Etwa 20.000 Bürger demonstrieren am 13. August 2010 in Stuttgart

Hintergrund: Zehn Jahre nach Baubeginn

Historie des Bahnprojekts Stuttgart 21

Stand

Die Anfänge des Bahnprojekts reichen weit zurück. Eine bessere Bahnverbindung zwischen Stuttgart und Ulm war das erste Ziel des Projekts, das dann als "Stuttgart 21" bekannt wurde. Eine Chronologie:

1985: Die Bahnverbindung zwischen Stuttgart und Ulm soll verbessert werden. Ein Aus- bzw. Neubau der Strecke zwischen Plochingen (bei Stuttgart) und Günzburg (bei Ulm) wird als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen.

1988: In die Diskussion über den angedachten Streckenaus- bzw. neubau bringt der Verkehrswissenschaftler Professor Gerhard Heimerl von der Universität Stuttgart eine Denkschrift ein. Er und sein Team schlagen eine durchgängige Neubaustrecke zwischen Stuttgart und Ulm entlang der Autobahn mit einem Umbau des bestehenden Stuttgarter Hauptbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof vor. Das Heimerl-Konzept wird als Variante H bekannt.

Bis 1992: Verschiedene weitere Trassenvarianten werden entwickelt, geprüft und diskutiert. Auch die Variante H wird überarbeitet.

1992: Die Deutsche Bahn legt alle Vorschläge der baden-württembergischen Landesregierung vor. In einem Kabinettsbeschluss befürwortet diese die angepasste Variante H.

Stuttgart 21 wird erstmals der Öffentlichkeit präsentiert

April 1994: In einer Pressekonferenz stellen Ministerpräsident Erwin Teufel, Bahnchef Heinz Dürr, Stuttgarts Oberbürgermeister Manfred Rommel und Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann das Projekt Stuttgart 21 vor, das ausgehend vom Konzept Heimerls entwickelt wurde. Es sieht vor, den Hauptbahnhof in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umzubauen und das dadurch frei werdende Gleisfeld zur städtebaulichen Entwicklung zu nutzen. Eine Machbarkeitsstudie soll prüfen, ob die Umsetzung möglich ist. Erster Widerstand gegen das Projekt kommt auf.

Das Projekt wird 1994 öffentlich vorgestellt
Am 18.4.1994 stellen (v.l.n.r.) Stuttgarts OB Rommel (CDU), DB-Chef Dürr, Ministerpräsident Teufel (CDU), Bundeswirtschaftsminister Wissmann (CDU) und Baden-Württembergs Verkehrsminister Schaufler (CDU) das Projekt vor.

1995: Im Januar werden die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie der Öffentlichkeit vorgestellt: Stuttgart 21 wird als machbar eingestuft. Im November schließen Bund, Land, Stadt, Regionalverband und Deutsche Bahn eine Rahmenvereinbarung zur Entwicklung und Förderung des Projekts ab. Der Charme des Bauvorhabens: Es soll sich zum großen Teil durch den Verkauf von Grundstücken auf den frei werdenden Gleisflächen finanzieren. Auf mehr als 100 Hektar im Zentrum Stuttgarts soll ein neuer, moderner Stadtteil entstehen.

1997: Im Februar wird ein europaweiter Architektenwettbewerb für die Neugestaltung des Stuttgarter Hauptbahnhofs ausgeschrieben.

Dieses Modell wurde 1997 vorgestellt
Das Modell des neuen Stuttgarter Hauptbahnhofs, das am 4. November 1997 vorgestellt wurde.

Im November 1997 setzt sich der Entwurf einer Arbeitsgemeinschaft des Düsseldorfer Architekturbüros Ingenhoven, Overdiek und Partner unter 126 Wettbewerbs-Einsendungen durch. Der Umbau in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof mit großen Lichtaugen erhält den Zuschlag.

1998: Auf vier Stockwerken des Bahnhofturms wird ein Informationszentrum für Stuttgart 21 eröffnet, das als Dauerausstellung zu zwei Dritteln von der Bahn, zu einem Drittel von der Stadt finanziert wird.

Mitte 1999: Das Projekt kommt ins Stocken. Das Ausscheiden verschiedener Befürworter aus ihren Ämtern sowie eine neue Koalitionsregierung auf Bundesebene sind hierfür maßgeblich verantwortlich. Der neue Bahnchef Johannes Ludewig verhängt einen Planungsstopp und begründet ihn damit, dass das Land Baden-Württemberg nicht bereit war, sich an der Finanzierung des Projektes zu beteiligen. Das Gesamtprojekt ist nach einer neuen Prüfung durch die Bahn nicht komplett realisierbar. Teillösungen werden angedacht.

November 1999: Land, Stadt, Regionalverband und der Flughafen Stuttgart bieten an, sich mit 1,3 Milliarden DM am Projekt zu beteiligen.

2001 - 2009: Baugenehmigung, erste Montagsdemo

2001: Auf Drängen von Land und Stadt wird mit der Bahn eine Vereinbarung zur weiteren Zusammenarbeit bei der Realisierung von Stuttgart 21 abgeschlossen. Im Oktober beginnt das Planfeststellungsverfahren.

Der Stuttgarter Kopfbahnhof im Jahr 1995
Eine Aufnahme von 1995 zeigt das Gelände des Stuttgarter Hauptbahnhofes.

2005: Die Baugenehmigung für den geplanten Tiefbahnhof wird erteilt.

September 2006: Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung der Bahn gibt die neuen Kosten von Stuttgart 21 mit 2,8 Milliarden Euro an.

März 2006: Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim weist eine Klage des BUND sowie zweier Wohnungseigentümer gegen das Projekt ab. Die Kläger beriefen sich auf das Alternativkonzept "Stuttgart mit Kopfbahnhof", das einen unterirdischen Durchgangsbahnhof ablehnt und nach Ansicht der Gegner den verkehrlichen Anforderungen besser gerecht werde als Stuttgart 21.

Oktober 2006: Der Landtag von Baden-Württemberg fasst einen Grundsatzbeschluss über die Realisierung von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm.

Unterschriften für Bürgerentscheid, Geld für Neubaustrecke

2007: Nach jahrelangem Ringen einigen sich Bund, Land, Stadt und Bahn im sogenannten "Memorandum of Understanding" über die Aufteilung der Kosten des Projekts und leiten damit dessen Umsetzung in die Wege. Auch der Aufsichtsrat der Bahn stimmt der Umsetzung zu. In Stuttgart werden 67.000 Unterschriften für einen Bürgerentscheid gesammelt (gültig davon sind 61.000), der aber nach Ansicht der Stadt und des Verwaltungsgerichts unzulässig ist und im Dezember vom Stuttgarter Gemeinderat mit großer Mehrheit abgelehnt wird.

67.000 Unterschriften sind für einen Bürgerentscheid gesammelt worden
Stuttgarts Bürgermeister Schairer (M., Referat Sicherheit und Ordnung) nimmt am 14.11.2007 Aktenordner mit 67.000 Unterschriften für einen Bürgerentscheid über Stuttgart 21 entgegen von Pfeifer (l, BUND) und Wölfle (r, Grüne/Bündnis 90).

2008: Der Bundestag bewilligt Geld für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm.

April 2009: Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), Deutsche-Bahn-Vorstandsmitglied Stefan Garber sowie für den Flughafen Georg Fundel und Walter Schoefer unterzeichnen die Finanzierungsvereinbarungen für das Projekt. Kosten: 3,1 Milliarden Euro. Dazu wird ein Risikofonds mit 1,4 Milliarden Euro gefüllt.

Juni 2009: Bei der Stuttgarter Gemeinderatswahl werden die Grünen erstmals stärkste Fraktion in einer Landeshauptstadt. Als Hauptgrund für deren Erfolg wird gesehen, dass die Partei sich von Anfang an gegen Stuttgart 21 ausgesprochen hat.

Juli 2009: Der baden-württembergische Landtagsvizepräsident Wolfgang Drexler wird zum Beauftragten für die Öffentlichkeitsarbeit des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm ernannt.

Erste Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21

26. Oktober 2009: Die erste sogenannte Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 findet mit vier Teilnehmern statt. Eine Woche später sind es 20.

Protest gegen das Projekt im Dezember 2009
Protest gegen Stuttgart 21 am 10.12.2009 auf dem Stuttgarter Schlossplatz

November 2009: Schauspieler Walter Sittler pflanzt zum Zeichen des Protests gegen Stuttgart 21 im Schlossgarten den Widerstandsbaum – eine junge Hainbuche, die in dem Bereich des Parks steht, der den Bauarbeiten zum Opfer fallen soll.

Dezember 2009: Der Aufsichtsrat der Bahn und der Lenkungsausschuss der Projektpartner stimmen der Realisierung von Stuttgart 21 zu – trotz einer Kostensteigerung auf 4,1 Milliarden Euro. Auch der Verkehrsausschuss des Bundestages stimmt dem Projekt zu.

2010: Baubeginn, Planungsfehler, Schwarzer Donnerstag

Offizieller Baubeginn, Planungsfehler sorgen für Wirbel

Februar 2010: Offizieller Beginn der Bauarbeiten: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube, Ministerpräsident Günther Oettinger und Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster heben symbolisch den Prellbock am Gleis 049 an. Erste Arbeiten im Gleisvorfeld beginnen.

Der Startknopf für den Baubeginn wird am 2. Februar 2010 gedrückt
Baubeginn mit Drücken des symbolischen Startknopfs mit Ministerpräsident Oettinger (2.v.l.), Bahn-Chef Grube (3.v.l.), Bundesverkehrsminister Ramsauer (4.v.r.) und Stuttgarts OB Schuster (3.v.r.).

Mai 2010: Eine Urheberrechtsklage von Peter Dübbers, dem Enkel des Hauptbahnhof-Architekten Paul Bonatz, gegen den Abriss der Seitenflügel des Gebäudes wird in erster Instanz vom Landgericht abgewiesen. Dübbers legt vor dem Oberlandesgericht Berufung ein.

Bonatz-Enkel Peter Dübbers will die Seitenflügel retten
Peter Dübbers, der Enkel des Architekten des Stuttgarter Hauptbahnhofes Paul Bonatz, steht am 22.4.2010 vor dem Seitenflügel des Hauptbahnhofes Stuttgart.

