Retrobauer Joachim ackert wie vor 100 Jahren

Stand
Autor/in
Tamara Spitzing
Onlinefassung
Arthur Lebedew

Ist Landwirtschaft wie vor 100 Jahren möglich? Joachim aus Deilingen probiert es mit seiner Lebensgefährtin ein Jahr lang aus und ackert nur mit Tieren und alten Geräten.

Ich versuche ein Experiment: Ein Jahr will ich ohne Festanstellung mich selbst versorgen.  

Ackern nur mit Tieren und alten Geräten 

Ohne Maschinen, Chemie und nur mit Pferden und Muskelkraft will Joachim einen Acker bepflanzen und auch die Ernte einfahren. „Vor der Kündigung meines alten Jobs hatte ich Bauchschmerzen und schlaflose Nächte“, erinnert sich „Jo“. Für sein neues Leben hängt er seine ungeliebte, aber gut bezahlte Stelle in der Industrie an den Nagel. 

Die Sache hat er sich gut überlegt, der Gedanke an die Selbstständigkeit reift in ihm schon länger. Anfangen hat alles mit einem Reitpferd. Er kauft eines und kutschiert als Hobby Gäste ins Freie. „Aus dem Reitpferd wurde peu à peu ein Arbeitspferd. Und auch im Alltag habe ich immer mehr das Pferd genutzt“, erzählt er. Die Idee, die Tiere auch für die Landwirtschaft zu nutzen, war da nicht abwegig. Gedacht, getan. 

 Große Herausforderung 

Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Anja, den Stuten Romy und Rieke und dem Pony Donut will er nun Gemüse auf einem Feld heranzüchten und dabei nur die alten Geräte nutzen, die woanders bloß im Museum verstauben: Die Egge, um die Erde aufzulockern, den Pflug, gezogen von der älteren Pferdedame Rieke. Gedüngt wird mit Pferdemist. „Der Gedanke, dass es scheitern könnte, ist immer präsent“, sagt Joachim.

Viel Arbeit und Schweiß, aber auch die große Freiheit 

Anfangs tun sich er und Anja schwer. Beide wissen wenig über die Landwirtschaft – und noch weniger, wie man das alte Werkzeug einsetzt. Zudem verwandelt der verregnete Sommer den Acker in ein Schlammfeld. Die Kutschfahrten, die Geld bringen sollten, werden abgesagt. Harte Arbeit, wenig Freizeit – das stellt auch das Paar auf eine Belastungsprobe. „Wenn man abends bis 21 Uhr in der Werkstatt ist, weil irgendetwas repariert oder erledigt werden muss, ist das manchmal total deprimierend“, erzählt Jo. Trotzdem genießt er die Vorteile des Lebens als Retrobauer. „Das Schönste ist die Selbstbestimmung. Man kann selbst den Tag planen. Das ist Freiheit.“ 

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Tamara Spitzing
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Arthur Lebedew