Herxheim

Der Vergangenheit auf der Spur

Stand
Autor/in
Diane Scherzler

Auf den ersten Blick wirkt die Entdeckung schauerlich: Mehr als 450 säuberlich zerteilte Leichen wurden vor 7.000 Jahren in einer Grubenanlage beerdigt, Menschenschädel, denen man die Kopfhaut abgezogen hatte, haufenweise in tiefe Erdgruben versenkt. Die Gruben umgaben ein steinzeitliches Dorf - aber von dort können die vielen Toten nicht alle gekommen sein.

Auch wenn Indiana Jones und Lara Croft es glauben machen wollen: Archäologen retten keine Goldschätze aus explodierenden Tempeln und legen nicht en passant noch einem Schurken das Handwerk. Die Schätze nach denen sie suchen, sind Informationen, die ihnen einen Einblick in die Vergangenheit ermöglichen. Modernste Untersuchungs-Methoden helfen ihnen dabei.

Michael Münzer (l.), Fabian Haack und Andrea Zeeb-Lanz
Andrea Zeeb-Lanz und Fabian Haack, der Ausgrabungsleiter vor Ort

Die Archäologin Dr. Andrea Zeeb-Lanz, Koordinatorin der Untersuchungen von Herxheim, gibt freimütig zu, auf Spezialisten aus den Nachbarwissenschaften angewiesen zu sein, um möglichst viele Aspekte des steinzeitlichen Lebens erforschen zu können. Das betrifft beispielsweise die Frage, woher die vielen Toten kamen:

"Das untersuchen Experten aus der Archäometrie und Chemiker", erzählt Andrea Zeeb-Lanz. "Sie versuchen über die Ernährung der Menschen zu klären, auf welchen Böden sie gelebt haben, woher sie also kamen. So etwas ist heute mittels so genannter Strontium-Isotopen-Analysen möglich."

Spuren in Zähnen und Keramik

Experten messen dabei den Gehalt von Strontium, das durch die Nahrung aufgenommen wird und sich in Knochen und Zähnen einlagert. Dieser Gehalt variiert abhängig von Gestein und Boden, auf dem die Pflanzen wachsen. Die Wissenschaftler hoffen, so herausfinden zu können, ob ob beispielsweise jemand nach Herxheim gebracht wurde, der in 100 Kilometern Entfernung auf einem Granitboden gelebt hat.

Herxheim, Archäologen beim Säubern des Areals
Exakte Arbeit, um jede Spur zu finden

Noch eine Untersuchungsansatz soll die Herkunft der Toten klären: "Wir haben in den Gruben ganz unterschiedliches Keramikmaterial gefunden, das wir am Verzierungsstil unterscheiden. Dabei gibt es Stile, die wir vom oberen Elbtal und Böhmen kennen, aus dem Rhein-Main-Gebiet, aus dem Mosel-Mündungsgebiet, aus Nordhessen und aus dem Neckargebiet. Das untersucht ein Archäologe, der die Keramik datiert und auswertet.

Wir lassen die Keramik dann außerdem mit archäo-physikalischen Methoden untersuchen und die Bestandteile des Tons analysieren. Wir wollen sicherstellen, dass sie tatsächlich von einem anderen Ort kommt und nicht hier in einem fremden Stil imitiert worden ist." Die Idee dahinter: Vielleicht kam die Keramik zusammen mit den Toten nach Herxheim und könnte so Rückschlüsse auf deren Herkunft erlauben.

Experten untersuchen die Menschenknochen

Zwei Osteo-Archäologen katalogisieren mit einem Heer wissenschaftlicher Mitarbeiter die Menschenknochen, untersuchen sie und stellen zum Beispiel Schnittspuren fest. Sie haben bereits einiges über das Alter der Toten herausgefunden. Andrea Zeeb-Lanz: "Im Anteil der Knochen, bei dem wir das Alter und Geschlecht der Toten bestimmen können, ist vom gerade geborenen Säugling bis zum Greis alles vorhanden. Aber wir können nicht alle Knochen daraufhin bestimmen, weil sie so klein zerhackt sind."

Herxheim, menschlicher Schädel mit Schnittspuren
Schnittspuren auf einem Schädel

Fachleute für jede Fundart

Die Tierknochen untersucht eine Archäo-Zoologin, die die Tierrassen, die es früher gab, sehr gut kennt. Die so genannten Knochengeräte – also Nadeln, Pfrieme und Ahlen aus Knochen – untersucht ebenfalls ein Spezialist. Es gibt einen Bearbeiter der Steinwerkzeuge, der auch die Rohstoffe, aus denen sie gemacht sind, mit der Unterstützung von Geologen exakt bestimmt. Ein Sedimentologe untersucht die Ablagerungen im Boden und kann so viel zur Geschichte der Spuren im Boden sagen.

Ein Archäo-Botaniker untersucht die Makroreste aus Erdproben, also verkohlte Pflanzen- und Faserreste, und klassifiziert sie genau. Er kann genau bestimmen, was ein Ackerunkraut, was Emmer oder Bohnen waren.

Untersuchungen ohne Hacke und Schaufel

Man braucht nicht unbedingt Hacke und Schaufel, um herauszufinden, was sich unter der Erde verbirgt. Andrea Zeeb-Lanz erzählt, wie das geht: "Schon vor der Ausgrabung, aber auch jetzt, setzen wir geophysikalische Untersuchungen ein, das macht ein Geoprospekteur. Wir arbeiten mit Geomagnetik und messen mit einer Sonde den Erdmagnetismus bis in rund 80 Zentimeter Tiefe. Der ist im gewachsenen Boden normalerweise einheitlich, aber eine Grube hat einen ganz anderen Magnetismus. Im Computer zeichnet sich solch eine Anomalie dann ab. Bevor wir den ersten Spatenstich getan hatten, wussten wir bereits, dass wir die beiden Grubenringe voll erfassen werden."

Und schließlich gibt es noch Experten in luftiger Höhe: Luftbildarchäologen erstellen senkrecht aufgenommen Bilder aus mehreren hundert Metern Höhe. So bekommen die Experten einen sehr viel besseren Überblick über die Grubenringe und das jungsteinzeitliche Dorf von Herxheim.

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Diane Scherzler