Juni 2010: Durch einen Planungsfehler beim Umbau einer Signalanlage kommt es zu ersten Behinderungen im S-Bahn-Verkehr.

Juli 2010: Ein Papier der Schweizer Planungsfirma SMA aus dem Jahr 2008 wird öffentlich. Es sagt Engpässe im Zugverkehr durch Stuttgart 21 voraus, der Hauptbahnhof werde zum Nadelöhr. Das baden-württembergische Verkehrsministerium spricht von einem "Arbeitspapier", um genau das zu vermeiden, was es angeblich kritisiere.

Die ICE-Trasse zwischen Wendlingen und Ulm soll 865 Millionen Euro teurer werden als geplant. Bahnchef Rüdiger Grube nennt Gesamtkosten von 2,89 Milliarden Euro (2004: 2,025 Milliarden Euro).

Bürgerproteste nehmen zu

Der erste Baucontainer wird am 30. Juli am Hauptbahnhof aufgestellt. Von nun an verstärken sich die Proteste von Bürgern.

August 2010: Im "Stuttgarter Appell" fordern Prominente ein Moratorium (Aufschub/Prüfung) für die Baumaßnahmen sowie eine Entscheidung durch die Bürger. Rund 60 Sozialdemokraten verlangen in einem Brief an die Parteivorsitzenden, dass sich die SPD für eine Bürgerbefragung stark machen soll.

Das Oberlandesgericht Stuttgart weist einen Eilantrag von Peter Dübbers auf Unterlassung der Abbrucharbeiten am Nordflügel des Hauptbahnhofs zurück.

Ein Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes zum Schienengüterverkehr kommt zu dem Schluss: S21 bringt keine großen Vorteile und stört andere wichtige Bahnprojekte. Außerdem werden Kosten für Stuttgart 21 inklusive Neubaustrecke in Höhe von 11 Milliarden Euro (bislang rund 7 Milliarden) prognostiziert.

Etwa 20.000 Bürger demonstrieren am 13. August 2010 in Stuttgart
Rund 20.000 Menschen demonstrieren am 13. August 2010 am Stuttgarter Bahnhof gegen Stuttgart 21

Stuttgart-21-Gegner demonstrieren immer wieder zu tausenden. Als am 13. August der Bahnhof mit dem Abriss eines Vordaches am Nordflügel erstmals sichtbar beschädigt wird, bilden am Abend 20.000 Menschen eine Kette um Teile des Bahnhofs. Eine Woche später sind es mindestens genau so viele bei einem Schweigemarsch durch die Innenstadt.

Das Verkehrsministerium in Stuttgart weist nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" Vorwürfe zurück, wonach Stuttgart 21 nur mit einem fragwürdigen Millionenauftrag für die Bahn durchgesetzt worden sei.

Die Grünen schlagen einen vorläufigen Stopp des Projekts und und "Friedensgipfel" vor, um über einen möglichen Ausstieg zu diskutieren. Die Verantwortlichen lehnen ab, und Projektsprecher Wolfgang Drexler mahnt, dass ein Stopp 1,4 Milliarden Euro kosten würde.

Der Architekt Frei Otto, bis 2009 Mitplaner von Stuttgart 21, warnt vor Überschwemmungen und einem "Anheben" des Bahnhofs. Die Erde unter Stuttgart sei voller Wasser, Quellen und Gipsschichten. Otto fordert einen sofortigen Baustopp. Die Projektträger sprechen von "Panikmache" und sachlich nicht fundierten Äußerungen.

Nordflügel fällt, Schwarzer Donnerstag im Stuttgarter Schlossgarten

Am 25. August ist für die Projektgegner "Tag X": Ein Bagger beginnt, den Nordflügel des Bahnhofs abzureißen. Wieder strömen tausende Menschen zum Protest zusammen, sieben Demonstranten besetzen das Dach. Ein TGV wird an der Abfahrt gehindert. Nach Ansicht der Polizei haben die Proteste "ihren friedlichen Charakter verloren".

Am 27. August demonstrieren so viele Menschen wie noch nie gegen Stuttgart 21: Die Polizei spricht von 30.000, die Veranstalter von 50.000 Menschen. Sie ziehen vom Bahnhof zum Landtag, um eine Menschenkette zu bilden.

September 2010: Stuttgart 21 erhält eine Doppelspitze, die das Bahnprojekt künftig in der Öffentlichkeit vertritt: Nachfolger des bisherigen Sprechers Wolfgang Drexler werden der ehemalige Stuttgarter Regierungspräsident Udo Andriof (CDU) und der Unternehmensberater Wolfgang Dietrich.

Am 30. September eskalieren die Auseinandersetzungen über S21, als die Polizei zur Sicherung der Baustelle im Stuttgarter Schlossgarten Reizgas, Schlagstöcke und Wasserwerfer gegen Demonstranten einsetzt. Nach Angaben der Behörden werden mehr als 180 Menschen verletzt. Die Bilder von schwer verletzten Rentnern und Jugendlichen sorgen bundesweit für großes Aufsehen. In der Nacht werden die ersten Bäume gefällt.

Schlichtung soll Streit befriedigen

Oktober 2010: Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) schlägt den früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler als Schlichter vor.

Der Protest wächst weiter: Am 9. Oktober gehen nach Schätzungen der Polizei rund 65.000 Menschen gegen S21 auf die Straße. Die Veranstalter sprechen von 90.000 bis 100.000 Teilnehmern.

22. Oktober bis 27. November: Es werden acht Runden öffentlicher Schlichtung abgehalten. Erstmals müssen eine Landesregierung und die Bahn ein Großprojekt vor einer Bürgerbewegung rechtfertigen. Am 30. November spricht Geißler sich in seinem Schlichterspruch für den Weiterbau des Projekts aus, verlangt aber Nachbesserungen. So schlägt er einen Stresstest vor, der nachweisen soll, ob der geplante Tiefbahnhof wie behauptet 30 Prozent leistungsfähiger ist als der Kopfbahnhof. Die Bauarbeiten sind während der Schlichtungsgespräche auf Eis gelegt.

Dezember 2010: Die Gesellschaft für deutsche Sprache kürt den Begriff "Wutbürger" zum Wort des Jahres. "Stuttgart 21" landet auf Platz zwei.

2011: Regierungswechsel, Stresstest, Volksabstimmung

Demonstrationen, Landtagswahl, Regierungswechsel

Januar 2011: Die während der Schlichtung unterbrochenen Bauarbeiten werden fortgesetzt. Auch die Großdemonstrationen gegen das Bauvorhaben gehen im neuen Jahr weiter.

Protestschild "ScheisS21 Widerstandshauptstadt"
... ein anderes Protestplakat in Form eines Ortsschildes wies Stuttgart als "Widerstandshauptstadt" aus und machte aus S21 "ScheisS21" ...

Februar 2011: Unter dem Protest von hunderten Demonstranten wird mit der Verpflanzung von 16 Bäumen am Hauptbahnhof begonnen. Eine befürchtete Eskalation bleibt aus. Die Kosten der rund 200.000 Euro teuren Umpflanzungen übernimmt die Bahn.

März 2011: Bei den Landtagswahlen erleidet die CDU eine historische Wahlniederlage und verliert die Macht an ein grün-rotes Regierungsbündnis. Noch am Wahlabend kommt es zu Zwischenfällen an der Baustelle von Stuttgart 21. Zwei Tage nach dem Regierungswechsel verhängt die Bahn einen Bau- und Vergabestopp bis zur Regierungsbildung im Mai.

April 2011: Der für den umstrittenen Einsatz gegen S21-Gegner am 30. September 2010 verantwortliche Polizeipräsident Siegfried Stumpf gibt sein Amt auf. Das Innenministerium teilt mit, dass der 60-Jährige Ende des Monats aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt wird.

Regierungswechsel: Winfried Kretschmann (Grüne) wird Ministerpräsident
Regierungswechsel: Winfried Kretschmann (Grüne) wird Ministerpräsident

Mai 2011: Winfried Kretschmann (Grüne) tritt sein Amt als Ministerpräsident an. Während die Grünen Stuttgart 21 verhindern wollen, ist die SPD dafür. Beide Parteien einigen sich nach hartem Ringen auf eine Volksabstimmung über das Bahnprojekt.

Ende des Monats trifft sich der Lenkungskreis, in dem Bahn, Land, Stadt und Regionalverband vertreten sind, erstmals seit dem Regierungswechsel. Das Land will eine Verlängerung des Baustopps bis Herbst, die Bahn fordert dafür eine Kostenübernahme von 410 Millionen Euro.

Udo Andriof beendet seinen Job als Sprecher des Bahnprojekt Stuttgart-Ulm.

Hany Azer gibt die Leitung des Bahnprojektes Stuttgart - Ulm auf eigenen Wunsch zum 31. Mai 2011 ab. Nach Mitteilung der Bahn sah sich Azer während seiner Arbeit immer wieder persönlichen Anfeindungen bis hin zu Drohungen ausgesetzt. Zuletzt war es ihm nur unter Personenschutz des Konzerns möglich zu arbeiten. Bahnchef Grube bedauert die Entscheidung sehr: "Er ist ein ungewöhnlich kompetenter Ingenieur, den ich persönlich hoch schätze." Auf Azer folgt Stefan Penn.

Vergeblicher Versuch Baustopp zu erwirken

Juni 2011: Ministerpräsident Kretschmann versucht bei Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) vergeblich einen Baustopp zu erwirken.

Bahnchef Rüdiger Grube bietet unter Bedingungen eine Verlängerung des Baustopps bis Mitte Juli (Ende des Stresstest) an. Das Land soll dazu Kosten von rund 50 Millionen Euro übernehmen. Kretschmann will das Angebot prüfen.

Der Stuttgarter Gemeinderat weist den Antrag auf ein Bürgerbegehren über das Bahnprojekt ab. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) verweist darauf, dass man sich an die rechtmäßigen Verträge halten müsse.

Mitte des Monats setzt die Bahn die Bauarbeiten für Stuttgart 21 fort. Als Reaktion wirft Ministerpräsident Kretschmann der Bahn einen Bruch der S21-Schlichtung vor. Seiner Überzeugung nach müssten die Bauarbeiten bis zur Bekanntgabe der Testergebnisse ruhen.

