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Joseph Roth: Rot und Weiß. Wanderer zwischen Städten

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Joseph Roths Textsammlung „Die weißen Städte“ ist aus verschiedenen Gründen niemals als eigenständiges Buch erschienen, wie es eigentlich geplant war. Roth, der 1938 gestorbene Dichter, war im Jahr 1925 im Auftrag der Frankfurter Zeitung in Südfrankreich unterwegs. Diese Reise ist für Roth auch ein Symbol für eine hellere Epoche, die er sich erhofft. So schreibt er gleich zu Beginn: „Als ich dreissig Jahre alt war, durfte ich endlich die weissen Städte sehn, die ich als Knabe geträumt hatte. Meine Kindheit verlief grau in grauen Städten. Meine Jugend war ein grauer und roter Militärdienst, eine Kaserne, ein Schützengraben, ein Lazarett. Ich machte Reisen in fremde Länder – aber es waren feindliche Länder.“

Das Land, das er nun bereist, steht bei Roth für das Gegenteil: Gastfreundschaft, Menschlichkeit. Ein Ort, an dem Werte gültig sind, jedoch nur für einen Augenblick, bevor Europa in die nächste große Katastrophe hineinschliddert, hervorgerufen vom nördlichen Nachbarn, der in diesen Texten weit entfernt scheint.

Es ist, nicht zuletzt auch dank Joseph Roths stilistischer Eleganz, ein von leisem Wehmut angereichertes Vergnügen, diese mit Sehnsucht aufgeladenen Texte zu lesen. Ergänzt ist der Band durch den 1927 entstandenen Großessay „Juden auf Wanderschaft“.

Volker Breidecker arbeitet in seinem ausführlichen und bemerkenswert kenntnisreichen Nachwort die inneren Verbindungen zwischen beiden Werken heraus: Wo die nichtjüdischen deutschen Schriftsteller zu dieser Zeit noch Heimat- und Schollenliteratur produzierten, habe Roth die Seelenlandschaft der jüdischen Unbehausten beschrieben.

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SWR