original Eintrittskarte zum Finalspiel der Frauen-Bundesliga Saison 199293 (Foto: SWR)

Frauenfußball | Bundesliga | TuS Niederkirchen

30 Jahre Deutsche Meisterschaft: Die "Damen" des TuS Niederkirchen

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AUTOR/IN
Julia Metzner

Der TSV Siegen war am 20. Juni 1993 der große Favorit im Finale um die Deutsche Meisterschaft. Aber die Fußballerinnen aus Niederkirchen schrieben Pfälzer Sportgeschichte.

Noch in der Halbzeitpause hatte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl seine Zweifel geäußert: "Meine Sympathie, das sieht doch jeder, gehört der Mannschaft, die aus einem kleinen Ort kommt", sagte der stolze Pfälzer über den TuS Niederkirchen, aber schob auch nach: "Jeder sieht, wer bisher die bessere Mannschaft war!"

Der große Favorit aus Siegen führte zur Pause mit 1:0. Den Treffer hatte Silvia Neid erzielt. Als Europameisterin von 1989 und Kapitänin der Nationalmannschaft war sie einer der Stars der Liga und die Spielführerin der Gäste: "Wir waren so ein bisschen die Gejagten, hatten viele Nationalspielerinnen, wir waren das Bayern München des Frauenfußballs".

"Ich bin vor allem gekommen, um mal für den Damenfußball zu demonstrieren."

Pink und neongelb: Ein Sondertrikot für den großen Tag

Niederkirchen hatte alles aufgeboten. Kapitänin Ute Scherer hatte an einem Sondertrikot mit Leuchtfarben mitgewirkt: "Wir dachten, die Leuchtfarben lenken ab", erzählt sie heute im Interview mit SWR Sport, hält das pink-neongelbe Trikot in der Hand und resümiert: "Es hat uns Glück gebracht, und es ist ein tolles Trikot!"

Bis heute strahlen die Trikotfarben um die Wette mit den Heldinnen von damals. Zurecht. Denn Niederkirchen war an diesem 20. Juni 1993 zwar der Außenseiter, aber dennoch auch bei Siegen und Neid längst bekannt: "Also wir sind jetzt nicht dahin gefahren und haben gesagt, da gewinnen wir jetzt mal. Das war uns schon klar, dass das schwer ist gegen Niederkirchen!" Die spätere Bundestrainerin sollte Recht behalten.

Heidi Mohr: Der Pfälzer Trumpf sticht!

Zweimal hatten sich die beiden Teams schon im Halbfinale der damals noch zweigeteilten Bundesliga gegenüber gestanden. Zweimal gewann Siegen, zog ins Finale ein und wurde Deutscher Meister. Im Tor stand an diesem Sonntag in Limburgerhof die noch junge Silke Rottenberg, später Welttorhüterin. Bis heute wirkt sie überwältigt, wenn sie von der Atmosphäre erzählt: "Hier war die Hölle los, hier wurde alles mobil gemacht, was nur ging."

5.000 Zuschauer belagerten das Waldstadion in Limburgerhof, standen auf der Tartanbahn bis fast auf dem Spielfeld, um ihr Niederkirchen pushen. Mit Erfolg: Nach Rot gegen Siegens Britta Unsleber verwandelte Nationalstürmerin Heidi Mohr den fälligen Handelfmeter und erzielte in der Verlängerung das 2:1-Siegtor.

"Heidi war wirklich eine Wahnsinns-Stürmerin und so schnell!"

Die kürzeste Nacht von Niederkirchen

Der Demonstrant für den "Damenfußball" Helmut Kohl übergab selbstverständlich höchstpersönlich den Meisterpokal an Kapitänin Ute Scherer. In Erinnerung bleibt der Niederkirchener Nummer 10 bis heute die Party danach. In Niederkirchen feierte ein ganzes Dorf die, die Geschichte geschrieben hatten.

"Es soll ja die kürzeste Nacht in Niederkirchen gewesen sein", erinnert sich auch Meistertrainer Edgar "Ede" Hoffmann. Er selbst war eigentlich Lehrer und wurde am nächsten Morgen zurück in der Robert-Schumann-Schule in Frankenthal erwartet. Als er sich nicht von der Feier loseisen wollte, griff seine Frau zu einem Trick: "Sie hat meine Uhr umgestellt auf vier Uhr morgens", erzählt er mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht. Überhaupt strahlen die Protagonisten von damals, wenn sie in der Erinnerung schwelgen unisono. Sie waren keine Stars wie heute, aber wie bringt es Ute Scherer so schön auf den Punkt: "Die Zeit, in der ich gespielt hab, war einfach weltklasse."

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Julia Metzner