Musikstück der Woche vom 24.08.2015

Endstation Meer

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AUTOR/IN
Katharina Höhne

Claude Debussy: Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll

Vor genau 100 Jahren machte Claude Debussy in Pourville-Sur-Mer, einem Ausläufer der Stadt Dieppe, an der Küste der Normandie, Sommerurlaub. Zwischen ausgedehnten Strandspaziergängen am Tag und einem guten Glas Wein am Abend schrieb er die Sonate für Cello und Klavier d-Moll. Der französische Cellist Charles-Antoine Duflot und Nicolas Rimmer am Klavier haben sie im März 2014 im Rahmen des Festivals "Heidelberger Frühling" aufgeführt.

Flucht aus Paris

Schon als Kind liebte der französische Komponist Claude Debussy das Meer. Mindestens zweimal im Jahr besuchte er seine Tante in Cannes und lief mit ihr stundenlang am Strand entlang. Er mochte es, den Sand unter den Füßen zu spüren, genauso wie den Wind, der alle Gedanken wegwirbeln konnte. Bis zu seinem Tod hielt die Sehnsucht an diese unbeschwerten Kindheitstage an und ließ ihn immer wieder zurückkehren. Das Meer hatte etwas Beruhigendes, fand Debussy, und tat vor allem dann gut, wenn ihm das Leben in Paris zu viel wurde – so wie 1915.

Debussy hatte sich gerade von einer Schaffenskrise erholt, als in Frankreich und dem Rest von Europa der Erste Weltkrieg ausbrach. Debussy war wütend. Die Deutschen samt ihrer Verbündeten seien überall, schimpfte er, erst recht in der Musik. Die Spielpläne aller großen Häuser in Frankreich seien voll von ihren Werken. Die Stücke französischer Komponisten müsse man vergebens darauf suchen. 

Den Deutschen zum Trotz

Debussy war nicht nur Patriot sondern auch ein selbstbewusster Musiker, der sich nichts mehr wünschte, als die französische Musik zu stärken bzw. sie überhaupt wieder ins Bewusstsein der Welt zurückzuholen. Deshalb beschloss er mit neugewonnener Schaffenskraft sechs Sonaten für verschiedene Instrumente zu schreiben. Sie sollten typisch französisch klingen und klarmachen, "dass auch dreißig Millionen Boches den französischen Geist nicht umbringen können". 

Die erste Sonate – die Sonate für Cello und Klavier – entstand noch in Pourville-Sur-Mer. Die anderen in Paris, wobei er insgesamt nur drei der geplanten sechs vollendete, da er 1918 an den Folgen seiner schweren Krebserkrankung starb. Auf ihre Titelblätter ließ er drucken: "Claude Debussy. Musicien français". 

Zwischen Barock und dem Rest der Welt

Die Sonate für Cello und Klavier komponierte Debussy ganz bewusst im Stil der französischen Sonatenkunst des Barocks. Denn in dieser Zeit wirkten zwei seiner großen Vorbilder: Jean-Philippe Rameau und François Couperin. "Nichts kann entschuldigen, dass wir die Tradition der Werke eines Rameau vergessen haben, die in der Fülle ihrer genialen Einfälle fast einzigartig ist". Debussy gliederte seine Sonate in drei Sätze, die er in ihrer Form frei hielt. Dazu gab er ihnen poetische Titel und gestaltete ihren Klang elegant und dichterisch – ebenso, wie für ihn typisch französische Musik sein sollte. Der erste Satz ("Prologue") klingt wie eine Ouvertüre, die dem zweiten ("Sérénade") und dritten (Finale) den Weg bereitet. Heiter und melancholisch zugleich, lassen sie Raum für Debussys Neugier für fremde Kulturen. 

Charles-Antoine Duflot (Violoncello)

Charles-Antoine Duflot wurde 1986 in St. Quentin geboren, im Norden von Frankreich. Bereits mit sechs Jahren fing er an Cello zu spielen. Heute studiert er in der Solistenklasse an der Musikhochschule Lübeck. Er hat sich in den letzten Jahren zahlreiche Preise erspielt, u.a. den 1. Preis beim nationalen Wettbewerb "Ton & Erklärung", bei dem Musiker nicht nur musikalisch überzeugen müssen sondern auch sprechend: Sie bringen dem Publikum als Musikvermittler ihre Werke näher. Der Wettbewerb ist einer der wichtigsten Nachwuchspreise für junge Musiker. Als Solist spielte Duflot bereits mit verschiedenen Orchestern, wie der NDR Radiophilharmonie und gastierte als Kammermusiker u.a. beim Heidelberger Frühling. Duflot spielt ein Cello von Jean Baptiste Vuillaume aus dem Jahr 1865 und ein italienisches Barockcello aus dem 18. Jahrhundert. 

Nicholas Rimmer (Klavier)

Der gebürtige Engländer Nicholas Rimmer hat sich vor allem als Kammermusiker und Liedbegleiter in der Musikwelt etabliert. 1981 in Wigan geboren, entwickelte er früh seine Liebe zur musikalischen Vielseitigkeit. Neben Klavier und Komposition studierte er noch Tonsatz, Dirigieren und Musikwissenschaft. Seitdem er 2006 den Preis beim Deutschen Musikwettbewerb gewann, spielt und lebt Rimmer in Deutschland. An der Hochschule für Musik und Theater in Hannover setzte er sein Klavierstudium erfolgreich fort. Als Kammermusiker – in verschiedenen Formationen, u.a. mit dem Bratschisten Nils Mönkemeyer und dem von ihm gegründeten Leibniz Trio – gastierte er schon auf zahlreichen internationalen Bühnen. Er spielte u.a. beim Schleswig-Holstein Festival, in der Londoner Wigmore Hall und der Tonhalle Zürich. Mit Tianwa Yang nahm er bereits die kompletten Werke für Violine und Klavier von Wolfgang Rihm auf, für die das Duo bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. Seit 2013 unterrichtet Rimmer Liedgestaltung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt.

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Katharina Höhne