Das Forschungsschiff "Polarstern" auf einer Expedition durch das arktische Meer.

Unterwasserleben im Arktischen Ozean

Tintenfische am Nordpol - überraschende Funde unter dem Eis

Stand
Autor/in
Thomas Samboll
Onlinefassung
Stephanie Bittner

Der Arktische Ozean ist immer noch weitgehend unerforscht. Bei einer einjährigen Expedition konnten Wissenschaftler*innen unter der Eisdecke Fischbestände entdecken, die man dort nicht vermutet hatte.

Ein Team aus Wissenschaftler*innen hat eine einjährige Reise durch die zentrale Arktis unternommen und dabei die Fischbestände unter dem Eis untersucht. Auf die Idee am Nordpol zu fischen, würde so erstmal keiner kommen: Das meterdicke Eis, die Kälte und die langen Nächte stehen nicht gerade für eine typische schöne und sonnige Angeltour, wie es sich der Hobbyangler so vorstellt.

Angeln am Nordpol

Den Wissenschaftler*innen wurden auf der Reise gewöhnliche Angeln zur Verfügung gestellt, die sie in ihrer freien Zeit an Bord der „Polarstern“ nutzen konnten. Dabei hatten sie auch die Möglichkeit, auf das Eis zu gehen und von dort aus zu fischen. Dazu haben sie ein Loch in das dicke Eis gebohrt, um ihre Angeln ins Wasser hängen zu lassen und darauf zu warten, dass ein Fisch anbeißt.

Auf dem Schiff wurden die Angeln durch einen offenen Schacht ins Wasser gelassen. Auch hundert Meter lange Leinen mit Ködern und Unterwasserkameras kamen zum Einsatz. Ihre Hoffnung, dabei wirklich Fische zu fangen, war gering, berichtet der Meeresbiologe Hauke Flores vom Alfred-Wegener-Institut. Denn der Arktische Ozean ist durch seine kaum vorhandenen Nährstoffe normalerweise nicht der beste Lebensraum für Fische.

Forscher beim Fischen
Die Forscher haben die Fischbestände unter dem Eis untersucht.

"Der Arktische Ozean hat so wenig Nährstoffe, dass man sagen kann: Er ist eigentlich steril!"

Zur Überraschung aller wurden bei den Angeltouren jedoch Fische aus dem Wasser gezogen, mit denen man im Arktischen Ozean nicht weit entfernt vom Nordpol nicht gerechnet hätte: zum Beispiel Atlantischer Kabeljau.

Atlantischer Kabeljau oder auch Dorsch ist ein Fisch, den es unter anderem hierzulande im Winter an der Fischtheke zu kaufen gibt. Normalerweise ist diese Fischart in Küstennähe im flachen Wasser, wie zum Beispiel der Nordsee, zu finden. Die Lebensumgebung im Arktischen Ozean, wo der Kabeljau gefangen wurde, ist eine völlig andere: kaltes und mehrere tausend Meter tiefes Wasser.

Kabeljau
Kabeljaue findet man normalerweise in Küstennähe im flachen Wasser.

Weitere überraschende Entdeckungen im Arktischen Ozean

Neben dem unerwarteten Fang zeichneten auch die Unterwasserkameras etwas auf, das die Wissenschaftler*innen überraschte: mehrere kleine Laternenfische, so genannte Leuchtsardinen. Zusätzlich zu den Aufnahmen der vielen kleinen leuchtenden Fische wurden auch einige Tintenfische auf dem aufgenommenen Material der Kameras entdeckt.

Diese Unterwasserlebewesen sind sonst bekannt in Lebensräumen wie dem Mittelmeer, desto überraschender ist es, sie am Nordpol gefunden zu haben. Es ist zwar keine Seltenheit, dass diese Meereslebewesen auch in kälteren Gewässern, wie zum Beispiel dem Nordatlantik, vorkommen, aber dass sie unter dem Eis des Nordpols gefunden werden, ist eher ungewöhnlich. Die Forschenden begründen das dadurch, dass Larven der Meereslebewesen durch die Strömung in die Gewässer im Norden gebracht wurden.

Unterwasserkamera
Zur Untersuchung der Unterwasserwelt in der Arktis wurden zusätzlich Unterwasserkameras verwendet.

"Und wenn sie dann da, wo sie dann groß werden, vernünftige Lebensbedingungen finden, dann bleiben die da auch. Das kann gut sein, dass Einzelexemplare schon länger unterm Nordpol leben. Man hat das halt bisher noch nie nachweisen können!"

Durch genetische Untersuchungen der gefangenen Arktischen Kabeljau wurde herausgefunden, dass einige der Fische bereits seit sechs Jahren in der zentralen Arktis gelebt haben. Dementsprechend können sich Kabeljau, Leuchtsardinen und Tintenfische gut an die Umgebungsbedingungen der Arktis anpassen.

"Wichtig ist nur, dass sie eben genug Futter finden. Und bei unseren Fischen, die wir gefangen haben, da war das definitiv der Fall." 

Die Ernährung der Fische war wohl nicht ausgewogen, sie bestand hauptsächlich aus kleinen Flohkrebsen, wie bei der Untersuchung festgestellt wurde. Diese gelangten wie die Meereslebwesen durch Strömungen von dem Atlantik in die Arktis.

Flohkrebs auf Sandboden
Das Hauptnahrungsmittel der gefangenen Fische waren Flohkrebse.

Kabeljau, Leuchtsardinen und Tintenfische am Nordpol bleiben eine Ausnahme

Die am Nordpol gefundenen Populationen von Kabeljau, Leuchtsardinen und Tintenfischen bleiben aber eine Ausnahme, denn eine Vermehrung der Lebewesen im Arktischen Ozean halten die Forscher für unwahrscheinlich. Demnach wird es wohl bei Einwanderern aus dem Süden bleiben und nicht zu einer eigenständige Kabeljau-Population am Nordpol kommen.

Aber im Zuge des Klimawandels kann es dazu kommen, dass dann mehr atlantisches Wasser in die Arktis strömt und damit auch Nahrung, wie zum Beispiel Zooplankton. Das könnte dann auch dazu führen, dass mehr Fische den Weg in den Norden finden und sich dort ansiedeln.

Das würde dann auch dazu führen, dass Eisbären und Robben mehr Nahrung finden können. Zusätzlich kann es aber auch dazu kommen, dass sich die Fischindustrie am Nordpol einen neuen Grund für die Fischerei sucht, denn durch das Schmelzen des Eis eröffnen sich dann neue gewinnbringende Fanggründe.

"Wir gehen stark davon aus, dass der Arktische Ozean in absehbarer Zukunft nicht die Kapazität haben wird, um wirklich große, nutzbare Fischbestände zu unterhalten! Und daher muss unser Rat an die Politik nach jetzigem Wissensstand auch sein, dass dieses empfindliche arktische Ökosystem auch in Zukunft besonderen Schutz braucht und kommerzielle Fischerei weiterhin verboten bleibt!"

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Thomas Samboll
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Stephanie Bittner