmassage zu beginnen. Auch zur Telefonreanimation hat das SWR-Team Daten angefragt:

Daten zur Telefonreanimation nur aus Rheinhessen

In Rheinland-Pfalz konnte nur der Rettungsdienstbereich Rheinhessen Daten zur Häufigkeit der Telefonreanimation liefern. Dass keine Daten vorliegen, bedeutet nicht, dass in den anderen Leitstellen keine oder zu selten eine Telefonreanimation angeboten wurde! Experten wie etwa vom Reanimationsregister betonen aber: Nur wer die Abläufe in der Leitstelle vollständig dokumentiert, kann die überlebenswichtigen Maßnahmen wie die Telefonreanimation stetig verbessern.

Leitstellen in Rheinland-Pfalz modernisieren

Damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Leitstellen zuverlässig eine lebensbedrohliche Notsituation erkennen, gibt es die sogenannte Strukturierte oder Standardisierte Notrufabfrage (SSNA). Hier gibt eine Software die Fragen vor und hilft bei der Bewertung des Notfalls. Studien zeigen, dass der Einsatz einer SSNA dazu beiträgt, lebensbedrohliche Notfälle zuverlässiger und schneller zu erkennen. Nur in vier der acht Rettungsdienstbereiche in Rheinland-Pfalz wird die SSNA eingesetzt.

#Notfall Rettung Woche der Wiederbelebung: Wenn der Notruf zu lange dauert

Ob eine Wiederbelebung gelingt, entscheidet sich häufig schon in der Leitstelle. SWR-Recherchen zeigen, dass nicht alle Notrufzentralen mit den modernsten Mitteln arbeiten. Das kostet Leben.

Die Recherche hat aber auch positive Ergebnisse gezeigt: In Rheinland-Pfalz haben alle Rettungsdienstbereiche angegeben, ein Qualitätsmanagementsystem in ihrer Leitstelle zu nutzen. Deutschlandweit waren das nur gut die Hälfte aller Rettungsdienstbereiche.

First-Responder-App wird nur in Teilen von Rheinland-Pfalz genutzt

Studien zeigen, dass die Überlebenschancen von Betroffenen mit Herz-Kreislauf-Stillstand steigen, wenn mit dem Notruf zusätzlich Ersthelfer, auch First Responder genannt, alarmiert werden. Am effizientesten geschieht das über verschiedene Apps wie Corhelper, Katretter, Mobile Retter, Region der Lebensretter, Saving Life und BOSretter. Diese Ersthelfer können geschulte und ungeschulte Laien, Feuerwehrleute, Polizisten und dienstfreie Angehörige der Gesundheitsberufe sein, die sich in der Nähe eines vermuteten Notfalls befinden.

Flächendeckend kommt in Rheinland-Pfalz nur im Rettungsdienstbereich Ludwigshafen eine solche First-Responder-Alarmierung zum Einsatz. In der Südpfalz gibt es sie teilweise, und in den Bereichen Trier und Kaiserslautern ist der Einsatz einer solchen App konkret geplant.

Was müsste bei der Notfallrettung verbessert werden?

Insgesamt zeigen die SWR-Recherchen: Es gibt bundesweit und auch in Rheinland-Pfalz bedeutende strukturelle Defizite, die eine optimale Versorgung bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand erschweren.

Zum einen können die Rettungsdienste selbstkritisch ihre Arbeitsabläufe und Dokumentationen überprüfen. Vielerorts fehlen aber Daten zur Notfallbehandlung. Die Dienste sind allerdings auch an die politischen Vorgaben und die damit verbundene Finanzierung gebunden. Dadurch kommt auch der Landes- und Bundespolitik eine entscheidende Verantwortung zu, etwa die Rettungsdienstgesetze zu überarbeiten.

Und schließlich kann auch die Bevölkerung an einer Verbesserung der Notfallversorgung mitwirken, indem sie sich zum Beispiel als Ersthelfer registriert - insofern die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden.

Um bei plötzlichem Herz-Kreislauf-Stillstand besser reagieren zu können, plädiert der Vorsitzende der Notarzt-Arbeitsgemeinschaften Deutschlands, Florian Reifferscheid, für Reanimations-Unterricht in den Schulen. Außerdem müsse es eine organisierte Erste Hilfe geben, vor allem über Apps.

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