Neue CD

György Ligeti zum 100. Geburtstag: CD des SWR Vokalensembles

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Neue Gesamtaufnahme aller Chorwerke mit dem SWR Vokalensemble und Yuval Weinberg / Doppel-CD SWR Classic SWR19128CD

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Diese CD ist ein Geburtstagsgeschenk für György Ligeti. Zum 100. Geburtstag haben das SWR Vokalensemble und sein Chefdirigent Yuval Weinberg eine Neuaufnahme aller Chorwerke veröffentlicht. 120 Minuten A cappella-Chormusik ist da zu entdecken, darunter auch einige Werke, die zuvor noch nie zu hören waren, wie bspw. die stimmungsvollen Sätze „Hajnal“ (Dämmerung), „Tél“ (Winter), die beiden Chöre nach Balínt Balassa oder die Ballade „Orbán“. Sie sind in Ligetis Nachlass aufgetaucht, im Archiv der Paul Sacher Stiftung, und bei Schott Music jetzt erstmals im Druck erschienen.

György Ligeti, Zeichnung von Sandra Amberg (SWR) (Foto: SWR, Sandra Amberg)
Der Komponist György Ligeti, Zeichnung von Sandra Amberg (SWR)

Frühe ungarische Chorwerke

Die meisten von Ligetis Chorwerken stammen aus seiner frühen Zeit, als er in Ungarn studierte und komponierte, und zeigen seine kompositorische Entwicklung: die ersten Chorsätze im Bartókschen Stil wie „Idegen Földön“ (In der Fremde) und „Magany“ (Einsamkeit), dann originelle Volksliedsätze, hinter denen sich der Komponist im stalinistisch gleichgeschalteten Ungarn vor der Zensur verbarg, wie „Mátraszentimrei dalok“ (Lieder aus der Matrasgegend) und „Hórtóbagy“. Daneben ungebührlich Modernes in Balladen wie „Papaíne“ oder „Haj Ifjuság“ (Hoj, die Jugend!). Bei letzterem hört man den Schalk förmlich in seinen Augen blitzen. Unter diesen frühen Chorsätzen finden sich auch einige, in denen sich schon Keimzellen der Ideen finden, die Ligeti nur wenige Jahre später berühmt machen sollten: „Pletykázó asszonyok“, zwei tratschende Weiber, die mit ihrem Geschwätz stehende, irisierend flirrende Klangflächen produzieren. Und auch in den beiden Kanons „Ejszaka – Reggel“, eigentlich Naturstücke, probiert Ligeti bereits den Mikrokanon aus, der ihm 1961 in „Atmosphères“ zum internationalen Durchbruch verhelfen sollte.

Flucht in den Westen

1956 reißt die Serie seiner Chorwerke plötzlich ab: Die brutale Niederschlagung des Ungarnaufstands veranlasste Ligeti zur Flucht in den Westen: Stalins Säuberungen und rigorose Kulturpolitik hatten seine Heimat Ungarn zu einem künstlerisch toxischen Pflaster gemacht. Mit den Orchesterwerken „Apparitions“ und „Atmosphères“ wurde Ligeti weltberühmt und lotete die experimentellen Möglichkeiten der Orchester- und Instrumentalmusik neu aus, erschloss mit seinen performativen Vokalabenteuern „Aventures und Nouvelles-Aventures“ neue Notationen, Formen und Ausdrucksspektren für Solostimmen und setzte mit seinem „Requiem“ für Soli, Chor und Orchester 1962/1963 das Prinzip des Mikrokanons im Vokalen fort.

Lux Aeterna

1965 wandte er sich seit seiner Flucht aus Ungarn erstmals wieder der A cappella-Musik zu und schuf mit „Lux Aeterna“ durch mikropolyphone Tongewebe und Clusterklänge eine betörende, zutiefst ergreifende neue Klangsprache in der Vokalmusik.

Produktionsfoto zum Video über Ligetis Lux Aeterna mit dem SWR Vokalensemble (Foto: SWR)
Produktionsfoto vom Video zu Ligetis "Lux aeterna" mit dem SWR Vokalensemble unter der Leitung von Yuval Weinberg, aufgenommen im Wasserspeicher im Stuttgarter Osten.

Spätwerk

Noch einmal hat György Ligeti in den 1980er-Jahren Chormusik komponiert. Für die Schola Cantorum Stuttgart entstanden die „Ungarischen Etüden“. Und schließlich hat der Stockholmer Kammerchor ein Werk für 16 Stimmen beauftragt: die „Drei Phantasien nach Friedrich Hölderlin“. In der dichten, komplexen Harmonik seines späten Stils hat Ligeti daraus ein Meisterwerk gemacht: Lautmalerisch zeichnet er die Sprachbilder Hölderlins für das innere Auge der Zuhörer und lässt sie mit leuchtenden Farben vorüberrauschen – wie in einem Comic-Strip.

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SWR