King Arthur (Foto: Hefin Owen )

Stephanie Twiehaus

King Arthur, der britische Held

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Der britische König Arthur (Artus) gehört zu jenen Figuren der europäischen Geisteswelt, die gerade der fehlende Beweis ihrer Existenz langlebig macht. Sein Mythos wurzelt im 5. oder 6. Jahrhundert, in den historisch kaum erschlossenen »Dark Ages« britischer Geschichte, deren geheimnisvolles Dunkel schon früh Raum für Spekulationen und Kreativität eröffnete.

Fakt ist, dass Ende des 4. Jahrhunderts das schwächelnde Imperium Romanum auch auf dem Gebiet des heutigen Englands der Invasion wandernder Volksgruppen wich. Die von Rom alleingelassene römisch-keltische Provinzbevölkerung war gezwungen, sich neu zu organisieren, und versuchte dies nicht selten durch Arrangements mit den Einwandernden. Vor allem die unerschrockenen Sachsen versprachen – im Gegenzug für die Überlassung von Siedlungsland – Schutz vor unerwünschten räuberischen Eindringlingen. Die verschiedenen germanischen Migrantenstämme wuchsen als »Angelsachsen« zusammen und setzten dem keltischen oder auch christlichen Glauben Britanniens ihre heidnischen Riten entgegen. Dieser Antagonismus schlägt sich später in der Handlung von Purcells Semi-Oper ebenso nieder wie die fortwährenden Machtkämpfe, mit denen sich alteingesessene und neue Inselbewohner über lange Zeit buchstäblich zusammenrauften und letztlich zu »Engländern« verschmolzen.

Reine Fiktion ist die bedeutende Rolle, die in dieser nationalen Entwicklung König Arthur zugeschrieben wurde. Zuvor nur in anderer Gestalt zu erahnen, fällt erstmals um das Jahr 800 in der Historia Britonum eines walisischen Mönches sein Name und erst weitere 400 Jahre später wird er durch Geoffrey von Monmouth in der pseudohistorischen History of the Kings of Britain mit wesentlichen Teilen seiner Lebensgeschichte bedacht. Die Arthur zugeschriebenen Eigenschaften wurden schon früh zum Inbegriff einer Ritterlichkeit, die bis heute Selbstverständnis und Wertekanon der Briten prägt.

Als John Dryden in den 1680er-Jahren aus dem Arthur-Stoff seine »Dramatick Opera« entwickelte, griff er inhaltlich auf die historischen Machtkämpfe zwischen Briten und Sachsen zurück, erweitert um eine auch metaphorisch zu deutende Liebesgeschichte und zwei im Hintergrund agierende Magier. Dem politisch engagierten Dramatiker (und Shakespeare-Experten) ging es vor allem um die staatsmännischen Qualitäten des Titelhelden, denn das von politischen Krisen geschüttelte England sehnte sich zu jener Zeit mehr denn je nach einem idealen Herrscher: nach so einem wie König Arthur, den Dryden als ritterlich, unbesiegbar und zugleich – durch die Liebe zu Emmeline – äußerst nahbar und menschlich schildert. Diesem »britischen Helden« gelingt es nicht nur, den sächsischen Widersacher zu besiegen, sondern auch, mit ihm aufrichtigen Frieden zu schließen und seinem Land den Weg in eine blühende Zukunft zu weisen. Wie wichtig für Dryden die Überzeitlichkeit einer solchen Idealgestalt war, zeigt sich an der inhaltlichen Chronologie der gesungenen Passagen: Sie führt von heidnischen Opferriten alter Zeiten über arkadische Schäferspiele und einem modernen Liebesverständnis zu einem Sittengemälde ausgelassen feiernder Zeitgenossen.

King Arthur Titielblatt (Foto: SWR)

Als englische Semi-Oper ist King Arthur ein Bühnenwerk, in dem Schauspiel und Musik in jeweils ausgedehnten dramatischen und musikalischen Blöcken gleichwertig nebeneinander stehen. Dieses Werk zu spielen heißt seit jeher auch, eine individuelle Fassung, insbesondere der gesprochenen Passagen zu erstellen. In der Produktion des RIAS-Kammerchores ist die Geschichte rund um die Musiknummern auf das Wesentliche reduziert und öffnet sich zugleich für Drydens Gedanken der Zeitlosigkeit: aus dem Blickwinkel des 21. Jahrhunderts und bedenkend, dass nicht nur König Arthur als einer der »größten Briten aller Zeiten« gilt …

Ob wahr oder nicht, die Artus-Erzählungen hatten dauerhaften Einfluss auf das Denken der Menschen.

(gekürzte Fassung eines Essays aus der Saisonbroschüre der Schwetzinger Festspiele)

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SWR