Nach der Montagsdemo reißen Projektgegner einen S21-Bauzaun ein
Nach der Montagsdemo reißen Projektgegner einen S21-Bauzaun ein

Am 20. Juni 2011 beginnt die Bahn mit dem Aufbau eines Rohrleitungssystems für die Entwässerung der S21-Baugrube. Nach der traditionellen Montagsdemonstration stürmen zahlreiche Demonstranten die Baustelle am Grundwassermanagement. Es kommt zu massiven Sachbeschädigungen. Später verlässt ein Großteil der Demonstranten freiwillig das Gelände, die verbleibenden Protestierenden drängt die Polizei gegen Mitternacht vom Gelände.

Stress um den Stresstest: Am 26. Juni 2011 berichten mehrere Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Bahnkreise, dass der geplante Tiefbahnhof in Stuttgart den Stresstest angeblich bestanden hat. Die Betriebssimulation am Computer habe ergeben, dass der Tiefbahnhof 30 Prozent mehr Zugverkehr ermögliche. Die grün-rote Landesregierung ist verärgert darüber, dass das mutmaßliche Ergebnis des Stresstests vorab bekannt geworden ist.

Ein Gutachten zu dem Stresstest, das das Schweizer Verkehrsberatungsbüro sma am 21. Juli 2011 offiziell vorlegt, bestätigt die Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs. Es sieht aber auch gleichzeitig Nachbesserungsbedarf an dem Projekt.

Stresstestergebnis, Diskussion um Kostendeckel

Am 29. Juli 2011 werden die Ergebnisse des Stresstests im Stuttgarter Rathaus der Öffentlichkeit vorgestellt. Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler überrascht mit einer Kombi-Lösung: Er legt den Vorschlag eines kombinierten Tief- und Kopfbahnhofes vor, der 2,5 bis 3 Milliarden Euro kosten soll. Die Bahn lehnt die Kombi-Lösung tags darauf ab. Das Projekt würde dadurch um zehn Jahre zurückgeworfen. Später errechnet die Bahn für die Kombi-Lösung Kosten in Höhe von 5,2 Milliarden Euro.

Geißler vor einem Bild von Stuttgart21
Geißler und seine Kombilösung

Mit der Vergabe der Bauaufträge für die Tunnel Filder und Obertürkheim werden am 30. Juli 2011 die ersten Großbauwerke von Stuttgart 21 beauftragt. Das Auftragsvolumen beläuft sich auf rund 700 Millionen Euro.

Mit der SPD stellt sich am 11. August 2011 der eine Teil der grün-roten Regierung in Baden-Württemberg gegen den Vorschlag Geißlers. In einem Kompromiss einigen sich die Koalitionspartner aber auf eine weitere Prüfung eines Kombi-Bahnhofs.

Das grün-rote Kabinett macht mit einem Beschluss am 13. September 2011 deutlich, dass das Land keinen Cent mehr als die vorgesehenen 824 Millionen Euro zahlt, sollte der Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro gesprengt werden.

Bahn-Technikvorstand Volker Kefer kündigt am 14. September 2011 an, mit den Abrissarbeiten am Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs erst nach dem geplanten Volksentscheid zu dem Projekt Ende November zu beginnen. Entsprechende Pläne hatte zuvor auch schon Bahnchef Rüdiger Grube angedeutet.

Volksabstimmung

Die S21-Gegner erleiden am 27. November 2011 eine Niederlage bei der Volksabstimmung: 58,8 Prozent der Teilnehmer stimmen gegen einen Ausstieg des Landes aus der Finanzierung des Bahnprojekts - und damit für Stuttgart 21. Die Beteiligung liegt bei 48,3 Prozent.

Am 28. November 2011 kündigt Bahnchef Rüdiger Grube an, das Projekt so schnell wie möglich und innerhalb der veranschlagten Kosten von rund 4,5 Milliarden Euro zu realisieren.

2012: Flügel fallen, Spatenstich Neubaustrecke, Kostenexplosion

Der Südflügel fällt, Bahn vergibt Rohbauaufträge

Begleitet von friedlichen Protesten räumt die Polizei am 13. Januar 2012 den Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs, damit er entkernt und abgerissen werden kann. Einen Tag später bewerfen Gegner des Bauprojekts Stuttgart 21 Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) mit Schuhen.

Der Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs fällt
Der Südflügel fällt

Am 15. Januar 2012 räumt die Polizei nach monatelangen Protesten das Camp der S21-Gegner im Schlossgarten. Noch in der Nacht demonstrieren rund 1.000 Menschen. Am 30. Januar 2012 beginnen die Abrissarbeiten am Südflügel.

Die Bauarbeiten im mittleren Schlossgarten beginnen am 15. Februar 2012. Bäume werden gefällt und verpflanzt, damit das Baufeld vorbereitet werden kann.

März 2012: Die Bahn vergibt, deutlich später als geplant, die Rohbauaufträge für den Hauptbahnhof und die Tunnel Cannstatt sowie Feuerbach im Gesamtumfang von rund 800 Millionen Euro. Damit ist rund die Hälfte des Bauvolumens vergeben.

Bei der Sitzung des Lenkungskreises aller Projektpartner am 23. März 2012 gesteht Bahn-Technikvorstand Volker Kefer erhebliche Probleme beim Bau des Tiefbahnhofs ein. Ein Grund sind Änderungen und Genehmigungen an den Plänen für das Grundwassermanagement. Es soll nun erst Anfang 2013 in Betrieb gehen. Die Inbetriebnahme des neuen Bahnhofs wird um ein Jahr, auf Dezember 2020, verschoben.

Spatenstich für Neubaustrecke, Filderdialog

Mai 2012: Mit einem symbolischen Spatenstich wird der offizielle Baubeginn für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm bei Dornstadt gefeiert.

Spatenstich für die Schnellbahnstrecke Wendlingen-Ulm
Mit dem symbolischen Spatenstich starten Bahnvorstand Volker Kefer (l.) und der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann den Baubeginn für den Neubau der Schnellbahnstrecke Wendlingen-Ulm.

Im Juni 2012 beginnt der Filder-Dialog S21, eine Konsequenz aus der Schlichtung. Die Projektpartner von Stuttgart 21 wollen damit Transparenz über ihr Vorhaben vor Ort schaffen und mit den Betroffenen und der Bürgerschaft in einen konstruktiven Dialog treten.

Im Juli 2012 befürwortet der Filderdialog eine neue Lösung für den Flughafenanschluss. Die Teilnehmer des Dialogs entschieden sich für die sogenannte Gäubahnvariante zur Anbindung des Landesflughafens an das Bahnprojekt Stuttgart 21. Dieser Vorschlag sieht vor, dass Reisende auf der Gäubahn in Stuttgart-Vaihingen umsteigen und mit der S-Bahn zum Flughafen fahren. S21-Projektpartner halten diese Variante für nicht konsensfähig. Sie favorisieren einen extra Flughafenbahnhof für den Fern- und Regionalverkehr sowie eine eigene Fernverkehrstrasse über die Fildern.

Züge entgleisen, zahlreiche Umleitungen und Zugausfälle

Durch die Bauarbeiten rund um den Stuttgarter Hauptbahnhof muss das Gleisfeld eingeengt werden. Am 24. Juli 2012 entgleist ein Intercity bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof. Zwei Waggons und die schiebende Lok springen an einer Weiche aus den Gleisen. Daraufhin kommt es zu zahlreichen Zugausfällen.

Der entgleiste Zug riss die Oberleitung herunter
Der entgleiste Zug riss die Oberleitung herunter

Nur wenige Wochen später entgleisen an der gleichen Weiche zwei weitere Züge: Ein IC reißt bei dem Unfall am 29. September 2012 die Oberleitung herunter. Die Reisenden sind eine Stunde im Zug eingeschlossen, sieben Personen werden verletzt. Anfang Oktober springt auch ein Testzug aus den Gleisen. Bis Ende Oktober bleibt Gleis 10 des Hauptbahnhof gesperrt und sorgt für zahlreiche Umleitungen und Zugausfälle.

Risiko Brandschutz, Projektgegner fordern sofortigen Stopp

Die Deutsche Bahn vergibt am 16. Oktober 2012 den größten Auftrag der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Der Auftrag in Höhe von 635 Millionen Euro geht an eine Bietergemeinschaft unter Führung des Baukonzerns Porr aus Österreich.

Laut Gutachten ist der Brandschutz beim geplanten S21-Tiefbahnhof mangelhaft
Laut Gutachten ist der Brandschutz beim geplanten S21-Tiefbahnhof mangelhaft

Am 22. Oktober 2012 gibt Bahntechnikvorstand Volker Kefer nach der Sitzung des S21-Lenkungskreises bekannt, dass die im Filderdialog erarbeitete neue Variante für den Flughafenhalt bei Stuttgart 21 deutlich teurer wird als die bisherige Planung: Mehrkosten 224 Millionen Euro.

Das Eisenbahnbundesamt (EBA) genehmigt im Oktober 2012 eine Änderung der Planfeststellung für das Grundwasser-Management. Die Bahn kann ihre Arbeiten daran fortsetzen. Dies ist entscheidend für die Hauptbaumaßnahme am Stuttgarter Hauptbahnhof. Vor knapp einem Jahr hatte der Verwaltungsgerichtshof die Arbeiten gestoppt. Nun können Rohrleitungen, die zentrale Grundwasserreinigungsanlage, Messstellen und die Infiltrationsbrunnen fertiggestellt werden.

Ein Gutachten im Auftrag der Bahn kommt zum Ergebnis, dass das Brandschutzkonzept für die langen Tunnel in den Osten der Stadt und zum Flughafen auf der Filderhochebene im Süden nicht genehmigungsfähig ist. Damit kommt die Kostendebatte wieder voll in Gang. Diskutiert werden Mehrkostenschätzungen von 23 Millionen Euro für einen verbesserten Brandschutz und 80 Millionen Euro für weitere Nachbesserungen an S21 aus der Schlichtung.

150. Montagsdemo, Kostenexplosion

26. November 2012: Zur 150. Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 kommen nach Polizeiangaben 3.400 Menschen zusammen.

