Sie werden in grellen, bunten, runden Dosen verkauft - die kleinen weißen Nikotinbeutel. Meist im Internet, denn der offizielle Verkauf ist in Deutschland nicht erlaubt. Eigentlich. Weil Kontrollen fehlen, seien die Beutel oft auch in Tabakläden, Kiosken oder an Tankstellen erhältlich, kritisieren Suchtberater. Und im Internet sowieso. Bei Kindern und Jugendlichen sind die Beutelchen zunehmend beliebt - so kann unbemerkt Nikotin konsumiert werden, ohne dass man mit der klassischen Zigarette in der Hand erwischt wird.
- Wie hoch ist der Nikotingehalt von Nikotinbeuteln?
- Wie groß ist der Suchtfaktor durch Nikotinbeutel?
- Seit wann gibt es den Trend Nikotinbeutel?
- Woher beziehen Jugendliche die Nikotinbeutel?
- Was sagen Suchtberater in RLP?
Wie viel Nikotin ist in einem Nikotinbeutel?
Die Nikotinbeutel werden oral über die Mundschleimhaut konsumiert. Jeder einzelne der kleinen Beutel kann den Nikotingehalt von drei bis sechs Zigaretten enthalten. Hinzu kommt noch, dass das Nikotin durch die Mundschleimhaut deutlich schneller aufgenommen wird, als beim Rauchen einer Zigarette. Der ganz besondere Kick also.
Wie groß ist der Suchtfaktor durch Nikotinbeutel?
Laut einer Studie kann der Gebrauch der tabakfreien Nikotinbeutel zu einer höheren Nikotinabgabe führen. Dadurch steigen auch das Abhängigkeitspotenzial und das Risiko, nikotinabhängig zu werden. Nicht ohne Grund seien Nikotinbeutel in Deutschland verboten, sagt auch der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert. "Sie sind keine gesunden oder unbedenklichen Produkte. Mit ihnen kann man extrem schnell große Mengen Nikotin aufnehmen und sie können sehr schnell abhängig machen."
Seit wann gibt es den Trend Nikotinbeutel?
So ganz neu ist der Trend mit den Nikotinbeuteln nicht: Sie werden seit etwa 2020 beworben und gehandelt - als eine rauchfreie und unauffällige Alternative zu Zigaretten. Laut Bundesverband der Tabakerzeuger sind die Beutel "für Konsumenten, die nicht auf Nikotin verzichten möchten, die am wenigsten schädliche Option". Das Schadstoffprofil sei mit dem medizinischer Nikotinersatzprodukte vergleichbar.
Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hat allerdings im Jahr 2022 eine Bewertung vorgenommen - und vor den gesundheitlichen Risiken der Nikotinbeutel für Kinder, Jugendliche und Nichtraucher gewarnt. Gefährdet sind laut BfR auch Schwangere und Stillende sowie Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch Vergiftungsfälle soll es schon gegeben haben, etwa, wenn die Beutelchen versehentlich verschluckt wurden.
Woher beziehen Jugendliche die Nikotinbeutel?
Laut Rechtsprechung gelten die Beutelchen als Lebensmittel und werden an den lebensmittelrechtlichen Vorschriften gemessen. Wegen ihres Nikotingehalts sind sie in Deutschland zwar nicht "verkehrsfähig", aber trotzdem zu haben, wie zum Beispiel über das Internet. Außerdem gibt es die Möglichkeit, sie beispielsweise in Österreich zu kaufen und mit nach Deutschland zu nehmen. Denn es besteht hierzulande kein Konsumverbot.
Sind Nikotinbeutel Thema an Schulen und bei der Suchtberatung?
Das Thema Nikotinbeutel ist inzwischen auch an Schulen angekommen, heißt es etwa bei der Jugend-und Drogenberatung "Release" in Kaiserslautern. Es gebe vermehrt Anfragen nach Präventionsveranstaltungen, weil vor allem Schülerinnen und Schüler der 7. bis 9. Klassen mit dem Problem rund um den Konsum der Beutelchen auffielen.
In wenigen Fällen hätten sich auch Eltern in der Beratungsstelle gemeldet und nach einer direkten Beratung für eines ihrer Kinder gefragt, so Julia Mikulla, die stellvertretende Leiterin von Release auf Anfrage des SWR. Im Unterricht werde das Thema eher seltener aktiv behandelt, so Mikulla. Auch offizielle Präventionskonzepte von Seiten des Landes gebe es dazu noch nicht.
In der Suchthilfe der Stadt Mainz ist das Phänomen "Nikotinbeutel" bekannt. Man spreche aber derzeit von einem Trend unter Jugendlichen, nicht von einem Problem, so Pressesprecherin Anna Gadinger. Es gebe einige Schulen, vor allem Berufsschulen, die das Thema gesondert behandeln.
Inwieweit Eltern das Problem Nikotinbeutel bewusst oder bekannt sei, könne man nicht sagen. Aber "erfahrungsgemäß wünschten sich viele Eltern mehr Aufklärung bei Themen, die den Konsum ihrer Kinder betreffen."
Landesamt verweist auf Präventionskurse an Schulen
Laut dem rheinland-pfälzischen Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung sind Präventionskurse inzwischen auf dieses Thema eingestellt. So gebe es für die Möglichkeit, beim europäischen Schulwettbewerb "Be Smart - Don’t Start" mitzumachen. Für das Schuljahr 2024/25 seinen mehr als 150 Klassen angemeldet.