Klimaschutz: Der Wille zum Handeln fehlt … immer noch
Trotz bundesweiter Proteste, alljährlicher Hitzerekorde und düsterer Zukunftsszenarien hinken Politik und Gesellschaft ihren Zielen weiter hinterher. Die Erkenntnis ist nicht neu: Beim Klimaschutz fehlt der Wille zum Handeln. Einen Grund dafür sehen Forscher darin, wie und wie viel über das Thema gesprochen wird. Denn der Klimawandel wurde in Medien und Politik lange wenig thematisiert. Kam er zur Sprache, wurden Diskussionen oft heftig und emotional. Fakten? Nicht so wichtig.
Zwischen Verharmlosung und Panikmache finden auch heute nur wenige den richtigen Ton. Doch die Psychologie weiß, wie es besser geht: Wer überzeugend über Klimaschutz reden will, sollte motivieren und Lösungen diskutieren, statt Alarm zu schlagen – privat wie öffentlich.
Als politisches Thema ist die Klimakrise unbeliebt
Wie selten das Klima politisch besprochen wurde, zeigen aktuelle Zahlen. Für eine Studie, die 2024 in der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht wurde, warfen Forscher einen Blick auf mehr als 260.000 Pressemitteilungen europäischer Parteien aus den Jahren 2010 bis 2020, die kurz vor und nach extremen Wetterereignissen veröffentlicht wurden. Demnach haben nur die grünen Parteien dem Klimawandel nach den Ereignissen etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt als davor. Trotz Dürre und Überschwemmungen verpassten viele Politiker es, den Klimawandel anzusprechen und ihn als Klimakrise zu diskutieren.
Medien berichteten lieber über andere Themen
Ähnlich ruhig ging es in den Medien zu. Ein Team um den Kommunikationswissenschaftler Michael Brüggemann von der Universität Hamburg hat untersucht, wie oft der Klimawandel zwischen 2009 und 2018 in der Tagesschau erwähnt wurde. Das Ergebnis: An 2.952 von 3.612 Tagen kam das Thema nicht vor. Immerhin: Ab 2018 nahm die Sendezeit etwas zu. Das lag an den Dürrejahren und den Klimaprotesten, erklärt Michael Brüggemann. Er sieht die Berichterstattung dennoch kritisch:
Zu alarmistisch? Bei Klimaberichten schalten viele ab
Und es gibt eine weitere Kritik an der Berichterstattung: Vielen ist sie zu negativ und alarmierend. Die Sorge: Wer zu eindringlich warnt und Katastrophenszenarien malt, schürt Ängste. Hinzu kommt, dass viele Menschen seit der Corona-Pandemie keine Schreckensmeldungen mehr hören wollen.
In einer Umfrage des Leibniz-Instituts für Medienforschung aus dem Jahr 2022 gab ein Zehntel der Befragten an, Nachrichten häufig bewusst zu vermeiden. Bei zwei von drei Befragten ist dies gelegentlich der Fall. Die schlechten Nachrichten schlagen aufs Gemüt. Statt Tatendrang für mehr Klimaschutz herrschen Desinteresse und lähmende Angst.
Konkret und lösungsorientiert: Konstruktiver Journalismus will anders berichten
Ein Vorschlag, es besser zu machen, ist der konstruktive Journalismus. Das Konzept stützt sich auf psychologische Erkenntnisse und soll drängende Themen wie den Klimawandel greifbarer machen. Statt über den Eisbären im fernen Polareis zu schreiben, sollen die Klimafolgen im Hier und Jetzt beschrieben und Lösungen diskutiert werden. Studien zeigen, dass Menschen nach dem Lesen solcher Artikel im Durchschnitt positiver eingestellt sind als nach dem Lesen eines gewöhnlichen Artikels. Das könnte tatsächlich dazu führen, dass sie sich mehr mit dem Thema auseinandersetzen.
In vielen Medienhäusern gibt es inzwischen Formate, die diesen Ansatz verfolgen. Über die Klimakrise zu sprechen, ist aber nicht nur Aufgabe von Journalistinnen. Auch jeder und jede Einzelne kann das Thema ansprechen. Doch seit 2019 ist die Zahl der Gespräche über den Klimawandel unter Freunden, in der Familie und am Arbeitsplatz stark zurückgegangen. Das zeigt eine Studie, die Michael Brüggemann mit Kollegen im Sommer 2024 veröffentlicht hat.
Beim Klimaschutz handeln wir nicht immer nach unseren Werten
Als Leiterin des Instituts für Klimapsychologie in München will Nadja Hirsch das ändern:
Doch das führe nicht zwangsläufig zu mehr Klimaschutz, erklärt die Psychologin. Viele Menschen handeln nicht nach ihren Werten. In der Psychologie wird das "Kognitive Dissonanz" genannt. Nadja Hirsch nennt ein Beispiel:
Am nächsten Morgen herrscht dann meist Katerstimmung. Wir beginnen uns zu rechtfertigen – auch vor uns selbst.
Drei Tipps, um erfolgreich über die Klimakrise zu sprechen
Nadja Hirsch bietet Workshops an. Die Teilnehmerinnen sollen lernen, zu ihren Überzeugungen zu stehen und die Klimakrise im Alltag besser anzusprechen – um beim nächsten Grillabend sensibel und verständlich auf klimaschädliche Gewohnheiten hinzuweisen, statt selbst zuzulangen. Damit ein solches Gespräch gelingt, helfen einfache Tipps, erklärt die Expertin:
- Werte ansprechen: Auch wenn wir uns nicht immer danach richten: Werte sind die Basis unseres Handelns. Darüber kann man sein Gegenüber erreichen. Bei diesen Werten muss es nicht immer um Nachhaltigkeit gehen. Auch Werte wie Heimatverbundenheit können sich eignen, um den Klimaschutz anzusprechen.
- Fragen stellen: Niemand mag es, überredet zu werden. Wer motivieren will, sollte lieber ergebnisoffen ins Gespräch gehen. Fragen hilft, dem Gegenüber Wertschätzung und ein offenes Ohr zu zeigen.
- Lösungen diskutieren: Nicht allen mangelt es an Motivation. Oft fehlt auch das Wissen, wie man sich klimafreundlich verhalten kann. Statt den Moralapostel zu spielen, ist es daher sinnvoller, konkrete Themen anzusprechen – zum Beispiel wie man effizient Energie sparen kann.
Klima ist ein schwieriges Thema – der Dialog bleibt wichtig
Der Klimawandel ist kein leichtes Thema. Irgendwie in der Zukunft, irgendwie schon da. Wir sind davon betroffen, wir sind dafür verantwortlich und gleichzeitig merken wir im Alltag selten etwas davon. Gespräche darüber können zudem anstrengend sein. Aber nicht darüber zu reden, ist keine Lösung. Damit wir uns dabei nicht die Köpfe einschlagen, helfen wahrscheinlich die gleichen Regeln wie bei jeder anständigen Diskussion: Zuhören, ausreden lassen, Gemeinsamkeiten suchen.