Mit lautem Gerassel gegen das Bahnprojekt
Mit lautem Gerassel gegen das Bahnprojekt

Laut Medienberichten von Anfang Dezember rechnet die Bahn mit Mehrkosten von rund einer Milliarde Euro. Regierungschef Winfried Kretschmann erklärt, dass zur Projektförderpflicht des Landes auch eine Transparenzpflicht der Bahn gehört. Er bekräftigt, dass sich das Land nicht an Mehrkosten beteilige wolle. Der Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro gelte weiter, so der Grünen-Politiker. Kretschmann verweist zugleich darauf, dass sich das Bahnprojekt in einem Stadium befinde, in dem noch nichts unumkehrbar sei.

12. Dezember 2012: Nach einer Neukalkulation der Bahn wird das Projekt Stuttgart 21 um mindestens 1,1 Milliarden Euro teurer und liegt damit bei Gesamtkosten von 5,6 Milliarden Euro. Über weitere mögliche Kosten durch einen "Risiko-Puffer" sind sich Bahn und Land uneins.

Projektgegner fordern angesichts der Mehrkosten in Milliardenhöhe den sofortigen Stopp des Bahnhofsprojekts.

16. Dezember 2012: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hält einen Ausstieg aus dem Bahnprojekt Stuttgart 21 für nicht mehr möglich.

2013: Kuhn auf Konfrontationskurs, Kritik aus Berlin, "Sprechklausel"

Anfang Januar 2013: Die Landesregierung fühlt sich bei Stuttgart 21 von der Deutschen Bahn schlecht informiert und macht Druck: Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) verlangt vor der nächsten Sitzung des Lenkungskreises tiefere Einblicke in die Kostenrechnung des umstrittenen Bauprojekts. Nach SWR-Informationen fordert Hermann von Bahn-Technikvorstand Volker Kefer ausführliche schriftliche Informationen darüber, wie die Bahn die Mehrkosten und weitere Kostenrisiken von 1,2 Milliarden Euro errechnet hat.

7. Januar 2013: Stuttgarts neuer grüner Oberbürgermeister Fritz Kuhn geht in seiner Antrittsrede auf Konfrontationskurs: Er kritisiert die Informationspolitik der Bahn und fordert die grün-rote Landesregierung auf, das Fällen weiterer Bäume für S21 vorerst nicht zu genehmigen. Er spricht von einer Vertrauenskrise angesichts der Kostenexplosion.

Fritz Kuhn wird erster grüner OB in Stuttgart
Fritz Kuhn wird erster grüner OB in Stuttgart

10. Januar 2013: Die Bahn lässt den Termin für den nächsten Lenkungskreis für Stuttgart 21 platzen. Kefer weist Vorwürfe zurück, die Projektpartner nicht umfassend unterrichten oder hinhalten zu wollen. Er verspricht Unterlagen und schriftliche Antworten zu den Fragen des Ministers.

Kritik an S21-Politik der Bundesregierung, Bäume werden nicht gefällt

Obwohl sich die SPD-Minister mit öffentlicher Kritik an der Bahn im Zusammenhang mit S21 bislang zurückgehalten haben, kritisiert Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) am 12. Januar 2013 ungewöhnlich deutlich das Verhalten der Bahn. Sie müsse endlich verlässliche Zahlen liefern: Bisher sei das Land im Grunde mit Power-Point-Präsentationen abgespeist wurden. Die Bahn sei in der Pflicht, harte Fakten zu liefern.

Justizminister Stickelberger (SPD)
Justizminister Stickelberger (SPD)

Am 16. Januar 2013 wirft die Bundestagsabgeordnete und Sprecherin der Grünen für Bahnpolitik, Valerie Wilms, der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt "unverantwortliche Wahlkampfmanöver" vor. Die Regierung in Berlin scheue die Debatte. In der Sitzung des Verkehrsausschusses habe die Koalition eine Behandlung der Kostensteigerungen mit ihrer Mehrheit abgelehnt, so Wilms.

18. Januar 2013: Die Bäume, die im Zuge der Bauarbeiten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 demnächst hätten fallen sollen, bleiben vorerst erhalten. Die Deutsche Bahn verschiebt die Fällaktion am Rande des Stuttgarter Rosensteinparks auf Herbst - aus Umweltschutzgründen. Damit bleiben 80 bis 100 Bäume zunächst stehen.

Hermann rechnet mit Verzögerungen, Datenraum kommt

Der baden-württembergische Verkehrsminister Hermann geht davon aus, dass S21 frühestens im Jahr 2025 fertiggestellt wird. Hermann erklärt am 19. Januar 2013 gegenüber dem SWR, selbst das sei ein ambitioniertes Ziel. SPD und Bahn kritisieren die Äußerung als reine Spekulation. Derzeit geht die Deutsche Bahn offiziell davon aus, Tiefbahnhof und Neubaustrecke zeitgleich 2020 fertigstellen zu können.

Verkehrsminister Hermann zweifelt am Zeitplan
Verkehrsminister Hermann zweifelt am Zeitplan

Bahn-Technikvorstand Volker Kefer kündigt bei einem informellen Projektgespräch am 21. Januar 2013 an, den Projektpartnern vertrauliche Informationen zu Stuttgart 21 in einem "Datenraum" bereitzustellen.

Die Bundesregierung fordert von der Deutschen Bahn Aufklärung über die jüngste Kostenexplosion bei S21. Die Staatssekretäre aus den Ministerien für Verkehr, Wirtschaft und Finanzen, die die Bundesregierung im Aufsichtsrat der Bahn vertreten, hätten einen Katalog mit 34 Fragen an den Konzern geschickt, bestätigt eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums am 27. Januar 2013.

1. Februar 2013: Die Bahn öffnet den "Datenraum" für die Projektpartner. In einem Gebäude der DB Projektbau in Stuttgart ist das Rohmaterial zu den Berechnungen des Konzerns abgelegt. Vertreter von Land, Stadt und Region Stuttgart sollen sich über die Gründe der Kostenexplosion und weitere mögliche Risiken informieren können.

Bahn zieht "Sprechklausel", Debatte nimmt wieder zu

Ein internes und kritisches Dossier aus dem Bundesverkehrsministerium heizt nach dem 4. Februar 2013 die Debatte um Stuttgart 21 neu an. Minister Peter Ramsauer (CSU) bemüht sich, das Papier zu Mehrkosten und einem möglichen Ausstieg kleinzureden. Es handele sich um "Einzelmeinungen aus der untersten Ebene meines Ministeriums."

11. Februar 2013: Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 stellt Strafanzeige gegen die Bahnvorstände Rüdiger Grube und Volker Kefer wegen angeblicher Untreue und Betrug. Beide hätten wider besseres Wissen den Aufsichtsrat der Bahn nicht rechtzeitig über die Kostenexplosion informiert. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Alexander Kirchner äußert Zweifel an der Realisierung des Projektes. Die Chancen stünden bei 50:50.

18. Februar 2013: Die Bahn zieht die sogenannte Sprechklausel, um mit den Partnern offiziell über die Verteilung der Mehrkosten von bis zu 2,3 Milliarden Euro zu verhandeln. Gespräche von Bahn-Technikvorstand Kefer mit Vertretern von Land, Stadt und Region bringen keine Annäherung.

Kurz vor der entscheidenden Bahn-Aufsichtsratssitzung demonstrieren bei einer Kundgebung am 23. Februar 2013 in Stuttgart laut Polizei 6.000 Menschen gegen S21. Die Veranstalter sprechen von mehr als 8.000 Demonstranten.

Am 26. Februar 2013 genehmigt das Eisenbahnbundesamt (EBA) die geänderten Pläne für den Bau des Fildertunnels. Er soll in zwei Röhren vom neuen unterirdischen Hauptbahnhof über 9,5 Kilometer auf die Fildern führen. Die Planänderung war notwendig, weil statt der konventionellen bergmännischen Bauweise eine Tunnelvortriebsmaschine eingesetzt werden soll.

Am 5. März 2013 gibt der Aufsichtsrat der Bahn grünes Licht für den Weiterbau von Stuttgart 21. Der Finanzierungsrahmen wird um zwei auf 6,5 Milliarden Euro erhöht. Die Bahn kündigt an, eine Beteiligung der Projektpartner an den Mehrkosten notfalls vor Gericht durchzusetzen.

19. Juli 2013: Offizieller Anstich des ersten S21-Tunnels für die ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Der Steinbühltunnel am Albaufstieg bei Hohenstadt südöstlich von Stuttgart soll 4,8 Kilometer lang werden.

23. Juli 2013: Das Bahnprojekt Stuttgart 21 wird wahrscheinlich erst 2022 und damit ein Jahr später als geplant fertig. Bahnvorstand Volker Kefer teilt das nach einer Sitzung der Projektpartner mit.

5. September 2013: Die Deutsche Bahn gründet eine neue Projektgesellschaft. Sie soll helfen, die Mehrkosten beim Milliardenprojekt Stuttgart 21 einzudämmen und den Zeitplan einzuhalten. Damit wechselt die Verantwortung für Stuttgart 21 von Bahn-Infrastrukturvorstand Volker Kefer auf den Wirtschaftsingenieur Manfred Leger, den Chef der Projektgesellschaft.

12. September 2013: Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen zum "Schwarzen Donnerstag" (30. September 2010) abgeschlossen. Das Ergebnis nach 2.300 Ermittlungsverfahren: 12 Strafbefehle gegen Polizisten und 532 gegen Projektgegner.

18. Oktober 2013: Zwei Jahre nach der Niederlage bei der Volksabstimmung planen die Gegner von S21 zwei neue Bürgerbegehren. Die beiden Initiativen namens "Storno 21" und "Leistungsrückbau S21" beginnen Unterschriften dafür zu sammeln.

5. Dezember 2013: Spatenstich für den ersten Tunnel in der Landeshauptstadt: Er soll 350 Millionen Euro kosten und heißt "Beate-Tunnel", wie seine Patin Beate Dietrich, die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Wangen.

2014: Tunnelanstiche, Ermittlungen gegen Mappus, Wasserwerfer-Prozess

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mappus

März 2014: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt gegen Baden-Württembergs früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage im Zusammenhang mit einem harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner. Mappus weist die Vorwürfe zurück.

