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Franz Kafka: Die Zeichnungen

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Auf den Taschenbuchausgaben von Franz Kafkas Werken, erschienen in den 1950er-Jahren, sind bereits die in ihrem Stil sofort wiedererkennbaren Zeichnungen des Autors selbst als Titelbilder verwendet worden. Kafkas Nachlassverwalter Max Brod hat stets betont, dass Kafka eine künstlerische Doppelbegabung als Zeichner und als Schriftsteller gewesen sei, gleichzeitig aber ausgeführt, dass Kafka seine Zeichnungen für noch wertloser und vernichtungswürdiger befunden habe als seine schriftstellerischen Arbeiten.

Nun ist ein prächtig ausgestatteter Band mit rund 160 grafischen Arbeiten Kafkas erschienen. Ein Großteil davon lag rund 60 Jahre in einem Safe einer Zürcher Bank, bevor die Beendigung eines komplizierten Rechtsstreits nun die Veröffentlichung ermöglicht hat. Herausgeber Andreas Kilcher betont in seinem in dem Band enthaltenen Essay, wie intensiv sich Kafka bereits in frühen Jahren produktiv mit der bildenden Kunst seiner Zeit auseinandergesetzt habe.

Seine Zeichnungen wirken wahlweise wie eine Fortführung oder eine Ergänzung des schriftstellerischen Werks: Die Figuren, die Kafka gezeichnet hat, sind aus den Proportionen gefallen, wirken gestreckt oder verzerrt, mit langen dünnen Beinen und riesigen Gliedmaßen, sind unheimlich und zugleich komisch, lösen die Trennung zwischen Tier und Mensch auf. Andere Bilder wiederum bestehen aus sparsamen, präzisen Strichen.

Kafka selbst wollte diese „Schmierereien“, wie er selbst sie genannt hat, nach seinem Tod vernichtet sehen, wie sein literarisches Werk auch. Zum Glück, lässt sich heute sagen, sind sie nicht im Müll, sondern in einem Tresor gelandet.

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Autor/in
SWR