Platz 9 (33 Punkte)

Verena Güntner: Power

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Power ist ein Hund. Er gehört der alten Hitschke, und er ist verschwunden. Kerze ist elf Jahre alt, genauso alt wie Power, und sie nimmt den Auftrag an, Power zu suchen. Enid Blyton trifft Kalle Blomquist trifft die drei Fragezeichen.

Könnte man denken, und dann kommt alles ganz anders. Denn in Verena Güntners Roman, ihrem zweiten, stellen die Kinder in den Sommerferien das süddeutsche Dorf auf den Kopf. Angeführt von Kerze, die so hart wie rational und schlagfertig ist, beginnen sie sich von der Erwachsenenwelt zu emanzipieren.

Kerze, „ein Licht in dieser rabenschwarzen Welt“, ist keine ungebrochen positive Figur, sie ist ein Bestimm-Monster. Und während die Häuser im Dorf verfallen, während der Bauernsohn im Riesentraktor sitzt und Rechtsrock hört und sein Vater die Hilfsarbeiter von scharfen Hunden bewachen lässt, führt Kerze die Kinder in den Wald, wo sie beginnen, sich wie Tiere zu benehmen und in Erdlöchern zu hausen. Das geschieht wie selbstverständlich und ohne Erklärung.

Der Clou an Verena Güntners Roman ist unter anderem, dass er perfekt auf dem schmalen Grat zwischen surrealer Atmosphäre und Gegenwartsnähe balanciert. Die Sprache ist schmucklos, fast karg, und trotzdem aufgeladen.

Im Kleinen funktioniert dieser Kosmos wie die Gesellschaft im Ganzen: Man sucht nach Sündenböcken und lässt seine Wut an ihnen aus. Wenn die Welt aus den Fugen gerät, sollte man auf die Kinder hören.

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Autor/in
SWR