Goldschakale breiten sich in Deutschland aus: Welche Folgen hat das?

Stand
Autor/in
Florian Rudolph
Porträt Florian Rudolph

Goldschakale sehen ein bisschen aus wie sehr große Füchse, die sich als Wolf tarnen. Die Tiere breiten sich in fast allen Bundesländern aus. Welche Probleme bringt seine Einwanderung für das Ökosystem in Deutschland? Darüber und ob der Goldschakal uns Menschen gefährlich werden kann, hat SWR-Aktuell-Moderator Florian Rudolph mit Alexandra Ickes vom Naturschutz-Bund NABU gesprochen.

SWR Aktuell: Von der Größe her sortiert sich der Goldschakal da irgendwo zwischen Fuchs und Wolf ein, und vom Wolf denken viele, dass er eine Gefahr ist. Wie steht es denn mit dem Goldschakal?

Alexandra Ickes: Tatsächlich ist der Goldschakal leicht zu verwechseln mit Fuchs oder Wolf. Allerdings ist es ein bisschen anders. Der Wolf ist ja eine einheimische Art, aber der Goldschakal ist jetzt eine Art, die neu dazugekommen ist und deswegen auch einen besonderen Stellenwert jetzt auch in Baden-Württemberg hat.

SWR Aktuell: Zurück zu meiner Frage: Wenn Leute jetzt ohnehin schon Angst vorm Wolf haben – müssen die jetzt noch mehr Angst haben, weil der Goldschakal noch dazukommt?

Ickes: Angst ist unberechtigt - auch übrigens beim Wolf. Beim Goldschakal verhält sich ähnlich. Er ist sogar noch kleiner als der Wolf, und er ist eine sehr, sehr scheue Art. Das ist wirklich ein Glücksfall, wenn man dem begegnen würde. Er würde den Kontakt zu Menschen eigentlich vermeiden.

SWR Aktuell: Wie kommt es überhaupt, dass der sich jetzt bei uns ausbreitet?

Ickes: Das weiß man tatsächlich nicht so genau. Es gibt verschiedene Theorien: Zum einen vielleicht durch den Klimawandel, dass einfach die Lebensräume für ihn jetzt in unseren Breiten geeignet genug sind. Zum anderen gibt es auch die Theorie, dass dadurch, dass die großen Beutegreifer wie zum Beispiel Wolf oder Braunbär in Mitteleuropa jetzt nicht mehr so stark vorhanden sind, der Goldschakal hier eine Chance nutzt und da diese ökologische Lücke einfach schließt.

SWR Aktuell: Über wie viele Tiere reden wir denn da, die bei uns heimisch werden - gibt es ja schon irgendwie Untersuchungen, wieviele Goldschakale es in Deutschland gibt?

Ickes: Es ist sehr spannend. Tatsächlich kann man keine genauen Zahlen sagen, denn der Nachweis von Goldschakal ist sehr, sehr schwierig. Es ist eine sehr, sehr scheue Art. Man kann den Tieren mit Wildtierkameras auf die Schliche kommen. Aber man müsste diese auch wirklich flächendeckend im ganzen Land verteilen, damit man wirklich gute Eindrücke bekommt. Und auch so ist ein Goldschakal nicht unbedingt von einem anderen Goldschakal zu unterscheiden. Deswegen kann man bloß „Pi mal Daumen“ sagen: Für Baden-Württemberg wissen wir, dass momentan etwa zwei Reviere vorhanden sind.

SWR Aktuell: Wo sind die?

Ickes: Einmal haben wir im Landkreis Schwarzwald-Baar ein Revier, das schon länger besteht. Dort haben wir auch immer wieder Reproduktionsnachweise bekommen. Das heißt, man konnte zum Beispiel Welpen auf Wildtierkameras feststellen. Und das andere Rudel ist jetzt neu dazugekommen. Das ist im Landkreis Konstanz. Es hat zum ersten Mal dort einen Nachweis gegeben mit mindestens zwei Welpen.

SWR Aktuell: Was frisst der Goldschakal eigentlich? Haben Kleintierbesitzer oder Hunde- und Katzenhalter jetzt eine Sorge mehr?

Ickes: Der Goldschakal ist eine Art, die einmal sehr clever ist und zum anderen auch verschiedene Nahrungsmittel zu sich nimmt. Den Speiseplan kann man sich ähnlich vorstellen wie auch beim Fuchs, also angefangen von kleineren Mäusen über Aas, aber es können natürlich auch größere Tieren sein, zum Beispiel Rehe oder auch so in der Größe von Schafen.

SWR Aktuell: Und Hühner und solche Sachen natürlich auch. Wenn ich mit meinem Hund im Wald Gassi gehe, muss ich Angst haben, um den, wenn das jetzt nicht gerade ein Rottweiler ist?

Ickes: Ich denke eher nicht, ein Goldschakal ist eben eine sehr seltene Sichtung. Er würde den Menschen und natürlich dem Hund aus dem Weg gehen. Aber man sollte generell bei Wildtieren immer den Hund am besten zu sich holen, wenn man eine komische Bewegung sieht oder nicht ganz sicher ist, ob da jetzt ein fremder Hund kommt oder ein Fuchs oder eben ein Goldschakal. Das ist immer sehr hilfreich, den Tieren einfach nicht zu dicht auf die Pelle zu rücken, ihnen immer Fluchtmöglichkeiten lassen. Und so etwas wie Streicheln und Zufüttern sollte man tunlichst unterlassen. Und dann passiert in der Regel auch gar nichts.

SWR Aktuell: Sie haben was anderes Interessantes gerade eben noch gesagt. Auf dem Speiseplan des Goldschakals stehen Rehe drauf. Wir haben im Programm auch einen Beitrag gehört aus unserer SWR-Umweltredaktion, wonach das Rehwild die Triebe junger Bäume frisst und so den Baumbestand gefährdet. Kommt da jetzt mit dem Goldschakal möglicherweise sogar eine Art, die wiederum hilft, den Rehbestand zu reduzieren?

Ickes: Das kann man jetzt natürlich nicht wirklich sagen. Wie gesagt: Der Goldschakal ist eine neue Art, man weiß noch nicht, welche Auswirkungen das genau auf das Ökosystem hat. Aber es ist durchaus anzunehmen, dass große Beutegreifer wie Goldschakal, aber auch Wolf, dazu beitragen können, wieder ein ökologisches Gleichgewicht in unseren Wäldern herbeizuführen. Und deswegen muss man das weiterhin beobachten.

SWR Aktuell: Aus Sicht des NABU würden Sie sagen, der Goldschakal ist ein Gewinn für unsere Artenvielfalt?

Ickes: Ich würde es mal vorsichtig formulieren: Es ist immer eine tolle Nachricht, wenn man sieht, dass Arten wieder zu uns zuwandern können. Es ist natürlich besonders erfreulich, wenn es einheimische Arten sind. Beim Goldschakal ist es jetzt eine neue Art. Da muss man einfach abwarten, ob sie tatsächlich so eine Art Klimagewinner ist, wie zum Beispiel der Bienenfresser, oder eine Art ist, die sich vielleicht sogar zu schnell ausbreitet, vielleicht invasiv ist. Aber bisher gibt es da keine Nachweise und auch keinerlei Hinweise darauf, dass dass der Goldschakal jetzt in diesem Stadium ist.