Neuanfang! Wenn es anders kommt im Leben

Tod der Ehepartner: Wie Nicole und Matthias ihre neue Liebe leben

Stand
AUTOR/IN
Stefanie Meinecke
Stefanie Meinecke aus dem SWR1 Team (Foto: SWR, Stefanie Meinecke)
ONLINEFASSUNG
Dorothee Zeißig
Dorothee Zeißig aus dem SWR1 Team  (Foto: SWR)

Matthias und Nicole aus dem Enzkreis leben eine neue Liebe, eine Beziehung zu viert: Ihre Herzen sind groß genug, dass darin auch ihre Ehepartner nach deren Tod Platz haben.

Die flapsige Antwort aus der Gesellschaft ist dann: 'Jetzt hab Dich doch nicht so. Du bist doch noch jung. Du findest doch bestimmt wieder jemand.' Ja was ist das? Das ist wie ein Schlag ins Gesicht.

Matthias sieht Frau an Krebs sterben

Matthias Erbacher aus Niefern im Enzkreis ist 44, als seine Frau Karin nach langem Kampf an Krebs stirbt. Mit seinen Kindern besucht er sie am Abend ihres Todes im Hospiz.

Ich hatte den Impuls zu sagen: Wenn jeder von uns nochmal allein zu ihr möchte, dann ist das jetzt möglich. Das haben meine Kinder aufgegriffen. Es waren beide allein bei ihr. Ich war allein bei ihr. Das war der Moment des Abschieds.

Es ist Nikolaustag, als Karin stirbt. Matthias sagt, dass er danach nur noch funktioniert hat – unter anderem als alleinerziehender Vater zweier Kinder und als gelernter Schreiner und Chef eines Bestattungsinstitutes.

Nicole und Matthias auf dem Friedhof. Die beiden haben sich nach dem Tod ihrer Ehepartner kennengelernt. (Foto: SWR)

Plötzlicher Tod: Nicoles Ehepartner stirbt im Krankenhaus

Bei Nicoles Mann Andy kommt der Tod plötzlich: Er liegt wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus, als sich sein Zustand rapide verschlechtert. Nicole bekommt die Nachricht durch einen Anruf aus dem Krankenhaus.

Hab nur gedacht: 'Oh Gott, wie sag ich das jetzt unseren Jungs?' Ich musste gar nicht so viel sagen, als die mich gesehen haben, war ihnen das schon klar. Er war so präsent in dem Moment. Wir haben das alle gespürt.

In ihrem Haus in Bauschlott im Enzkreis ist Andy auch nach seinem Tod präsent. Viele Fotos an den Wänden zeigen ein offensichtlich glückliches Familienleben.

Ich spür einfach diese Präsenz. In seiner Gegenwart ist alles o.k. Er hat so viel Ruhe gehabt und so viel Gelassenheit. Ein ganz, ganz liebevolles Wesen. Das spüre ich immer noch.

Nicole und Matthias auf dem Friedhof. Die beiden haben sich nach dem Tod ihrer Ehepartner kennengelernt. (Foto: SWR)

Wie eine neue Liebe leben?

Während Nicole mit strahlenden Augen von Andy erzählt, hört Matthias ihr lächelnd zu. Die beiden haben sich nicht gesucht – aber gefunden. Beide tragen das Erlebte mit ihren jeweiligen Partnern in sich und versuchen, damit einen Neuanfang zu gestalten. Ein Neuanfang, bei dem das Alte mit dabei ist.

Relativ früh hast Du gesagt: Der Andy ist mein Mann und wird immer mein Mann bleiben. Das ist in Ordnung. Alles, was vor dem Zeitpunkt war, als wir uns getroffen haben, gehört zu uns als Person. Das muss so sein, weil uns das ausmacht.

Was ich mit meinem Mann geteilt habe, das lebt in mir weiter. Und wir teilen was miteinander, was jetzt neu ist. Es darf alles nebeneinander, miteinander, sein. Ich spüre da gar keine Konkurrenz.

Nicole und Matthias auf dem Friedhof. Die beiden haben sich nach dem Tod ihrer Ehepartner kennengelernt. (Foto: SWR)

Ihre Beziehung, sagt Nicole, sei etwas sehr besonderes. Es sei eine Beziehung 'zu viert'. Ihre Herzen sind groß, dass auch die verstorbenen Partner ihren Platz darin behalten dürfen.

Obwohl sich beide wohl in der Beziehung fühlen, haben sie nicht das Bedürfnis, ein gemeinsames Zuhause erschaffen zu müssen. Sie wollen sich mit offenen Armen empfangen, damit sich der andere wie zuhause fühlt, ohne sich beieinander einzurichten.

Umgang mit Trauer: Berge und Natur helfen

Nicole und Matthias haben sich verändert. Sie arbeitet heute selbstständig als psychologische Beraterin und Yogalehrerin, Matthias arbeitet als Coach und Begleiter in der Trauerbewältigung. Gemeinsam geben sie ihre Erfahrung aus dem erlebten Neustart an andere Paare weiter.

Erst in der Trauer um Karin, sagt Matthias, ist ihm klar geworden, was er eigentlich schon immer gespürt hat: Da läuft ganz oft was falsch bei uns im Umgang mit dem Sterben und den Trauernden.

Jetzt darfst Du trauern, aber ab einem gewissen Zeitpunkt: ’Wann wirst Du denn endlich wieder normal?’ Wenn ich das schon höre. Eure gut gemeinten Floskeln – macht Euch mal klar, was die für Auswirkungen haben. Wenn es zum Beispiel darum geht, jemand trauert um seine Großmutter, die vielleicht mit 97 gestorben ist. Und dann kommt: Sie hat doch ihr Leben gelebt, musste nicht leiden. Was ist das? Da wird die Trauer klein geredet.

Nicole und Matthias stehen auf einem Berg am Gipfelkreuz. Die beiden haben sich nach dem Tod ihrer Ehepartner kennengelernt. (Foto: Nicole Bauer und Matthias Erbacher)

Auftanken können Nicole und Matthias in der Natur! Am liebsten hoch oben in den Bergen.

Es ist wunderbar, von oben auf das ganze Gewusel zu schauen. Wo man dann sieht, wie klein manche Probleme sind. Trauer ist jetzt manchmal auch groß. Aber die eigene Größe im Sinne von klein in der Natur zu spüren und die Verbundenheit dazu, die gibt unheimlich Kraft.

Diese tiefe Dunkelheit, wie wir's jetzt im Winter haben – das ist ein bisschen vergleichbar mit diesem Prozess, den man in einer Trauer durchläuft. Aber die Natur erlaubt es gar nicht anders, als dass nach dieser dunklen schwarzen Nacht die Tage wieder länger werden. Die Tage werden heller. Und wir sind Teil der Natur.

Weiterleben nach Verlust und Trauma

Mühlacker

Nicole und Marco: 6 Sternenkinder und am Ende Elternglück

Trauma und Tabu Fehlgeburt: Nicole und Marco aus Mühlacker haben es erlebt und überwunden. Nach 6 Fehlgeburten sind die beiden seit zwei Jahren glückliche Eltern einer Tochter.

Sersheim

Margot und Jörg: Weiterleben mit dem Tod der eigenen Tochter

Wie überlebt man das, wenn man seine eigene Tochter beerdigen muss? Margot und Jörg Müller aus Sersheim erzählen, dass man sich nie ganz vom Kind verabschieden kann.