Der Eigenanteil für Pflege im Altenheim steigt: Eine Pflegehausbewohnerin hält sich in ihrem Bett an einem Haltegriff fest.

CDU im Landtag warnt vor Pflegenotstand

Arm durch Pflege - immer höhere Kosten in Altenheimen in RLP

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Sascha Mache
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Dirk Rodenkirch
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Steigende Pflegekosten bringen Menschen in Rheinland-Pfalz zunehmend an ihre finanziellen Grenzen. Der monatliche Eigenanteil in Heimen liegt im Schnitt bei 2.543 Euro. Jetzt stehen noch weitere Steigerungen an.

Die meisten Menschen versuchen so lange wie möglich zuhause klarzukommen. Doch irgendwann bleibt vielen Seniorinnen und Senioren nur der Wechsel zur Pflege ins Altenheim. So ging es auch Lieselotte Müller. Die 93-Jährige ist seit 2015 in einem Pflegeheim im Westerwald untergebracht - im Sonnenhof. Hier wird jeden Monat ein Eigenanteil von 1.800 Euro fällig. Ihre Rente von rund 1.000 Euro reicht also bei weitem nicht.

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Die Töchter von Frau Müller mussten deshalb das Elternhaus verkaufen, um die Kosten zumindest vorübergehend zu decken. Das sagten sie dem SWR-Politikmagazin Zur Sache Rheinland-Pfalz. Auch die Ersparnisse seien längst weg. Der Verkauf der Immobilie brachte knapp 80.000 Euro, auch dieses Geld war nach einigen Jahren aufgebraucht. Die Folge: Lieselotte Müller blieb nur der Antrag auf Hilfe beim Sozialamt.

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Im Sonnenhof müssen viele Pflegebedürftige ihre Immobilien verkaufen oder sogar Sozialhilfe beantragen, beobachtet Einrichtungsleiter Henning Dills. "Über den Daumen würde ich sagen, sind so 50 bis 60 Prozent tatsächlich noch Selbstzahler. Und der übrige Anteil, der ist eben auf Unterstützung angewiesen."

Arm durch Pflegekosten, kein seltener Fall. In Rheinland-Pfalz ist der monatliche Eigenanteil in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Bei Einzug ins Pflegeheim liegt er derzeit im Schnitt bei 2.543 Euro, die Durchschnittsrente bei 1.500 Euro. Klar, dass das für viele nicht geht.

Einrichtungen in RLP gehen von weiter steigendem Eigenanteil aus

Und die Preise steigen weiter. Im Haus Michael der Mission Leben in Alzey liegt der Eigenanteil derzeit bei 3.000 Euro pro Monat. Leiterin Rachida Metzger berichtet von aktuellen Verhandlungen mit den Pflegekassen über die Erhöhung des Pflegesatzes, wonach es eine Steigerung von bis zu 30 Prozent geben könnte. Das würde sich auch auf den Eigenanteil niederschlagen.

Pflegeversicherung deckt nur einen Teil der Kosten

Metzger sieht das Problem für die Pflegebedürftigen darin, dass die Pflegeversicherung nur einen Teil der ganzen Kosten abdeckt. "Hätten wir eine Pflegeversicherung, die einfach eine Vollkaskoversicherung wäre, wären die Kosten alle gedeckelt und es müsste sich keiner Gedanken machen: Ich muss mein Haus dafür aufgeben. Ich muss meine Familie in finanzielle Nöte bringen, um diesen Heimplatz zu bezahlen."

10.000 Euro bleiben Pflegebedürftigen als Schonvermögen

Nur 10.000 Euro bleiben Pflegebedürftigen als Schonvermögen. Alle weiteren Rücklagen müssen für den Eigenanteil im Pflegeheim verwendet werden, bevor die Sozialhilfe einspringt.

Das Gesetz sieht zudem vor, Schenkungen bis zu zehn Jahre rückwirkend rückgängig zu machen, um Pflegekosten zu decken. Die Töchter von Lieselotte Müller beispielsweise mussten die Wiesen verkaufen, die sie von ihrer Mutter bekommen hatten.

Wir selbst sehen auch in Rheinland Pfalz die Gefahr, dass hier einige Häuser schließen. Wir sehen auch schon Häuser, die zumachen.

Caritasdirektor: "Ohne Kursänderung droht eine Insolvenzwelle"

Auch viele Pflegeeinrichtungen sehen Handlungsbedarf. Vielerorts gebe es Finanznöte, weil Betten leer stünden oder teure Leiharbeitskräfte bezahlt werden müssten. Caritasdirektor Vinzenz du Bellier aus Speyer fordert eine grundlegende Neujustierung des Pflegesystems. Ohne Kursänderung drohe nicht weniger als eine Insolvenzwelle: "Wir selbst sehen auch in Rheinland Pfalz die Gefahr, dass hier einige Häuser schließen. Wir sehen auch schon Häuser, die zumachen." Das sei ein Szenario, das einfach nicht wegzudiskutieren sei.

Pflegeheim: Leiharbeit sei zunehmend ein Problem

Schweitzer: "Auch über Modell der Vollversicherung sprechen"

Von einem drohenden Kollaps will der rheinland-pfälzische Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD) nicht sprechen. Aber die Finanzierung der Pflege bezeichnete er als eine große Herausforderung. "Und ich bin sehr dafür, dass wir auch über das Modell einer Vollversicherung sprechen. Das muss aber auch jedem klar sein, dass das dann eben auch eine stärkere Einnahmesituation von uns allen bedeutet, die dann aber auch stärkere Leistungen möglich macht", sagte Schweitzer dem SWR.

Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung würden neue Modelle der Pflegeversicherung und der Pflegefinanzierung dringend gebraucht.

CDU: Rheinland-Pfalz droht Pflegenotstand

Aus Sicht der CDU-Fraktion im Landtag droht in Rheinland-Pfalz ein Pflegenotstand. "Überall brennt die Hütte", sagte der Sprecher für Soziales Michael Wäschenbach. In der Pflege gebe es einen zunehmende Personalmangel, wodurch in vielen Einrichtungen die Zahl der Betten abgebaut werden müsste.

Die Beschäftigten litten unter Depressionen und Stress und flüchteten in Leiharbeit. Viele pflegende Angehörige seien am Limit, die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sei nur ganz schwer herzustellen und der Eigenanteil an der Unterbringung in Senioreneinrichtungen in Rheinland-Pfalz höher als in vielen anderen Bundesländern.

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Zwölf Vorschläge zur Verbesserung der Pflege-Situation

Um die Lage zu verbessern, hat die CDU-Fraktion zwölf Forderungen aufgestellt, die am Donnerstag im Landtag debattiert wurden. Als Sofortmaßnahme solle demnach ein runder Tisch "Aktionsbündnis Pflege" eingerichtet werden, um die wichtigsten Fragen zur Sicherstellung der pflegerischen Versorgung im Land anzugehen. Wäschenbach appellierte im Plenum an die Ampel-Regierung, wenigstens diesen der zwölf Punkte umzusetzen.

Laut Wäschenbach fordert die CDU auch, dass das Land Rheinland-Pfalz Investitionskosten in Pflegeeinrichtungen übernimmt, wie das in anderen Bundesländern auch der Fall sei. Die Streichung der Förderung habe dazu geführt, dass die Kosten für Pflegebedürftige und deren Angehörige gestiegen seien. Zudem müsse die Fachkraftquote flexibler gestaltet werden, verlangte Wäschenbach. Notwendig sei auch eine deutliche Entbürokratisierung. 

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