Stefan Mappus (Archiv)
Stefan Mappus (Archiv)

21. März 2014: Der zweite Tunnel für das Bahnprojekt Stuttgart 21 in der Landeshauptstadt wird angestochen. Der Tunnel Bad Cannstatt ist Teil eines überwiegend unterirdischen Schienenrings. Er soll von der geplanten Neckarbrücke unter dem Rosensteinpark und dem Nordbahnhof zum neuen Stuttgarter Tiefbahnhof führen. Tunnelpatin ist Simone Herrmann, Ehefrau von Regionalpräsident Thomas Bopp.

Tunneltaufe mit Simone Herrmann und Bahnchef Rüdiger Grube
Tunneltaufe mit Simone Herrmann und Bahnchef Rüdiger Grube

9. Mai 2014: Fast vier Jahre nach dem "Schwarzen Donnerstag" versucht ein Landtags-Untersuchungsausschuss zum zweiten Mal, die Umstände des harten Polizeieinsatzes gegen Stuttgart-21-Gegner zu klären. Das Gremium kommt in Stuttgart erstmals in öffentlicher Sitzung zusammen. Vor allem stellt sich die Frage nach politischer Einflussnahme auf die Polizeikräfte am 30. September 2010, die ungewöhnlich massiv gegen die Demonstranten im Schlossgarten vorgegangen waren.

Tunnelanstiche und Wasserwerfer-Prozess

23. Juni 2014: Der fast sechs Kilometer lange Albabstiegstunnel ist eines der letzten großen Teilstücke auf der Neubaustrecke von Stuttgart 21 über Wendlingen nach Ulm. Gerlinde Kretschmann, Ehefrau von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), tauft den Tunnel.

24. Juni 2014: Knapp vier Jahre nach dem Wasserwerfer-Einsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten im Schlossgarten startet der Prozess. Vor dem Landgericht müssen sich zwei Polizisten verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen fahrlässige Körperverletzung im Amt vor.

25. Juni 2014: Polizisten sagen im Wasserwerfer-Prozess, dass der Einsatz aus dem Ruder gelaufen sei. Die Anweisungen seien vom damaligen Polizeichef gekommen.

10. Juli 2014: Baubeginn am Fildertunnel. Er soll den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof mit dem Flughafen und der Landesmesse verbinden.

Letzte Arbeiten am Bohrkopf vor dem Beginn der Bauarbeiten am Fildertunnel
Letzte Arbeiten am Bohrkopf vor dem Beginn der Bauarbeiten am Fildertunnel

30. Juli 2014: Das Staatsministerium kämpft vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim darum, Mappus' E-Mails lesen und speichern zu dürfen. Der baden-württembergische Landtag erhofft sich so neue Erkenntnisse über den Polizeieinsatz am "Schwarzen Donnerstag".

4. August 2014: Mappus' E-Mails bleiben unter Verschluss. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim entscheidet, dass das Land Baden-Württemberg aus Datenschutzgründen keine Einsicht in Mappus' E-Mails bekommt. Die Richter bestätigen damit ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Karlsruhe aus dem Vorjahr.

5. August 2014: Baustart für das Herzstück des Projekts, den eigentlichen Tiefbahnhof. Laut Bahn soll er Ende 2021 in Betrieb gehen.

7. August 2014: Archäologen finden Sandsteinplatten in der S21-Baugrube. Spätere Untersuchungen ergeben, dass sie zu einem Entwässerungskanal aus dem 17. Jahrhundert gehören.

Ausgrabungen beim Bahnhofumbau Stuttgart 21
Ausgrabungen beim Bahnhofumbau Stuttgart 21

18. August 2014: Das Eisenbahnbundesamt (EBA) startet eine Untersuchung des Grundwassersystems von Stuttgart 21. Im Vorfeld hatten S21-Gegner kritisiert, dass rostiges Wasser aus den Metallrohren in Neckar und Boden geleitet wird. In Wasserproben haben sie erhöhte Eisenwerte gemessen und eine Anzeige wegen möglicher Umweltstraftaten erstattet. Die Untersuchung läuft drei Monate lang.

27. August 2014: Im Wasserwerfer-Prozess berichtet ein Staffelführer der Polizei, dass ein Stuttgart-21-Gegner fast von einem Wasserwerfer überrollt worden wäre. Laut der Aussage des Polizisten ist er unter das Fahrzeug gekrochen, wahrscheinlich um den Reifen zu beschädigen. Ein Beamter konnte den Wasserwerfer gerade noch rechtzeitig stoppen.

3. September 2014: Ein als Zeuge geladener Oberkommissar verweigert seine Aussage im Wasserwerfer-Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht. Die Richterin gesteht ihm dies zu, weil der 52 Jahre alte Beamte aus Ulm sich selbst belasten könnte.

5.500 Einwände gegen den Flughafenbahnhof

22. September 2014: Die S21-Bauherrin Deutsche Bahn muss sich 5.500 Einwänden gegen ihre Planungen auf den Fildern stellen. Bei der Erörterung haben Umweltverbände, Träger öffentlicher Belange wie Landratsämter und Privatleute die Gelegenheit, ihre Fragen und Kritik zum geplanten Filderbahnhof, zum Mischverkehr von S-Bahn, Regional- und Fernzügen und zu Eingriffen in die Natur anzubringen. Unter Leitung des Regierungspräsidiums Stuttgart werden die Themen an mehreren Verhandlungsterminen diskutiert. Das Regierungspräsidium erstellt dann einen Bericht für die Genehmigungsbehörde, das Eisenbahnbundesamt (EBA) in Bonn. Der Flughafenbahnhof soll ab 2021 den Stuttgarter Hauptbahnhof mit dem Flughafen in acht Minuten verbinden.

Der S-Bahn-Halt unter dem Landesflughafen Stuttgart-Echterdingen (Archiv)
Der S-Bahn-Halt unter dem Landesflughafen Stuttgart-Echterdingen (Archiv)

20. Oktober 2014: Die Flughafenanbindung ist ein zentraler Punkt beim Bahn-Projekt Stuttgart-Ulm. Auf welcher Trasse sollen Züge den geplanten Filderbahnhof anfahren? Nach erneuter Kritik an den Plänen der Bahn steht diese Frage im Fokus der Lenkungskreissitzung. Im festgefahrenen Streit über die beste Variante des Filderbahnhofs soll jetzt der Bund vermitteln.

Im Filderbahnhof (rot) sollen Fern- und Regionalzüge auf dem Weg von Stuttgart nach Ulm halten - im S-Bahnhof (grün) neben den S-Bahnen auch Züge aus Böblingen, Horb und Zürich.
Im Filderbahnhof (rot) sollen Fern- und Regionalzüge auf dem Weg von Stuttgart nach Ulm halten - im S-Bahnhof (grün) neben den S-Bahnen auch Züge aus Böblingen, Horb und Zürich.

26. November 2014: Enttäuschung für die Opfer des "Schwarzen Donnerstags": Der Stuttgarter Wasserwerferprozess endet mit einer Geldstrafe für die beiden Angeklagten. Die Polizeiführer müssen je 3.000 Euro an eine Kinderkrebsstiftung zahlen. Ihnen war fahrlässige Körperverletzung im Amt vorgeworfen worden. Das Landgericht Stuttgart hatte die Einstellung des Verfahrens selbst vorgeschlagen. In dem seit Juni laufenden Verfahren sei nur eine geringe Schuld der beiden angeklagten Polizeiführer zu erkennen gewesen. Gegner des Bahnprojekts S21 sprechen von einem "Justizskandal".

27. November 2014: Der technische Geschäftsführer für die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm verlässt das Milliardenprojekt. Nach Angaben der Bahn wird Stefan Penn nach dreieinhalb Jahren als Technik-Chef Anfang 2015 aus dem Unternehmen ausscheiden. Mit Penn verlässt eine weitere Führungskraft das Planungsteam für Stuttgart 21. Zuvor war bereits der für den Bahnhofstrog zuständige Bauleiter gegangen.

8. Dezember 2014: 250. Montagsdemo gegen S21. Die Jubiläumsveranstaltung darf nach einem Gerichtsbeschluss vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof stattfinden. Um ein Verkehrschaos zu vermeiden, wollte die Stadt die 250. Auflage in eine Seitenstraße verlegen, scheiterte aber vor Gericht. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim verwies dabei auf die besondere Bedeutung der Jubiläumsveranstaltung. Nach Veranstalterangaben versammeln sich noch einmal 7.000 Menschen, die unter dem Motto "Köpfchen zeigen, oben bleiben" vor dem Hauptbahnhof protestieren.

2015: Drittes Gleis für Flughafen-Bahnhof, Skelette gefunden

4. Februar 2015: Der Verein "Bahnprojekt Stuttgart - Ulm" hat einen neuen Leiter. Der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Georg Brunnhuber macht jedoch nicht wie sein Vorgänger Wolfgang Dietrich die Pressearbeit für das gesamte Projekt - das will die Bahn wieder selbst übernehmen.

Die Variante "drittes Gleis" für den Filderbahnhof
Die Variante "drittes Gleis" für den Filderbahnhof

6. März 2015: Die S21-Projektpartner einigen sich auf ein für den Flughafen-Bahnhof. Kosten: zwischen 80 und 120 Millionen Euro. Vom Tisch ist damit der näher an das Terminal herangerückte Filderbahnhof Plus parallel zum S-Bahnhof.

17. März 2015: Nach einem Jahr Ermittlungen steht für die Staatsanwaltschaft Stuttgart fest: Ex-Regierungschef Stefan Mappus (CDU) hat keinen Einfluss auf den S21-Baggereinsatz am Stuttgarter Hauptbahnhof genommen. Die Ermittlungen gegen ihn sind beendet. Der Abriss des Nordflügels 2010 markierte die ersten sichtbaren Bauarbeiten für den Tiefbahnhof Stuttgart 21.

18. März 2015: Der frühere Stuttgarter Polizeipräsident Siegfried Stumpf akzeptiert einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung beim harten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner am 30. September 2010. Er hatte den Einsatz am "Schwarzen Donnerstag" geleitet.

