Musikstück der Woche vom 7.6. bis 13.6.2010

Mosaïques mit Reiterquartett

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Auf Konzertreisen von Nikolaus Harnoncourts Concentus Musicus Wien schlug 1987 die Gründungsstunde des Quatuor Mosaïques, als die Stimmführer des Orchesters zum Zeitvertreib Quartett spielten.

Die Musiker in Harnoncourts berühmtem Originalklangensemble musizieren mit ihrem historisch wachen Blick auf Musiktraditionen, und für die Streichquartett-Kultur erwies sich dieses Zusammentreffen von Erich Höbarth, Andrea Bischof, Anita Mitterer und Christophe Coin als ein Glücksfall. Konsequent mit ihren mit Darmsaiten bespannten Instrumenten, vorwiegend mit klassische Literatur im Gepäck – so kamen die Musiker am 12. Februar 2009 auch in den Kammermusiksaal des Bruchsaler Schlosses. Auf dem Programm stand u.a. das "Reiterquartett" von Joseph Haydn.

450 Gulden für ein Jahr

Joseph Haydns erster Biograph Anton Griesinger erzählt folgende Geschichte über die 'Geburtsstunde' des Streichquartetts: "Ein Baron Fürnberg hatte eine Besitzung in Weinzierl, einige Posten von Wien, und er lud von Zeit zu Zeit seinen Pfarrer, seinen Verwalter, Haydn und Albrechtsberger zu sich, um kleine Musiken zu hören. Fürnberg forderte Haydn auf, etwas zu komponieren, das von diesen vier Kunstfreunden aufgeführt werden könnte."

Obwohl Haydn 1790 auch eine Reihe von sechs Streichquartette für den freien Markt schrieb, blieb sein Arbeiten auf fürstliches Geheiß gerade auch im Bereich der Kammermusik natürlich wesentlich. So beispielsweise 1793 seine nächste Quartettreihe op. 74, die er dem Grafen Anton Apponyi, einem Wiener Musikmäzen und Logenbruder Haydns aus der Freimaurer-Loge "Zur wahren Eintracht", widmete. Für 450 Gulden und die Dauer eines Jahr überließ Haydn dem Grafen die exklusiven Nutzungsrechte dieser Quartette. Mit einem kleinen Trick aber 'entlarvt' sich Haydn als jemand, der über dieses gräfliche Exklusiv-Jahr hinaus an den Erfolg seiner Werke dachte, denn in einem Verzeichnis seiner in London entstandenen Werke führt Haydn die Streichquartette op. 74 später auf, obwohl sie zweifellos in und für Wien entstanden sind. Das zeigt, dass die Apponyi-Quartette von vornherein auch für Aufführungen in der englischen Metropole vorgesehen waren. Zumindest drei von ihnen erklangen nach Ablauf von Apponyis Nutzungsrecht 1794 in den Londoner Konzerten von Johann Peter Salomon.

Das so genannte Reiterquartett, die Nr. 3 aus op. 74, bezieht ihren populären Beinamen aus den rhythmischen Anfängen der beiden Ecksätze.

Quatuor Mosaïque

Von vornherein stand für die vier Musiker nicht eine museale Authentizität im Vordergrund, vielmehr sollte die große Tradition des europäischen Quartettspiels immer spürbar bleiben. Vom legendären Vegh-Quartett, dessen Mitglied Erich Höbarth drei Jahre lang war, wurde die Erkenntnis übernommen, dass das letzte Ziel jeder Interpretation es sei, den inneren geistigen Reichtum der Musik zu offenbaren. Der Concentus Musicus Wien, das Originalklangensemble der ersten Stunde, war gleichsam auch die Wiege des Quatuor Mosaïque. Die drei Österreicher Erich Höbarth, Andrea Bischof und Anita Mitterer sowie der französische Cellist Christophe Coin, alle Stimmführer in Nikolaus Harnoncourts Orchester, hatten 1987 die Idee, die gemeinsamen Erfahrungen im Bereich historischer Aufführungspraxis am klassischen Streichquartett zu erproben. Im von Christophe Coin ersonnenen Namen steckt die Philosophie des Ensembles: Einheit in der Vielfalt zu schaffen.

Das Quatuor Mosaïque ist heute eines der führenden Streichquartette, es konzertiert mit großem Erfolg in der ganzen Welt. Viele Preise und Auszeichnungen, so für seine Haydn-Einspielungen, belegen das Interesse von Musikliebhabern und Fachwelt am Streichquartettklang von darmbesaiteten Instrumenten. Neben einem eigenen Konzertzyklus im Wiener Konzerthaus gestalten die Musiker ähnliche Reihen in der Londoner Wigmore Hall, dem Concertgebouw Amsterdam und in der Berliner Philharmonie. Zu ihren Kammermusikpartnern gehören die Pianisten Andras Schiff und Patrick Cohen, die Klarinettisten Wolfgang und Sabine Meyer und die Cellisten Miklos Pérenyi und Raphael Pidoux. In seinem Repertoire lässt das Ensemble sich durch die Darmsaiten nicht einschränken, neben der klassischen Literatur und selten gespielten Werken des 18. und 19. Jahrhunderts reicht es bis ins frühe 20. Jahrhundert. Die Diskographie des Quatuor Mosaïque umfasst derzeit Werke von Haydn, Mozart, Arriaga, Boccherini, Jadin, Beethoven, Schubert und Mendelssohn.

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Kerstin Unseld