Die Kühe von Bauer Martin Schäfer aus dem Hohelohekreis (Foto: Martin Schäfer aus dem Hohelohekreis)

Milchindustrie fürchtet Eingriff in Vertragshoheit

Wie Landwirtschaftsminister Özdemir stabilere Milchpreise für Bauern schaffen will

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Janina Schreiber
Bild von Janina Schreiber, Redakteurin in der SWR-Umweltredaktion (Foto: Annkatrin Gentges)

Die Milchpreise schwanken stark, das sorgt für Planungsunsicherheit bei den Erzeugern. Ein Vorstoß des Bundesagrarministeriums soll das ändern - und löst Diskussionen aus.

Eigentlich, sagt Milchbauer Martin Schäfer aus dem Hohelohekreis, sei der Preis derzeit sogar ganz gut. Der Landwirt engagiert sich in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft Baden-Württemberg (AbL), die für faire Bedingungen für Bauern eintritt. Doch die vergleichsweise höheren Milchpreise gerade müssten noch besser werden, so Schäfer.

Die Preise waren schon schlechter, aber sie müssen noch besser werden, sonst geht’s trotzdem nicht weiter.

Martin Schäfer, Bauer aus Neunstein im Hohelohekreis (Foto: Martin Schäfer, Steinsfürtle)
Martin Schäfer, Milchbauer aus Neunstein im Hohelohekreis

Der Preis für konventionell erzeugte Rohmilch lag im vergangenen Jahr laut dem Institut für Ernährung und Ernährungswirtschaft (ife) bei 52 Cent pro Liter. Weil Schäfer als Demeter-Bauer arbeitet, kann er höhere Preise verlangen. Von seiner Molkerei bekommt er aktuell pro Liter Rohmilch rund 60 Cent.

Das bedeutet: Kostet die Tüte Milch 1,09 Euro, wie Berechnungen des ife angeben, so landet beim konventionell arbeitenden Landwirt weniger als die Hälfte dieses Geldes in seiner Tasche. Durch die Mehrwertsteuer wandern rund 7 Cent in die Staatskassen, weitere 19 Cent gehen für Logistik, Verpackung, Zertifizierung drauf. Die Molkerei verdient rund 12 Cent an einem Liter Milch.

So viel kostet die Milch (Quelle: ife Kiel) (Foto: SWR)
Das Institut für Ernährung und Ernährungswirtschaft (ife) zeigt: Rund die Hälfte dessen, was wir an der Kasse für den Liter Milch bezahlen, wandert in die Tasche des Landwirts. Der Rest geht für Logistik, Transport, Verpackung, den Lebensmitteleinzelhandel und die Molkerei drauf. Die Prozentzahlen sind gerundet.

Milchbauern sind in der Regel an eine Molkerei gebunden

Dabei laste die größte Unsicherheit in der Lieferkette häufig auf den Milchbauern, kritisiert Reinhild Benning, Agrarexpertin bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Das sei systembedingt. Denn: "Im Moment ist es in der Regel so, dass in den Lieferverträgen der Bauern einseitig drinsteht, dass sie ihre gesamte erzeugte Milch an eine Molkerei liefern müssen." Diese garantiere zwar die Abnahme der Gesamtmenge, teile den Preis für den Liter Milch aber erst im Nachhinein den Bauern mit - rund sechs Wochen später. Je nachdem, zu welchem Preis die Molkerei dann die Milch am Markt absetzen kann, gibt sie diesen an die Bauern weiter. Klar ist dabei: Auf diese Weise konkurrieren auch Milchbauern aus Baden-Württemberg mit den Weltmarktpreisen. Und diese sind volatil, unterliegen also großen Schwankungen.

Statistik zu Milchpreisschwankungen (Foto: SWR, Quelle: BLE, LEL)
Die Milchpreise - sowohl für ökologische als auch konventionelle Milch - sind starken Schwankungen unterworfen.

Benning hält die Lieferverträge deshalb für einen falschen Anreiz: "Viele Bauern und Bäuerinnen versuchen, die niedrigeren Preise pro Liter Milch zu kompensieren - und zwar mit der Menge." Also steige die Menge am Markt insgesamt. Zu viel Milch aber führe wieder zu niedrigeren Preisen. Ein Teufelskreis.

Dabei stehen Milchbauern generell unter großem Investitionsdruck, wie Martin Schäfer erklärt: "Wer will, dass weiter produziert wird, muss die Milchpreise so hochbekommen, dass sich ein neuer Stall lohnt und auch Technik - und jetzt kommen so Dinge wie Weidehaltung im Ökobereich." Er selbst sei in einer guten Situation, der Stall sei abbezahlt. Das sei bei vielen Kollegen anders.

Lieferverträge zwischen Molkereien und Bauern: Politik will Vorgaben ändern

Um mehr Sicherheit und ein besseres Einkommen für die Milchbauern zu garantieren, fordert Benning politische Reformen. Und tatsächlich häufen sich Medienberichte, wonach das Bundeslandwirtschaftsministerium Artikel 148 der Gemeinsamen Marktorganisation (einer EU-Verordnung) auch in nationales Recht umsetzen möchte. Demnach müsste schon vor der Milchlieferung in einem Vertrag festgehalten werden, in welchem Zeitraum die Molkerei in welcher Menge und zu welchem Preis die Milch von den Bauern abnimmt.

Landwirtschaft in Baden-Württemberg So gering sind die Einkommen der Bauern wirklich

Daten zeigen: Baden-Württembergische Bauern sind wirtschaftlich schwach. Vor allem die vielen kleinen Betriebe haben mit großen Problemen zu kämpfen.

Der Milchindustrieverband (MIV) ist gegen die geplante Änderung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Hauptgeschäftsführer Eckhard Heuser sagt, der Staat greife damit in die Vertragshoheit rein: "Wir glauben eher, dass es für unsere Molkereien hier teurer und komplizierter wird und die Bürokratie dadurch zunimmt." Die Milchindustrie werde dadurch mehr Personal brauchen, das werde teuer. Die Vermutung: Diese Kosten würde am Ende der Verbraucher tragen müssen.

Die Kühe auf der Weide von Martin Schäfer aus dem Hohelohekreis (Foto: Martin Schäfer, Steinsfürtle)
Die Kühe auf der Weide von Martin Schäfer aus dem Hohelohekreis

Laut Umwelthilfe-Expertin Benning zeigt die Erfahrung aus anderen Ländern wie Spanien: Monitoring sei wichtig bei den Verträgen, um Fairness für die Landwirtschaft zu garantieren. "Andere Länder haben das schon vorgezogen, und die Bundesregierung muss das jetzt umsetzen", so Benning.

Auch Milchbauer Schäfer ist für eine Reform des Systems. Den Landwirten die Preise zu zahlen, die sie die Produktion gekostet hat, sei eine Möglichkeit. Hauptsache, sagt er, es gebe eine Struktur, die es vielen Menschen ermöglicht, Landwirt zu bleiben.

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