Deutsche Zehnkämpfer bedanken sich, v.li.: Christian Schenk, WM Dritter Paul Meier und Michael Kohnle  (Foto: IMAGO, IMAGO Bildnummer: 0004906840)

Stuttgarts Sommermärchen

Leichtathletik-WM 1993: Stuttgart gewinnt Sympathie-Gold

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Anna Klär

Vor 30 Jahren, am 13. August 1993, rückte Stuttgart in den Fokus der Leichtathletik-Welt, als in der Landeshauptstadt die WM-Titelkämpfe eingeläutet wurden. Ein Ereignis, das im Vorfeld nicht unumstritten war.

"Be happy and pay the deficit", also etwa "seid fröhlich und zahlt die Schulden", verkündete Primo Nebiolo, damals Chef des Leichathletik-Weltverbandes IAAF, selbstbewusst zu Beginn dieser Titelkämpfe. Dabei waren die zuvor heftig in der Kritik gestanden.

Der Grund: Die WM verursachte für die Stadt Stuttgart Schulden in zweistelliger Millionenhöhe. Wenige Monate vor der WM wurde der deutsche Leichtathletik-Verband noch bei Nebiolo vorstellig und bat um finanzielle Unterstützung, der aber winkte nur gelassen ab. Stuttgarts Stadtkasse zu diesem Zeitpunkt: gähnend leer.

Rekord-WM in Stuttgart

Stand die Stadt Stuttgart also bereits vor Beginn der Titelkämpfe als größter Verlierer fest? Es sah zunächst so aus und kam dann doch ganz anders, dank des Publikums, das Tag um Tag ins Gottlieb-Daimler Stadion strömte.

Mehr als eine halbe Million Fans waren es am Ende - ein Rekord. Genauso wie die Zahl der Athleten: 1.689 Sportler aus 189 Nationen nahmen teil, so viele wie nie zuvor. Stuttgart präsentierte sich in diesen Tagen als weltoffen, sportbegeistert und eben nicht als das piefige Provinznest, als das es damals von vielen - vor allem Nicht-Stuttgartern - gesehen wurde. "Es gab bei dieser WM keine Verlierer", so formulierte es Prof. August Kirsch, Präsident des Organisationskomitees, bei der Schlussfeier. Der ein oder andere Sportler mag das damals anders gesehen haben - die Stadt Stuttgart sicherlich nicht.

Frenetisch bejubelte Sportler

Und selbst die Athleten, die sportliche Niederlagen einstecken mussten, wurden vom Stuttgarter Publikum wie Gewinner gefeiert. Die Zuschauer ließen nicht nur die Sieger hochleben, sondern auch alle anderen. Minutenlang bejubelten sie die jamaikanische Sprinterin Merlene Ottey, die über 100m nur hauchdünn im Fotofinish unterlag und blieben auch bis in die tiefe Nacht auf ihren Plätzen, um zu sehen, wie Zehnkämpfer Paul Maier seine Bronzemedaille um den Hals gehängt bekam.

Das Stadion proppenvoll und bestens aufgelegt - eine "La-Ola"-Welle jagte die nächste. Dazu noch die Zuschauer, die die Marathonläufer bei bestem Sommerwetter auf ihrer Strecke durch die Stadt mit Tröten und Trommeln begleiteten - ganz Stuttgart war im Leichtathletik-Taumel.

Große Namen - große Leistungen

Die Zuschauer bekamen auch einiges geboten in diesen Tagen. Internationale Leichtathletik-Legenden wie Sprintstar Carl Lewis, Stabhochspringer Sergej Bubka oder Weitspringer Mike Powell liefen in Stuttgart auf, verliehen den Wettkämpfen eine besondere Strahlkraft und sorgten für Begeisterungsstürme auf den Zuschauerrängen.

Aber nicht nur personell war die WM spitzenmäßig besetzt, auch sportlich wurden die Leichtathletik-Fans mit Höchstleistungen verwöhnt. Insgesamt vier Weltrekorde wurden in Stuttgart aufgestellt, einer davon über die 110m-Hürden durch den Briten Colin Jackson, der erst elf Jahre später geknackt wurde.

Die deutsche Bilanz

Auch die deutschen Leichtathletik-Stars Lars Riedel und Heike Drechsler ließen das heimische Publikum jubeln. Beide sicherten sich den Weltmeistertitel im Weitsprung, bzw. Diskuswurf, angefeuert von den fast 50.000 Fans im Stadion. "Noch nie in meinem Leben habe ich so viel Sympathie in einem Stadion gespürt wie an diesem Abend", schrieb Drechsler kurz danach in der Welt am Sonntag.

Drechsler und Riedel blieben die einzigen beiden deutschen Weltmeister bei diesen Titelkämpfen. Insgesamt gab es acht Medaillen für den DLV. Zweimal Gold, zweimal Silber, viermal Bronze.

Auszeichnung für die Zuschauer

Die größte Ehrung wurde dann aber denen zuteil, die für den überragenden Erfolg dieses Events gesorgt hatten: den Stuttgarter Zuschauern. Bei der Abschlussveranstaltung liefen die Sportler mit Plakaten durch die Arena, "Thank you Stuttgart" oder "You are the best" stand darauf geschrieben - das längste Transparent hatte die deutsche Mannschaft: "Wir danken euch". Am Ende der Wettkämpfe dann auch noch die Zuschauer-Auszeichnung: das gesamte Stadion wurde mit dem "Fair-Play"-Preis ausgezeichnet, denn es habe "durch Harmonie zwischen Athleten und Publikum" beeindruckt, lobte der Stadionsprecher.

Die 25.000 Mark, mit denen der Preis dotiert war, sollen übrigens nicht in die leere Stadtkasse geflossen sein, sondern in den Sportnachwuchs der damals "neuen" Bundesländer. Für Stuttgart war diese WM aber auch ohne das Geld ein riesiger Gewinn.

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