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Frank Witzel: Erhoffte Hoffnungslosigkeit. Metaphysisches Tagebuch II

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Frank Witzel, der Buchpreisträger mit dem kompliziertesten und längsten Romantitel aller Zeiten, hat bis zum September 2018 nie Tagebuch geschrieben. Nun erscheint der zweite Teil jenes Projekts, dem er den Titel „Metaphysisches Tagebuch“ gegeben hat.

Der Auslöser für seine Aufzeichnungen war eine Beziehungskrise. Und da Witzel ein reflektierter Autor ist, der den Blick auch auf die eigenen Schwächen richtet, misstraut er selbst als Tagebuchschreibender der Form des Tagebuchs, weil sie im Festschreiben der flüchtigen Gedanken eine Form von Endgültigkeit vorspiegelt, an die er selbst nicht glaubt.

Ein performativer Selbstwiderspruch. Und so zitiert Witzel gleich zu Beginn Kafka, einen der größten Tagebuchschreiber der Weltliteratur: „Es ist unmöglich, alles zu sagen, und es ist unmöglich, nicht alles zu sagen.“

Witzel verbindet persönliche und poetologische Aussagen zu einem Text voll innerer Spannung. Der Kampf mit den eigenen Dämonen wechselt sich ab mit Lektüreeindrücken und Naturbeobachtungen.

Der Versuch, all das in einem großen Denkraum zusammenzubringen, hat sogar kalkuliert komische Aspekte:

„Nachdem ich gestern beim Aufräumen die Diskussionen der Jury in Klagenfurt angehört hatte, ohne die Texte selbst zu kennen, habe ich heute Morgen nach dem Aufwachen einen zweiseitigen Text über das Wesen der Literaturkritik verfasst. Nach einer halbstündigen Pause habe ich diesen Text gelöscht und eine Begründung dieser Löschung verfasst.“

Vielleicht lesen wir die dann im nächsten Band.

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Autor/in
SWR