Mit der Annahme des Strafbefehls ist Ex-Polizeipräsident Stumpf vorbestraft
Mit der Annahme des Strafbefehls ist Ex-Polizeipräsident Stumpf vorbestraft

4. Mai 2015: Das Nein zu einem Bürgerbegehren gegen das Bahnprojekt ist rechtens. Nach dem Verwaltungsgericht Stuttgart bestätigt das auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim. Die Kläger hielten die Finanzierung des Milliardenprojekts für verfassungswidrig, weil sich Stadt, Land und Bund in Form der Deutschen Bahn gemeinsam beteiligen. Im Juli lehnt der Stuttgarter Gemeinderat zwei weitere Anträge auf Bürgerbegehren ab.

3. Juli 2015: Das Kanzleramt hat 2013 offenbar den Weiterbau von Stuttgart 21 beeinflusst. Das belegen . Demnach soll Druck auf Bahn-Aufsichtsratsmitglieder ausgeübt worden sein. Der Aufsichtsrat hatte 2013 zugestimmt, den Kostenrahmen von S21 von 4,5 auf 6,5 Milliarden Euro zu erhöhen.

8. Juli 2015: Baustart für den vom Stuttgarter Hauptbahnhof nach Feuerbach und Cannstatt. Ende 2017 soll er fertig sein.

1. August 2015: Archäologischer Fund bei den S21-Bauarbeiten im Mittleren Schlossgarten Stuttgart: werden in drei Gräbern entdeckt. Nach Angaben des Regierungspräsidiums könnten sie bis zu 7.500 Jahre alt sein.

Bauarbeiter stießen auf drei Skelette
Bauarbeiter stießen auf drei Skelette

10. August 2015: Der Untersuchungsausschuss Schlossgarten II darf E-Mails von Ex-Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) lesen, die im Zusammenhang mit dem Wasserwerfer-Polizeieinsatz zur Räumung des Stuttgarter Schlossgartens 2010 stehen. Das entscheidet der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof. Der Landtags-Ausschuss möchte herausfinden, ob Politiker den Einsatz beeinflussten, bei dem laut Innenministerium 160 Menschen verletzt worden waren.

3. November 2015: Die Bahn erwägt nach jahrelangen Debatten um Brandschutz und Fluchtwege im Stuttgart-21-Tiefbahnhof, die acht Flucht-Treppenhäuser an die Enden der Bahnsteige zu verlegen.

18. November 2015: Das Verwaltungsgericht Stuttgart erklärt den Wasserwerfer-Einsatz gegen die Demonstranten 2010 für rechtswidrig. Beim Protest gegen die Baumrodungen im Schlossgarten habe es sich rechtlich gesehen um eine vom Grundgesetz besonders geschützte Versammlung gehandelt. Die Polizei habe "mit Kanonen auf Spatzen geschossen". Daraufhin entschuldigt sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei den Opfern, von denen einige Entschädigungen zugesprochen bekommen.

6. Dezember 2015: Die Stuttgart-21-Gegner gehen zum 300. Mal auf die Straße.

2016: Neue Koalition, Prüfbericht, Grundsteinlegung

2. Mai 2016: Die grün-schwarze Koalition präsentiert ihren Koalitionsvertrag, in dem es zu Stuttgart 21 heißt: In Gesprächen mit der Bahn hält das Land an dem Ziel fest, sich nicht über die zugesagten 930 Millionen Euro hinaus an dem Vorhaben zu beteiligen.

Thomas Strobl (CDU) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) präsentieren den ersten Grün-Schwarzen Koalitionsvertrag
Erster grün-schwarzer Koalitionsvertrag

15. Juni 2016: Der Rückzug des Bahn-Managers Volker Kefer, der für Stuttgart 21 verantwortlich zeichnet, wird bekannt. Die Ankündigung des Infrastrukturvorstandes, seinen Vertrag nicht verlängern zu wollen, wird von den Stuttgart-21-Gegnern als "Eingeständnis des Scheiterns" interpretiert. Kefer war mit deutlicher Kritik aus dem Bahn-Aufsichtsrat konfrontiert, der sich über zu späte Information über Kostensteigerungen und Bauverzögerungen beklagt.

5. Juli 2016: Es geraten Inhalte des Prüfberichts des Bundesrechnungshofes zu Stuttgart 21 an die Öffentlichkeit. Danach könnte das Vorhaben bis zu zehn Milliarden Euro kosten.

Grundsteinlegung für den Tiefbahnhof
Grundsteinlegung für den Tiefbahnhof

16. September 2016: Die Bahn feiert die Grundsteinlegung für den Tiefbahnhof von Stuttgart 21. Es ist der symbolische Start für die riesige Betonplatte für den zwölf Meter tiefen Durchgangsbahnhof. Die 400 Meter lange und 80 Meter breite Fläche ist Basis für die Gleise und die Bahnsteige. Für Bahnchef Grube ist dieser Tag "ein deutliches Zeichen, dass das Projekt unumkehrbar ist". Grüne Spitzenpolitiker blieben dem Akt fern.

Dezember 2016: Ein geht davon aus, dass der Tunnelbau in der schwierigen Geologie Stuttgarts riskanter ist, als bisher angenommen. Grund dafür ist der so genannte Anhydrit, eine Art Gipsschicht, die, wenn sie mit Wasser in Berührung kommt, zu quellen beginnt. Demnach könnten auch immer wieder Sanierungen nach der Inbetriebnahme der Tunnel nötig werden.

23. Dezember 2016: Die Bahn reicht Klage gegen ihre Projektpartner ein. Das Land Baden-Württemberg, die Stadt und der Verband Region Stuttgart sowie der Landesflughafen sollen sich nach Ansicht der Bahn an den voraussichtlichen Mehrkosten von zwei Milliarden Euro zu 65 Prozent beteiligen. Seinen Anspruch begründet der Konzern nach eigenen Angaben mit einer sogenannten Sprechklausel. Die Türen stünden aber noch immer für eine außergerichtliche Einigung offen.

26. Dezember 2016: Die S21-Gegner Dietrich Wagner und Daniel Kartmann nehmen die Entschädigungsangebote des Landes Baden-Württemberg an. Beide waren Opfer des Wasserwerfer-Einsatzes am "Schwarzen Donnerstag" am 30. September 2010 und wurden schwer am Auge verletzt. Kartmann sagte, es sei ihm nicht um das Geld gegangen, sondern um eine Entschuldigung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Wagner war es wichtig, dass "das Ganze mal befriedet und vorbei ist."

Opfer des "Schwarzen Donnerstag": Rentner Dietrich Wagner.
Opfer des "Schwarzen Donnerstag": Rentner Dietrich Wagner.

2017: Halbzeit beim Tunnelbau, Neuer Lenkungskreis-Chef

28. März 2017: Mit 60 Kilometern sind die Hälfte aller Tunnel vorgetrieben und ausgehoben. Insgesamt werden für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm rund 120 Kilometer Tunnel gebaut. Für Stuttgart 21 sind laut Bahn 26 Kilometer vorgetrieben. Für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm sind bereits 34 Kilometer Vortrieb und Aushub erfolgt.

Der Tunneldurchschlag in Obertürkheim markierte die Halbzeit beim Tunnelbau
Der Tunneldurchschlag in Obertürkheim markierte die Halbzeit beim Tunnelbau

April 2017: Der frühere Kanzleramtsminister und neue Infrastrukturvorstand der Bahn, Ronald Pofalla, übernimmt den S21-Lenkunskreis. Damit löst er den langjährigen Bahnmanager Volker Kefer ab, der das Unternehmen Ende 2016 verlassen hatte.

27. Oktober 2017: Pofalla gibt bekannt, dass bislang ein Terminverzug von 24 Monaten im Projekt entstanden sei. Die Bahn will deshalb Kosten und den Zeitplan von Gutachtern überprüfen lassen. Im Dezember soll das Ergebnis der Expertise vorliegen.

8. November 2017: Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) befürchtet, dass es Verzögerungen bei der Flughafenanbindung geben könnte. Es könnte Planänderungen geben, die auch Auswirkungen auf den Anschluss an die Gäubahn hätten.

29. November 2017: Die Bahn gibt bekannt, dass sie nun einen Kostenrahmen von 7,6 Milliarden Euro für das umstrittene Projekt erwartet - bislang waren es 6,5 Milliarden Euro. Die Fertigstellung verzögert sich außerdem auf Ende 2024.

2018: Streit um Flughafen-Anbindung, erneut Mehrkosten

8. Januar 2018: Die Deutsche Bahn will weniger Fernzüge am Flughafenbahnhof in Stuttgart halten lassen als ursprünglich vereinbart. Eine verbindliche Planung für den Fernverkehr erfolge aber erst zwei Jahre vor Inbetriebnahme neuer Verbindungen. Für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist dies nicht akzeptabel. Er verweist auf die Volksabstimmung.

Erneut kommt es zu einer Kostensteigerung bei S21.
Erneut ist es zu einer Kostensteigerung bei S21 und zu Zeitverzögerungen gekommen.

26. Januar 2018: Das Bahnprojekt wird nochmals teurer als zuletzt kalkuliert. Der Aufsichtsrat der Bahn stimmt in Berlin einem größeren Finanzrahmen für Stuttgart 21 zu. Die eigentlichen Kosten belaufen sich nach einem neuen Gutachten durch externe Experten auf rund 7,7 Milliarden Euro. Zusätzlich ist ein Finanzpuffer von 495 Millionen Euro für "unvorhergesehene Ereignisse" eingeplant - also insgesamt 8,2 Milliarden. 2025 ist als Eröffnungstermin angedacht.

20. April 2018: Eine Aussage sorgt für Aufregung: "Mit dem Wissen von heute würde man das Projekt nicht mehr bauen", sagt Bahnchef Richard Lutz in einer internen Sitzung. Es war allerdings nicht absehbar, auf welchen Kosten die Bahn sitzenbleibt. Dennoch betont Lutz, dass es wirtschaftlicher sei, das Projekt fortzuführen als es abzubrechen.

17. September 2018: Die Hälfte der Bauarbeiten ist geschafft - wenn alles gut geht. 2010 wurde mit dem Bau von Stuttgart 21 begonnen, Ende 2025 soll es abgeschlossen sein. Man liege im Zeitplan, versichert die Bahn.

21. September 2018: Ende September wird es absehbar: Reisende des bisherigen Stuttgarter Hauptbahnhofes müssen ab 2020 in Container ausweichen. Im Gespräch ist ein dreistöckiger Containerbau mit 1.200 Quadratmetern zwischen dem Nordeingang des Bahnhofs und dem Gebäude der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Geschäfte wie in der derzeitigen Schalterhalle wird es wohl nicht geben. 

