Das Kürzel „V 13” steht für „vendredi 13 novembre 2015“. Steht für die islamistischen Terroranschläge in Paris, unter anderem vor dem Stade de France während des Fußball-Länderspiels Frankreich gegen Deutschland, in verschiedenen innerstädtischen Cafés und in dem Rock-Konzerthaus Bataclan. 130 Menschen starben, fast 700 wurden verletzt, davon 97 schwer. Steht für das extra erbaute Sitzungszimmer im Justizpalast.
Der Prozess: 14 Angeklagte, 1.800 Zivilparteien, 350 Anwälte, eine 53 Meter hohe Akte.
Dauer: September 2021 bis Juni 2022.

Emmanuel Carrère, Jahrgang 1957, ist ein französischer Schriftsteller, dessen Romane wie “Yoga” oder “Limonow” mit ihrem dokumentarischen Ansatz auch in Deutschland eine große Leserschaft finden. Im September 2022 erschien sein Tatsachenroman „V 13“ in Frankreich, im August 2023 folgte seine deutsche Übersetzung im Verlag Matthes & Seitz.
„Ich bin wohl nicht der Einzige, der sich heute fragt, warum ich mich anschicke, ein Jahr meines Lebens fünf Tage pro Woche mit einer Maske vorm Gesicht in einem riesigen Gerichtssaal zu verbringen und in aller Frühe aufzustehen, um meine Notizen vom Vorabend zu sortieren, bevor sie unentzifferbar werden – Warum tue ich mir das an? Wenn ich Anwalt wäre oder irgendein Akteur in diesem riesigen Justizapparat, klar, dann wäre das mein Job. Genauso, wenn ich Journalist wäre. Aber als Schriftsteller, den niemand darum gebeten hat und der, wie Psychoanalytiker sagen, sich nur qua seines Begehrens dazu ermächtigt? Ein sonderbares Begehren.“ (Emmanuel Carrère)
Ein Experiment mit zwei Fassungen desselben Stoffs
Emmanuel Carrère erzählt die Wahrheit des Prozesses gnadenlos literarisch.
Der Roman ist jedoch komplex. Er hat zwei Seiten: die Rekonstruktion des Prozesses und seine subjektiv-literarische Aneignung durch den künstlerischen Blick.
Das SWR-Hörspiel entschied sich zu einem Experiment mit offenem Ausgang beim Produktionsprozess: Erst die Arbeit im Studio sollte entscheiden, ob eine variable ästhetische Umsetzung des gleichen Ausgangsmaterials als „Stück“ und als „Serie“ funktioniert, die mit den zwei Seiten des Romans korrespondiert. Ob sie sich ergänzen, ohne Doubletten zu sein. Nicht zuletzt auch, um verschiedene Online-Rezeptionsvorlieben und – weisen der Hörerinnen und Hörer zu berücksichtigen - und zu testen. Das erfordert zwei, wenn auch leicht unterschiedliche Titel.
Das 90-minütige einteilige Hörspiel
Diese Fassung versteht sich nicht als „Reader‘s Digest“-Aneignung des Romans. Die Verknappung des 5-stündigen Ausgangsmaterials rückt ins Zentrum die subjektive, künstlerische, der Ästhetik fiktionalen Schreibens folgende Auseinandersetzung Carrères mit dem Prozess. Deswegen folgt sie einer Ästhetik der Reduktion: vom Inhaltlichen bis zum Geräusch und der Musik. Zugleich verlangt sie die Zumutung einer durchgehenden Konzentration, die auch die bewusst eingebauten „Informations-Leerstellen“ als eine Form des Geheimnisses oder der Chiffre akzeptiert. Kurz: trotz der verhandelten Tatsachen den „Kunstanspruch“ verhandelt.
Die 8-teilige Podcast-Serie
„V 13“ hat als Stoff den Prozess um die Terroranschläge in Paris. Die Perspektive der “journalistischen“ Rekonstruktion des Prozesses, wenn auch subjektiv gespiegelt, verlangt eine größere Ausführlichkeit in der Ausbreitung des Materials bei gleichzeitig geringerer Aufmerksamkeitsspanne des Publikums. Das komplette gut 3-stündige Ausgangsmaterial wurde so in 8 Folgen aufgeteilt, um die Rezeption auf einzelne Aspekte zu richten, zu „triggern“. Die Regie folgt hier einer Ästhetik der Info-Spannungsdramaturgie, die über Musik und Geräusch den sofortigen, schnellen, emotionalen Einstieg in den Stoff der Serie ermöglicht.
Hier geht es zur 8-teiligen Podcast-Serie







Mit: Ulrich Matthes, Maren Eggert, Constanze Becker und Alexander Simon
Musik: zeitblom
Hörspielbearbeitung und Regie: Leonhard Koppelmann
Produktion: SWR 2023 - Premiere