Lärmkartierung

Bilden Lärmkarten wirklich die Realität ab?

Stand
AUTOR/IN
Sophie König
ONLINEFASSUNG
Isabell Thomas

Wann ist der Verkehrslärm vor Ihrer Haustür zu laut? Offizielle Lärmkarten sollen Bürger vor zu viel Lärm schützen und Behörden aufzeigen, wo die Belastungen besonders hoch ist. Aber bilden diese Karten wirklich die Realität ab?

So wie Wolfram Pönitz geht es vielen unserer Lärmmelder bei der SWR-Aktion #zuLAUT: Laut offizieller Lärmkarte liegt sein Haus im grünen Bereich - 63,8 Dezibel im Mittel. Aber Pönitz leidet unter dem Verkehrslärm. Seine eigenen Messungen zeigen in derselben Straße Spitzenwerte von über 79 Dezibel: ein Unterschied von mehr als 15 Dezibel. Schon 10 Dezibel mehr empfinden wir als doppelt so laut.

Wie werden Lärmkarten erstellt?

Alle fünf Jahre müssen Behörden Lärmkarten erstellen, allerdings nur für Ballungsräume mit mehr als 100.000 Einwohnern und Straßen mit mehr als 3 Millionen Fahrzeugen pro Jahr. Die Anzahl der Fahrzeuge ist dabei besonders wichtig, denn die Dezibel-Werte werden nicht gemessen, sondern berechnet, anhand von Verkehrszählungen. In die Berechnung fließen folgende Faktoren ein:

  • Anzahl der PKW pro Stunde
  • Anzahl der LKW pro Stunde
  • Tempolimit
  • Art der Bebauung (u.a. Wohnungen, Schulen, Krankenhäuser)
  • Straßenbelag
  • Steigung oder Gefälle von Straßen

Die daraus errechneten Werte werden dann über das Jahr gemittelt (Mittelungspegel). Problematisch ist, dass Belastungsspitzen wie ständiger Ausweichverkehr, frisierte Maschinen oder Motorradpulks am Wochenende im Jahresmittelwert keine Berücksichtigung finden. Doch unter diesen Peaks leiden die Anwohner besonders, wie die Meldungen der Zuschauer, Hörer und Nutzer bei der SWR-Mitmachaktion #zuLAUT gezeigt haben.

In der Realität mischen sich außerdem mehrere Lärmquellen. In der Theorie wird das ebenfalls nicht einbezogen. Behörden sehen keinen Handlungsbedarf, solange ihre Werte unter den Richtwerten für Lärmsanierung liegen.

Welche Alternativen gibt es?

Anwohner und Lärmbetroffene fordern: Kartierungen sollten nicht mit Berechnungen, sondern durch Langzeitmessungen ermittelt werden. Auch der BUND lehnt den Mittelungspegel als alleinige Grundlage ab, fordert zusätzliche Kriterien zur Geräuschbewertung und nachprüfbare, einklagbare Lärm-Grenzwerte.

Das OK Lab Stuttgart, eine Initiative von Ehrenamtlichen, arbeitet zurzeit an einer von Bürgern erstellten Lärmkarte. Mit tatsächlich gemessenen Werten, und in Echtzeit abrufbar. Das Ziel: Den Druck auf die Behörden erhöhen - denn die unternehmen trotz viel Bürokratie bisher wenig gegen den Lärm.

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