Was ist eine Abhilfeklage?
Seit Oktober 2023 gibt es eine neue Form der Sammelklage. Mit der sogenannten Abhilfeklage können sich Betroffene einer Klage anschließen. Der Vorteil: Sie können dabei nichts verlieren, sondern nur gewinnen.
Diese Art der Klage dürfen nur Verbraucherverbände einreichen. Im Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) in Berlin haben Teamleiter Ronny Jahn und sein Team bereits sechs Sammelklagen organisiert.
Wir reichen eine solche Klage ein. Verbraucherinnen können sich kostenlos und ohne Kostenrisiko an einer solchen Klage beteiligen. Und wenn wir dann erfolgreich sind, dann erfolgt eine Zahlung direkt an die Verbraucherinnen, ohne dass sie selbst noch mal gerichtliche Schritte einleiten.
Wie funktioniert die Abhilfeklage und was habe ich davon?
Bei der Abhilfeklage klagt ein Verbraucherverband. Hat dieser Erfolg, erhalten alle, die sich der Klage angeschlossen haben, die gleiche Entschädigung. Ist ein Verband zum Beispiel der Ansicht, dass ein Unternehmen seine Preise auf nicht rechtmäßige Weise erhöht, kann er mit einer Abhilfeklage dagegen vorgehen.
Fall Vodafone: Abhilfeklage wegen Vertragserhöhung
Ein Beispiel: Im Frühjahr 2023 hat Vodafone die Preise seiner laufenden Festnetz-Internet-Verträge um fünf Euro im Monat von 39,99 Euro auf 44,99 Euro erhöht. Diese Preiserhöhung betrifft mehrere Millionen Vodafone-Kunden in ganz Deutschland. Mit der Abhilfeklage des VZBV haben sie nun eine Möglichkeit, dagegen vorzugehen.
Ronny Jahn beurteilt die Chancen auf Erfolg als ziemlich gut. Er und sein Team sind überzeugt, dass das Verhalten von Vodafone rechtswidrig war und das Unternehmen nicht so einfach einseitig die Preise hätte erhöhen dürfen. Mit einem Urteil wird ab Ende 2025 gerechnet.
Abhilfeklagen der Verbraucherzentralen
Auf der Seite Sammelklagen.de haben die Verbraucherzentralen alle ihre Abhilfeklagen aufgelistet. Dort kann man prüfen, ob man selbst betroffen ist und sich einer Klage anschließen möchte. Das ist einfach und kostet nichts.
Gewinnt die Verbraucherzentrale später den Prozess, erhalten alle Mitkläger eine Entschädigung, ohne dass sie sich selbst noch einmal an das Unternehmen wenden müssen.
Gewinnt das angeklagte Unternehmen, gehen die Mitkläger leer aus, verlieren aber auch nichts. Allerdings ist Geduld erforderlich, denn die Verfahren können sich lange hinziehen. Newsletter halten die Verbraucher dazu auf dem Laufenden.
Wie unterscheidet sich die Abhilfeklage von der Musterfeststellungsklage?
Bei der anderen Form der Sammelklage, der sogenannten Musterfeststellungsklage, entscheidet das Gericht im Erfolgsfall, ob betroffene Verbraucher grundsätzlich Anspruch auf Entschädigung haben. Wie viel ein Betroffener bekommt, müssen die Mitkläger dann selbst mit dem Unternehmen aushandeln, im Zweifel auch vor Gericht und mit dem Risiko von Verfahrenskosten. Musterfeststellungsklagen sind zum Beispiel bekannt geworden als Verbraucherverbände im Rahmen des Dieselskandals gegen Autohersteller geklagt haben.
Gibt es bereits Urteile zu Abhilfeklagen?
Die Verfahren der neuen Klageform sind sehr zeitaufwendig. Deshalb gibt es noch keine Urteile. Aber die Abhilfeklage gibt den Verbraucherschützern ein mächtiges Druckmittel in die Hand.
Rückzahlungen von Primastrom, Voxenergie, Nowenergy
So hat die Verbraucherzentrale den Energieversorgern Primastrom, Voxenergie und Nowenergy wegen deren Preis- und Vertragsgestaltung mit Sammelklagen gedroht. Die Unternehmen haben daraufhin einem außergerichtlichen Vergleich zugestimmt.
Dieser kann vielen ihrer Kunden erhebliche Rückzahlungen bringen. Betroffene müssen sich allerdings bis zum 31.12.24 an die Versorger wenden.
Dazu kann man auf der Seite sammelklagen.de mit einem Vergleichs-Check prüfen, ob man von dem Vergleich profitieren kann. Ist dies der Fall, gibt es dort auch eine entsprechende Muster-E-Mail, die Betroffene nutzen können. Abhilfeklagen sind somit schon jetzt ein Druckmittel, mit dem die Verbraucherzentralen agieren können.
Legal-Techs: Mit der standardisierten Klage zum Recht?
In Kanzleien, die verstärkt mithilfe des Internets und digitalisierten Prozessen arbeiten, den sogenannten Legal-Techs, können Verfahren standardisiert durchgeführt werden. Verbraucher können ihr Rechtsproblem oft kostenlos auf deren Internetseiten schildern. Werden die Erfolgsaussichten dort positiv bewertet, übernimmt das Legal-Tech den Rechtsfall. Es organisiert die Durchsetzung des Anspruchs – außergerichtlich oder mit einem Anwalt vor Gericht. Im Erfolgsfall erhält es dafür in der Regel eine Provision. Die Unternehmen sind beispielsweise für die Durchsetzung von Fluggastrechten bekannt und ziehen dafür, wenn nötig auch vor Gericht.
Recht Anwalt überflüssig? – Online-Rechtshilfe für Bürger
Flug verspätet? Zu hohe Miete? Verbraucher können sich an Online-Anbieter wenden, um ihre Rechte vertreten zu lassen. Weil sie nur bei Erfolg zahlen müssen, werden „Legal Techs“ immer beliebter.
Vorsicht vor unseriösen Legal-Techs
Viele Legal-Techs bieten auch eine Prozesskostenfinanzierung an. Das bedeutet: Der Verbraucher zahlt keinen Cent, auch wenn der Prozess verloren geht. Legal-Techs sollten aber immer auf ihre Seriosität geprüft werden. Im Falle einer Insolvenz kann es passieren, dass Verbraucher auf den Gerichtskosten und den Kosten der Gegenseite sitzen bleiben. Solche Risiken gibt es bei Sammelklagen der Verbraucherschutzorganisationen für die Betroffenen nicht.