Kläger Dietmar S. mit seinen Anwälten im Gerichtssaal in Rottweil

Kläger fordert Schadensersatz

Corona-Impfschaden? Keine Einigung in Rottweiler Prozess gegen BioNTech

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Samantha Happ
Samantha Happ
Ulrike Liszkowski
Bild von SWR-Redakteurin Ulrike Liszkowski

In der bundesweit ersten mündlichen Verhandlung gegen den Impfstoffhersteller BioNTech brachte der erste Verhandlungstag in Rottweil keine Einigung. Der Kläger fordert Schadensersatz.

In der Verhandlung um einem etwaigen Impfschaden durch den Corona-Impfstoff von BioNTech hat es vor dem Rottweiler Landgericht noch keine Entscheidung gegeben. Der 58-jährige Kläger Dietmar S. ist auf einem Auge nahezu blind. Das führt er auf seine kurz zuvor erhaltene Corona-Schutzimpfung mit dem BioNTech-Vakzin "Comirnaty" zurück.

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Eine Entscheidung wird frühestens Ende September erwartet. Beim Verkündungstermin am 29.9. könnte es aber auch die Entscheidung geben, noch Sachverständigengutachten einzuholen und in die Beweisaufnahme einzutreten.

Kläger fordert Schmerzensgeld und Anerkennung

Vor Gericht schildert Dietmar S. seine Leidensgeschichte: Am Morgen nach der zweiten Impfung habe er sich komisch gefühlt und Probleme gehabt, Namen und Worte zu finden. Dann habe er immer schlechter gesehen und einen Augeninfarkt erlitten. Gemeinsam mit seinen Rechtsanwälten fordert er vor Gericht Schmerzensgeld in Höhe von 150.000 Euro.

Kläger Dietmar S. vor Landgericht Rottweil
Kläger Dietmar S. hat auf dem rechten Auge massiv an Sehkraft verloren. Er führt das auf seine Corona-Impfung zurück.

"Er ist kein Impfgegner, wir auch nicht."

"Er ist kein Impfgegner, wir auch nicht. Aber wir fordern für ihn die Solidarität, von der damals so viel gesprochen wurde, das heißt, denen, denen es nicht so gut gegangen ist nach der Impfung, eine gewisse finanzielle Entschädigung zukommen zu lassen - und die Anerkennung, dass es ein Impfschaden war", so der Anwalt des Klägers.

Bei seiner Forderung stütze er sich auf Paragraph 84 Absatz 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) (siehe Infobox) und Paragraph 826 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

BioNTech bestreitet Zusammenhang

Die Anwälte des Mainzer Impfstoffherstellers bestreiten den Vorwurf des Klägers. Die Kausalität zwischen Impfung und Krankheit müsse nachgewiesen werden. Es gebe bei dem 58-Jährigen Vorerkrankungen, die für die Krankheit genauso ursächlich sein könnten. Einer gütlichen Einigung wollten sie heute nicht zustimmen. Im Vorfeld zu einem ähnlichen Gerichtsprozess in Hamburg hatte BioNTech bereits mitgeteilt, jeden Fall einzeln zu prüfen, in dem es um Haftungsansprüche in Zusammenhang mit der Corona-Impfung geht.

Eine Einordnung des Prozesses von Christoph Kehlbach aus der Redaktion Recht und Justiz sowie David Beck aus der Wissenschaftsredaktion des SWR im Video:

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Staat und Steuerzahler haften

Die Entschädigungszahlung bei erfolgreicher Klage übernimmt der Staat in diesen Verfahren für die Impfstoffhersteller ebenso wie die Prozesskosten, dazu zählen Anwaltsgebühren, Sachverständigen- und Gerichtskosten. So war es in der Pandemielage vereinbart worden, um die Zulassungsverfahren zu beschleunigen und die Bevölkerung schnell mit Impfstoff versorgen zu können.

Bundesweit einer der ersten Prozesse gegen Impfstoffhersteller

Die mündliche Verhandlung in Rottweil ist die erste gegen BioNTech bundesweit. Insgesamt lägen mehr als 200 Schadensersatzklagen gegen Produzenten von Corona-Impfstoffen bei deutschen Gerichten, zitiert die "Welt am Sonntag" das Bundesgesundheitsministerium. Ein erster Prozessauftakt gegen BioNTech vor etwa zwei Wochen vor dem Landgericht Hamburg war überraschend abgesetzt worden. Erst vergangene Woche begann in Mainz ein ähnlicher Prozess gegen den Impfstoffhersteller AstraZeneca. Zuvor hatte ein bayrisches Gericht eine Schadensersatzklage gegen AstraZeneca Anfang des Jahres abgewiesen. Mit der Berufung dagegen befasst sich auch an diesem Montag das Oberlandesgericht Bamberg.

Erfolgschancen vor Gericht

Die vollständige Beweislast liegt beim Kläger. Im Rottweiler Fall muss er zusammen mit seinen Anwälten beweisen, dass sein Augeninfarkt kausal auf die Corona-Impfung zurückzuführen ist. Denn um mit Schadensersatz- oder Schmerzensgeldforderungen gegen Impfstoffhersteller erfolgreich zu sein, muss nachgewiesen werden, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung eine bisher unbekannte Nebenwirkung ist, die ohne Zweifel durch den Impfstoff ausgelöst wurde. Das war etwa der Fall bei den in Zusammengang mit dem AstraZeneca-Impfstoff auftretenden Hirnvenenthrombosen.

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Finanzielle Unterstützung nach Impfschaden

Laut Robert-Koch-Institut ist ein Impfschaden "die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung." In diesen Fällen besteht die Chance auf Versorgungsleistungen. Dazu können Betroffene einen Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens beim Amt für Soziales, Jugend und Versorgung des jeweiligen Bundeslandes stellen, der dann von unabhängigen Expertinnen und Experten und Ärztinnen und Ärzten geprüft wird.

Das Paul-Ehrlich-Institut erhielt bis Ende März insgesamt 340.282 Meldungen zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Corona-Schutzimpfungen. In 56.432 Fällen wurde der Verdacht einer schwerwiegenden Impfnebenwirkung gemeldet. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts wurden in Deutschland rund 192 Millionen Einzelimpfungen zum Schutz vor Corona verabreicht.

Betroffene von Corona-Impfschäden fühlen sich mit ihren Leiden oft allein. Drei Menschen aus Baden-Württemberg erzählen im Video ihre Geschichte:

Wird die Beeinträchtigung offiziell als Impfschaden anerkannt, steht den Betroffenen eine finanzielle Unterstützung zu. Diese fällt laut SWR Rechtsexperte Christoph Kehlbach in der Regel jedoch weitaus geringer aus, als die von den Klägerinnen und Klägern vor Gericht geforderten Schadensersatz- und Schmerzensgeldsummen.

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