Kelchstütze
28 dieser Kelchstützen sollen den Bahnhof einmal prägen.

20. Oktober 2018: Die erste der markanten Kelchstützen wird in Beton gegossen. 100 Betonmischer-Ladungen fließen in neun Stunden in das Dachteil. 28 dieser trichterförmigen Stützen sollen einmal als besonderer architektonischer Blickfang den Bahnhof schmücken.

16. November 2018: Der erste trichterförmige Koloss aus Beton ist freigelegt. Die vorgestellte Stütze gleicht in ihrem Inneren einem 3D-Puzzle: Sie besteht aus 22.000 einzelnen Stahlstreben.

4. Dezember 2018: Er gilt als einer der strategisch wichtigsten Punkte für das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm. Die Bauarbeiten zum Tunnel am Rosensteinpark beginnen.

2019: Erste Kelchstützen, Verwirrung um den Deutschlandtakt, tote Bäume

30. Januar 2019: Es galt lange Zeit als Sorgenkind im Bauprozess: die Untertunnelung des Gebäudes der alten Bundesbahndirektion. Einen Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes - rund 50 Millionen Euro günstiger - hatte die Stadt abgelehnt. Für den kritischsten Prozess bekam der historische Bau einen Untergrund aus unzähligen kleinen Pfählen. Schließlich konnte die endgültige Betonplatte verlegt und das Ergebnis mit einiger Erleichterung verkündet werden.

31. Januar 2019: Tierisch schlechte Nachrichten: Nachdem die Bahn jahrelang vergeblich nach Ausweichflächen für tausende geschütze Mauereidechsen gesucht hatte und auch darüber nachdachte, die Tiere an private Halter zu vermitteln, beantragt sie nun beim Eisenbahnbundesamt Ausnahmegenehmigungen vom Artenschutz.

27. Februar 2019: Über einer Tunnelbaustelle im Stuttgarter Kernerviertel bilden sich an einem Haus Risse. Verletzt wird niemand, aber im Mai wird schließlich entschieden, das Haus abzureißen.

S21-Baustelle von oben
Die S21-Baustelle 2018 von oben

1. März 2019: Zwischen Ober- und Untertürkheim kommt der Tunnelvortrieb ins Stocken: Auf einer Länge von etwa 300 Metern rinnt an vielen Stellen Grundwasser in den S21-Tunnel. Unter normalen Bedingungen schaffen die Ingenieure drei Meter am Tag, nun sind es nur 50 Zentimeter.

3. Mai 2019: Land und Deutsche Bahn einigen sich auf einen Finanzierungsvertrag für die "Große Wendlinger Kurve". Vor den Toren der Landeshauptstadt soll die Neckartalbahn in Richtung Reutlingen/Tübingen nun doch kreuzungsfrei an die gerade entstehende Neubaustrecke Stuttgart-Ulm und den neuen Stuttgarter Hauptbahnhof angeschlossen werden. Über den Engpass wurde zuvor lange diskutiert.

8. Mai 2019: Er sorgte für dutzende Verletzte und löste einen jahrelangen Rechtsstreit aus. Der "Schwarze Donnerstag" am 30. September 2010 mit einem großen Polizeieinsatz und Demonstrationen kommt an den Europäischen Gerichtshof. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bittet um die Klärung von Detailfragen, wann und wie interne Mitteilungen einer Behörde geschützt sind. Kritiker von Stuttgart 21 verlangen vom Land Baden-Württemberg schon längere Zeit die Herausgabe mehrerer Dokumente, um mehr über den Polizeieinsatz herauszufinden.

7. Juni 2019: Wieder stellt sich die Kostenfrage. Wegen Preissteigerungen im Baubereich wird öffentlich, dass die Bahn einen Risikopuffer von rund einer halben Milliarde Euro nutzen möchte. Sie versichert aber, dass es bei den veranschlagten Gesamtkosten von 8,2 Milliarden Euro bleiben soll.

18. Juni 2019: Recherchen des SWR belegen: Stuttgart 21 kann den sogenannten Deutschlandtakt nicht einhalten. Dieser sieht vor, dass im Fernverkehr zwischen den Großstädten künftig alle 30 Minuten ein Zug fährt. Der Zielfahrplan Baden-Württemberg zeigt jedoch, dass der neue Bahnknoten Stuttgart einen integrierten Taktverkehr nach Schweizer Vorbild im Südwesten nicht zulässt. Der Tiefbahnhof mit acht Gleisen ist zu klein, um zum Beispiel Großstädte wie Nürnberg und Zürich im Halbstundentakt anzufahren. Bahn und Bundesverkehrsministerium widersprechen allerdings. Die Kapazität des Bahnhofs sei geprüft und bestätigt worden. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann plädiert daraufhin für eine Art zusätzlichen "Kopfbahnhof Light", zum Beispiel für Regionalverbindungen.

5. Juli 2019: Im Rahmen der Bauarbeiten für S21 wurden 84 Bäume umgepflanzt. Das ging nicht immer gut. Ein Fünftel ist eingegangen, bilanziert das Verkehrsministerium in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen.

Bäume auf S21-Baustelle
Nicht jeder Baum überlebte die Verpflanzung.

1. August 2019: Die Bundesregierung bestätigt, dass es bei Stuttgart 21 mit dem Zielfahrplan 2030 in der Landeshauptstadt zum Teil lange Umsteigezeiten geben wird. Für einige Verbindungen mit Großstädten wird es den im Rahmen des "Deutschlandtaktes" versprochenen 30-Minuten-Takt von Stuttgart aus nicht geben, weil die Anzahl der geplanten Gleise des Tiefbahnhofes nicht ausreichen. Betroffen sind die Verbindungen von Stuttgart nach Dresden, Nürnberg, Bonn, Braunschweig, Aachen und Chemnitz.

14. August 2019: Es ist der letzte Tag für die Geschäfte im Bonatzbau, viele von ihnen müssen schließen, weil jetzt auch die Bahnhofshalle umgebaut wird.

9. September 2019: Die Bohrarbeiten an dem 9,5 Kilometer langen Fildertunnel sind nach fünf Jahren abgeschlossen, die letzten Meter werden konventionell mit Bagger und Meißel geschlagen. Der Fildertunnel ist der längste Tunnel des Bahnprojektes Stuttgart 21 und verbindet den zukünftigen Tiefbahnhof mit der Filderebene.

19. September 2019: Beim Regierungspräsidium Stuttgart beginnt eine Reihe von Enteignungsverfahren. Zehn Grundstücksbesitzer wollen nicht, dass der Tunnel für Stuttgart 21 unter ihrem Grundstück durchführt und wehren sich gegen die angebotene Entschädigungssumme. Laut Regierungspräsidium ist es rechtlich gesehen durch den Planfeststellungsbeschluss jedoch unstrittig, dass die Bahn die S21-Tunnel bauen darf. Die Begründung: Gemeinwohl gehe vor Einzelinteresse. 

Protest gegen S21 bei Montagsdemo
Der Protest gegen Stuttgart 21 reißt nicht ab. Auch zehn Jahre nach der ersten Demo waren am 7. Oktober 2019 wieder viele Menschen auf der Straße.

7. Oktober 2019: Mit einer Kundgebung begehen die Organisatoren der Montagsdemonstrationen gegen Stuttgart 21 den zehnten Jahrestag ihrer Proteste. Sie fordern weiter einen Baustopp und den Umstieg auf ein alternatives Konzept.

14. Oktober 2019: 19 Bürgermeister im Kreis Böblingen schreiben einen Brandbrief an Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Darin schildern sie, dass sie "mit Sorge die Entwicklungen an unserer Bahn- und Autobahninfrastruktur sehen." Sie befürchten, dass es einen Verkehrsinfarkt gibt, wenn die A81 ausgebaut wird und gleichzeitig im Zuge der S21-Bauarbeiten die Gäubahn gekappt und in Vaihingen enden wird.

17. Oktober 2019: Die Deutsche Bahn kann am S21-Halt am Stuttgarter Flughafen weiterbauen, nachdem das Eisenbahnbundesamt Sofortvollzug angeordnet hat. Im Juli 2016 hatte die Bahn schon einmal einen Planfeststellungsbeschluss für diesen Abschnitt, doch dann gingen die Gegner vor Gericht. Der Flughafenhalt soll zusammen mit dem Tiefbahnhof im Jahr 2025 in Betrieb gehen.

11. November 2019: Bei einem Treffen der Projektpartner des Bahnprojekts Stuttgart 21 wird bekannt, dass es Probleme bei der Digitalisierung des Bahnknotens gibt. Angeblich gibt die Bundesregierung die im Bundeshaushalt vorgesehenen Gelder für die Digitalisierung noch nicht frei. Es geht um eine dreistellige Millionensumme. Der neue Tiefbahnhof darf aber nicht mit alter Signaltechnik an den Start gehen, so der dringende Appell von Bahn, Land, Stadt, Region Stuttgart und Flughafen. Mit digitaler Signaltechnik könnten Züge in kürzeren Abständen den Bahnhof passieren. Spätestens im Frühjahr 2020 müsse das Geld aus Berlin da sein, denn dann soll die Signaltechnik für den Bahnknoten bestellt werden, so die Projektpartner.

2. Dezember 2019: Taucher bereiten auf der S-21-Baustelle schwierige Betonarbeiten im Wasser vor. Beim Bau des Tiefbahnhofs gibt es nämlich eine große Herausforderung: Unter dem Tiefbahnhof verläuft der Nesenbach, der seit Jahrzehnten unterirdisch durch die Stuttgarter Innenstadt fließt. Der sogenannte Nesenbach-Düker, in dem das Bachwasser kanalisiert wird, muss für die S21-Arbeiten verlegt und eine neue Trassenführung erstellt werden. Weil aber unter dem neuen Weg des Nesenbachs eine rund acht Meter dicke Gesteinsschicht ist, unter der wiederum das Stuttgarter Mineralwasser nach oben drückt, soll diese Gesteinsschicht mit Beton verstärkt werden. Um dem Druck aus dem Mineralwasser entgegenzuwirken, ist die darüberliegende S21-Baustelle geflutet worden. Die Industrietaucher erledigen die Betonarbeiten unter Wasser.

