Rheinhessischer Weinbaupräsident im Gespräch

Interview: Bürokratie bremst noch immer die Landwirte in Rheinhessen

Stand

Weniger Bürokratie: Unter anderem dafür hatten auch in der Region Rheinhessen/Nahe Landwirte vor einem Jahr öffentlichkeitswirksam demonstriert. Getan hat sich seitdem aber nicht viel, kritisiert der rheinhessische Weinbaupräsident Jens Göhring.

Ein Jahr ist es her, dass die Landwirte in Deutschland öffentlichkeitswirksam demonstrierten. Mit Traktoren fuhren sie unter anderem durch die Mainzer Innenstadt oder blockierten Autobahnauffahrten in Rheinhessen.

Sie forderten auch weniger Bürokratie von der Politik. Getan hat sich allerdings nicht viel, sagt Jens Göhring. Und er weiß, wovon er redet, denn er ist nicht nur der rheinhessische Weinbaupräsident und Vizepräsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, sondern er ist auch selbst Winzer und baut unter anderem Zuckerrüben an.

SWR Aktuell: Herr Göhring, mit welchen bürokratischen Hürden haben Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen denn zu kämpfen?

Jens Göhring: Das Problem ist, dass es immer noch zu viele komplizierte Anträge und Formulare in Deutschland gibt, die ausgefüllt werden müssen, zum Beispiel wenn Fördermittel beantragt werden. Das kann dann zwar digital gemacht werden, aber wenn ich zur Legitimation dann doch aufs Amt oder sogar das Ganze faxen muss, ist das natürlich sehr aufwändig. Von einer Vereinfachung für uns Landwirte kann dann keine Rede mehr sein.

Interview Weinbaupräsident Rheinhessen Jens Göhring: Bürokratie bremst noch immer die Landwirte in Rheinhessen
Jens Göhring ist Weinbaupräsident in Rheinhessen und Vizepräsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinlad-Pfalz/Süd.

Interessanterweise ist das bei Anträgen, die an die EU gerichtet werden müssen, besser. Seit ungefähr zwei Jahren ist man da offensichtlich einen Schritt weiter und das Ganze funktioniert digital viel unkomplizierter.

SWR Aktuell: Wo liegt denn speziell das Problem in Deutschland?

Jens Göhring: Hier ist alles überreguliert. Wenn ein Landwirt zum Beispiel Gülle auf sein Feld ausbringen will, dann gibt es dafür klare Terminvorgaben. Und die gelten bundesweit. Das heißt, das Ganze orientiert sich am Kalender und nicht an der Witterung in den einzelnen Regionen in Deutschland. Es ist doch nicht sinnvoll, dass Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel aus Schleswig-Holstein zur selben Zeit Gülle auf ihre Felder bringen müssen, wie Landwirte in Bayern. In Zeiten des Klimawandels ist das natürlich nicht zielführend. Ich hatte kürzlich Besuch von einem Landwirt aus Kanada. Der hat mir erst sein Leid geklagt, wie bürokratisch alles bei ihm sei. Als ich dann ein bisschen von hier erzählt habe, war er ganz schnell still. Ok, so schlimm sei es in Kanada dann doch nicht.

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SWR Aktuell: Dann kann man zusammenfassen, dass die Proteste vor einem Jahr zumindest im Bereich Bürokratie nicht wirklich etwas gebracht haben?

Jens Göhring: Das kann man so sagen. Beim Bauern- und Winzerverband haben wir zum Beispiel schon vor zehn Jahren eine lange Liste von Verbesserungsvorschlägen gemacht und diese auch an die zuständigen Stellen weitergegeben. Aber geändert hat sich tatsächlich fast nichts. Prinzipiell waren die Proteste vor einem Jahr nötig und wichtig, vor allem, dass Landwirte gesellschaftlich auch mal wieder wahrgenommen wurden. Aber vor allem die Politik und die Behörden müssen erkennen, dass die Landwirtschaft kein Selbstläufer ist. Ich sage immer gerne: Landwirtschaft ist wie Fußball, die, die als Zuschauer am Rand stehen, wissen immer alles besser als die, die eigentlich spielen.

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