Es ist ein historisches Ergebnis: Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte hat eine rechtspopulistische Partei wie die AfD so großen Erfolg bei einer Wahl im wiedervereinigten Deutschland erzielt. Jeder Dritte hat in den Landtagswahlen in Thüringen für die AfD gestimmt, in Sachsen waren es auch knapp ein Drittel.
Rechtspopulismus ist längst keine politische Randerscheinung mehr. Und definitiv kein rein ostdeutsches Problem. Zudem: Der Rechtsruck kommt nicht von heute auf morgen und versetzt nicht alle gleichermaßen in eine Schockstarre. Für viele Menschen mit Migrationsbiografie bestätigen diese Wahlergebnisse eine alltägliche Erfahrung. Rassismus gehört für sie zum Alltag, zu Deutschland.
Dass Rassismus und Rechtsextremismus tödlich sind - das hat sich ins kollektive Bewusstsein vieler migrantischer Communitys eingebrannt. Buchstäblich. Fremdenfeindliche Brandanschläge in Städten wie Mölln und Solingen haben seit den 1990ern ihre Spuren hinterlassen. Aber auch das systematische Staatsversagen bei der Aufarbeitung der NSU-Morde und des rechtsextremen Anschlags in Hanau haben dazu geführt, dass sich viele marginalisierte Gruppen vom Staat im Stich gelassen fühlen. Hass und Hetze sind nicht Orts- oder Milieu-spezifisch. Das haben wir ja bei den Aufnahmen von feiernden Partygästen auf Sylt vor wenigen Monaten gesehen.
Zu oft beobachten Menschen wie ich mit Migrationsbiografie, dass rechte Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Terror verharmlost werden. Oder fast noch schlimmer: dass Opfer rechter Gewalt plötzlich zu Tätern gemacht werden. Stichwort Dönermorde – als die Ermittler die Morde des NSU zunächst im migrantischen Milieu vermuteten.
Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit gab es schon lange vor der AfD. Die etablierten Parteien haben mehrfach Angst vor der sogenannten Überfremdung geschürt. Immer wieder wird auf Fragen der Migrationspolitik mit populistischen Aussagen, ähnlich denen der AfD, geantwortet. Etwa, als CDU-Politiker Friedrich Merz migrantische junge Männer als "kleine Paschas" abgewertet hat. Die etablierten Parteien müssen sich in ihren Äußerungen deutlich von denen der AfD distanzieren. Zudem sollten sie Menschen mit Migrationshintergrund in ihrer Politik endlich stärker adressieren, immerhin leben etwa 24 Millionen Menschen mit nichtdeutschen Wurzeln im Land. Wer gehört zu Deutschland und wer nicht? Wer gilt wann als integriert? Und was ist Leitkultur? Viel zu lange hat sich die deutsche Politik mit Fragen wie diesen aufgehalten.
Ich finde mehr denn je sollte der Staat in Aufklärungsarbeit und Anti-Diskriminierung investieren. Dazu bedarf es Geld und Gesetze. Nur so können wir weitere Risse in der Gesellschaft vermeiden.