6. Dezember 2019: Nach einem Vergleich vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim wird S21-Kritikern das Recht zugesprochen, Planungsunterlagen für den unterirdischen Bahnhof einzusehen. Ingenieure unter den S21-Kritikern hatten Einsicht in die Planungsunterlagen zum Brandschutz verlangt, die ihnen zunächst verweigert worden war.

12. Dezember 2019: Nach fünf Jahren Bauzeit ist der Bahntunnel bei Denkendorf (Landkreis Esslingen) fertiggestellt. Der 786 Meter lange Tunnel ist Teil der Neubaustrecke Stuttgart - Ulm und führt quer unter der A8 durch.

13. Dezember 2019: Eine Gruppe von S21-Gegnern reicht beim baden-württembergischen Landtag eine Petition ein. Sie will erreichen, dass die Bausicherheit, vor allem beim Brandschutz, überprüft wird. Man wolle regelmäßig belastbare Auskünfte der Landesregierung zum bestehenden Brandschutzkonzept, heißt es in der Begründung. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sieht sich jedoch nicht in der Verantwortung und verweist darauf, dass die Bahn Bauherr sei. Die entsprechenden sicherheitstechnischen Genehmigungen würden vom Eisenbahnbundesamt erteilt.

2020: Besucherrekord auf der Baustelle, Sorge um Mauereidechsen

5. Januar 2020: An den "Tagen der offenen Baustelle" besuchen an drei Tagen insgesamt 64.000 Besucher die S21-Baustelle. Das sind deutlich mehr als in den Vorjahren, als im Schnitt 30.000 Menschen die Baustelle besichtigten.

Luftaufnahme eines städtischen Geländes mit zahlreichen Gleisen
So sieht das potenzielle Gelände für den S21-Abstellbahnhof in Untertürkheim aus. Wie die Aspekte Lärm und Artenschutz beachtet werden können, steht noch aus.

15. Januar 2020: Der Bau des geplanten S21-Abstellbahnhofs in Stuttgart-Untertürkheim rückt in den Fokus der Öffentlichkeit. Bei einem Erörterungstermin sprechen Gegner und Befürworter des Abstellbahnhofs mit Experten vor allem über die Themen Lärm und Artenschutz. Zur geplanten Abstellanlage auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs gehören 27 Abstellgleise sowie Hallen zur Reinigung, Wartung und Betankung. Doch eine Genehmigung fehlt der Bahn bisher. Anwohner haben 370 Einwendungen eingereicht. Auf dem Gelände leben schätzungsweise 6.000 streng geschützte Mauereidechsen, die möglicherweise umgesiedelt werden müssen.

1. Februar 2020: Zehn Jahre nach dem offiziellen Baubeginn für das Großprojekt Stuttgart 21 wird die siebte Kelchstütze in der Landeshauptstadt betoniert. 22.000 Armierungseisen müssen dafür millimetergenau pro Bauwerk eingepasst werden. Künftig soll das Bahnhofsdach auf insgesamt 28 solcher Kelchstützen ruhen.

3. Februar 2020: Die 500. Montagsdemonstration gegen Stuttgart 21 findet statt und zieht tausende Gegner auf die Straße. Laut den "Parkschützern" kommen 4.000 Teilnehmer vor den Stuttgarter Hauptbahnhof. Am 26. Oktober 2009 war es noch ein überschaubares Grüppchen, das protestierte, mit den regelmäßigen Montagsdemos 2010 wurden es dann immer mehr. Nach dem "Schwarzen Donnerstag" am 30. September 2010 erreichte die Bewegung ihren Höhepunkt. Selbst wenn der Protest im Vergleich dazu inzwischen stark nachgelassen hat, finden nach wie vor jeden Montag Demonstrationen gegen das Milliardenprojekt der Bahn statt.

11. Februar 2020: Die erste Röhre des über neun Kilometer langen Fildertunnels ist durchgeschlagen. Sie verbindet den neuen Tiefbahnhof des Milliardenprojekts Stuttgart 21 mit dem Stuttgarter Flughafen. Ein weiteres Etappenziel von Stuttgart 21 ist damit erreicht. Die Arbeiten dauerten 15 Monate.

17. Februar 2020: Noch ein wichtiger Tunnel kann fertiggestellt werden - der unter dem Stuttgarter Rosensteinpark. Er stellt die Verbindung zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und der neuen Neckarbrücke in Bad Cannstatt dar. Der Bau des 3,5 Kilometer langen Tunnels hatte sich verzögert, da an besagter Stelle an sechs Bäumen der streng geschützte Juchtenkäfer vermutet wurde. Schließlich erteilte die Europäische Union die Ausnahmegenehmigung zum Fällen der Bäume. Dabei wurde der Juchtenkäfer nicht gefunden.

Ein Juchtenkäfer auf der Hand
Nicht nur Eidechsen machen es der Bahn beim Bauprojekt Stuttgart 21 schwer - auch die kleinen Juchtenkäfer verzögerten die Bauarbeiten kurzzeitig.

22. Februar 2020: Der ehemalig Ministerpräsident von Baden-Württemberg Günther Oettinger hält das Bahnprojekt Stuttgart 21 trotz der ernormen Kostenexplosion nicht für zu teuer. "Das wird mal die zentrale Verkehrsinfrastruktur Baden-Württembergs werden", sagte Oettinger der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. "Der Flughafen wird's nie werden. Die Autobahn wird immer ein Problem sein. Die Schiene wird Weltklasse werden," so Oettinger. Er hatte 2009 als Ministerpräsident des Landes den Finanzierungsvertrag für Stuttgart 21 unterzeichnet. Statt der geplanten 4,5 Milliarden Euro sind es zu diesem Zeitpunkt bereits 8,2 Milliarden Euro.

15. März 2020: Die Corona-Pandemie legt das öffentliche Leben lahm - und vorerst auch die Montagsdemonstrationen des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. Doch die Gegner protestieren weiter - und zwar digital. "Oben Bleiben TV" geht im Internet online. Ausgestrahlt werden die Beiträge immer um 18 Uhr, also zur Zeit der sonst üblichen Demo.

25. April 2020: Das Coronavirus gefährdet nicht nur die Proteste gegen das Bauprojekt, sondern auch die Bauarbeiten für Stuttgart 21. Nachdem das Virus unter den Bauarbeitern ausgebrochen war, verhängt die Stadt Quarantäne. Während die Stadt an diesem Samstag im April für das eine Wohnheim Entwarnung geben konnte - 31 Kontaktpersonen des Infizierten waren negativ getestet worden und durften zurück auf die Baustelle - mussten in einem anderen Wohnheim 43 Bauarbeiter in Schutzunterkünfte. 19 von ihnen waren positiv auf die Viruserkrankung getestet worden. Wenige Tage davor waren Stimmen von S21-Gegnern laut geworden, die Bauarbeiten wegen des Virus gänzlich zu stoppen. Arbeiter hatten zudem die Schutzmaßnahmen vor Ort kritisiert.

6. Mai 2020: Die zweite Röhre des Fildertunnels konnte durchgeschlagen werden. Gleichzeitig schreiben S21-Kritiker einen offenen Brief an Bahnverantwortliche, den Verkehrsausschuss des Bundestages und ans Landesverkehrsministerium. Sie werfen der Bahn Manipulation bei der Brandschutzsimulation vor. Konkret sehen sie Mängel beim Fildertunnel. Dabei beziehen sie sich auf Bahnunterlagen, deren Herausgabe sie beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim eingeklagt hatten. 

Mehrere Bauarbeiter in einem Tunnel, in den ein Bagger ein Loch geschlagen hat,
Die zweite Fildertunnelröhre ist durchbrochen. Wegen der Corona-Pandemie gibt es keine Feier - dafür aber Kritik für den Brandschutz, der laut S21-Gegnern unzureichend ist.

3. Juni 2020: 23 Millionen Euro teurer - das ist die Kostenexplosion im Juni. So viel teurer wird der zweigleisige Bau der sogenannten Großen Wendlinger Kurve an der Neubaustrecke nach Ulm als im Jahr 2018 geplant. Als Grund wurden der Bau-Boom und der enge Zeitplan angeführt. "Das Land wird diese Mehrkosten übernehmen", teilte das baden-württembergische Verkehrsministerium damals mit.

18. Juni 2020: Die Flughafenanbindung von Stuttgart 21 ist freigegeben, die Bauarbeiten im Bereich des Landesflughafens können fortgesetzt werden. Umweltschützer hatten jahrelang geklagt und scheiterten schließlich in letzter Instanz vor dem Bundesverwaltungsgerichtshof in Leipzig. Der Umweltverband Nabu und die Schutzgemeinschaft Filder hatten gegen das Teilstück zur Flughafenanbindung sowie die Belastung der Ortsumfahrung Plieningen Klage erhoben. Dabei stützten sie sich auf einen Formfehler des Eisenbahnbundesamtes, welcher nachgebessert wurde.

26. Juni 2020: Der Infoturm zu den S21-Bauarbeiten am Hauptbahnhof wird eingeweiht. Der neue rund drei Millionen Euro teure Turm löst das frühere Infozentrum im Bahnhofsturm ab. Künftig sollen Interessierte hier alles rund um Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm erfahren können.

20. Juli 2020: Und wieder wird eine Röhre gefeiert - diesmal allerdings ihr Baustart statt ihrer Fertigstellung. Der Bau der zweiten Tunnelröhre am Stuttgarter Flughafen hat begonnen und wird symbolisch eingeweiht. Bereits Mitte Juni konnte der Bau der ersten Röhre nach vier Jahren Rechtsstreit mit Umweltschützern begonnen werden. Der Flughafenanschluss soll zusammen mit dem Tiefbahnhof Ende 2025 in Betrieb gehen.

25. August 2020: Der Abriss des Nordflügels am Stuttgarter Hauptbahnhof jährt sich. Zehn Jahre ist es nun her, dass Abrissbagger die ersten Steine aus dem Bonatzbau herausbrachen. Damals versuchten hunderte Polizisten die Baustelle zu sichern. Einigen Aktivisten gelang es dennoch, das Dach zu besetzen und die Abrissarbeiten für einen Tag zu unterbrechen. 

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Autor/in
SWR