Ex-Landrat Jürgen Pföhler schweigt vor dem U-Ausschuss zur Flutkatastrophe an der Ahr.

Ermittler belastet ehemaligen Landrat schwer

Pföhler verweigert Aussage im Flut-U-Ausschuss

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Dirk Rodenkirch
Dirk Rodenkirch

Der frühere Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), hat im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe die Aussage verweigert. Er machte von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch.

Das ist möglich, weil die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen Pföhler ermittelt, wegen womöglich zu später Warnungen und Evakuierungen in der Flutnacht vom 14. auf den 15. Juli 2021. Es geht um den Verdacht der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung im Amt. Auch Pföhlers Ehefrau verweigerte vor dem Untersuchungsausschuss die Aussage.

Ermittler: "Fast keine Bemühungen von Pföhler, die Flut zu bekämpfen"

Ein Ermittler des Landeskriminalamtes belastete den Ex-Landrat in seiner Zeugenaussage schwer. Demnach kümmerte sich Pföhler während der Flutkatastrophe offensichtlich mehr um private Dinge als um den Schutz der Menschen im Kreis Ahrweiler. Pföhler habe kaum etwas unternommen, um die Folgen der Flutkatastrophe abzuwenden, sagte der Beamte des Landeskriminalamtes (LKA): "Er hat sich in Sicherheit gebracht und wenige Nachbarn in seinem unmittelbaren Umfeld gewarnt."

Nach seinen Erkenntnissen hat es "fast keine Bemühungen des Landrates gegeben, die Flut zu bekämpfen". Die Lage im Ahrtal müsste Pföhler jedoch spätestens ab 22 Uhr einigermaßen bekannt gewesen sein, so der Zeuge. Nach 23 Uhr starben in Bad Neuenahr und Sinzig noch 87 Menschen durch die Flut.

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Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat nach der Flutkatastrophe im Ahrtal Ermittlungen gegen Landrat Pföhler aufgenommen. Es geht um den Verdacht der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen.

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Der damalige Landrat hat nach Angaben des Ermittlers gegen 20 Uhr gewusst, dass von sehr großer Hochwassergefahr an der Ahr auszugehen war und mit Sturzfluten und Überschwemmungen gerechnet wurde. Pföhler hat demnach auch gewusst, dass der Pegelstand in Altenahr bereits mehr als fünf Meter erreicht hatte und damit deutlich über dem des sogenannten Jahrhunderthochwassers von 2016 lag, sagte der Polizeibeamte. Der Landrat wusste demzufolge auch, dass mehrere hundert Kräfte im Einsatz waren und Menschen gerettet werden mussten.

Pföhler war laut seiner Frau am Flutabend zu Hause

Der Ermittler berichtete auch von einem Telefongespräch des LKA mit Pföhlers Ehefrau. Darin sagte sie, ihr Ehemann sei an dem Abend "bei ihr zu Hause und ab und zu mal weg" gewesen. Auch nach Einschätzung des LKA-Beamten hielt sich Pföhler am Flutabend weitgehend in der Nähe seines Wohnhauses und einer Zweitwohnung der Familie auf. Dies ergebe sich auch aus verschiedenen Zeugenbefragungen. Demnach wurde Pföhler von einigen Nachbarn gesehen.

Beobachtet wurde auch, dass der Porsche des Landrats weggefahren wurde, offenbar um den Sportwagen in Sicherheit zu bringen. Seit Monaten versucht der U-Ausschuss zu klären, wo sich Pföhler während der Flutnacht aufgehalten hat und was er getan hat, um die Katastrophe abzuwenden.

Nachbarn berichten von Warnung durch den Landrat

Mehrere Nachbarn der Familie Pföhler bestätigten im Untersuchungsausschuss, dass der damalige Landrat am 14. Juli gegen 22.15 Uhr bei ihnen vorbeigekommen ist, um sie zu warnen. Er habe sie aufgefordert, ihre Häuser und Wohnungen zu verlassen, und gesagt, dass 50 Meter rechts und links der Ahr evakuiert werde, so die Zeuginnen. Pföhler und seine Frau verließen den Aussagen zufolge damals ebenfalls ihr Haus. Zu diesem Zeitpunkt war die Evakuierungsmeldung noch nicht offiziell durch die Kreisverwaltung verbreitet worden. Dies geschah erst etwa eine Stunde später.

Telefondaten von Pföhler vorgelegt

Zuvor war in der Ausschusssitzung die Auswertung von Pföhlers Handy-Telefonaten und seines SMS-Verkehrs vorgestellt worden. Wie eine Ermittlerin des rheinland-pfälzischen Landeskriminalamtes sagte, hatte Pföhler am Tag der Sturzflut bis in die späte Nacht hinein die meisten Kontakte mit seinem engsten Mitarbeiter im Landratsamt.

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Zeugenaussagen in Flut-Untersuchungsausschuss Mitarbeiter: "Pföhler war in Flutnacht nicht wieder zu erkennen"

Im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe hat ein enger Mitarbeiter des damaligen Landrates des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), ausgesagt. In der Flutnacht habe er Pföhler ganz anders erlebt als sonst, sagte Erich Seul.

Pföhler: "Ich bin am Ende"

Die zweithäufigsten Kontakte gab es demnach mit einer Frau aus seinem privaten Umfeld, deren Daten unter einem Pseudonym im Handy abgespeichert waren. An diese schickte Pföhler am 15. Juli um 0.50 Uhr eine dramatische SMS: "Katastrophe, Tote, Verletzte, Menschen auf Dächern, kein Hubschrauber, Stromausfälle, unser Haus ist geflutet, ich bin am Ende."

Wo sich der Landrat des Kreises Ahrweiler am Abend und in der Nacht jeweils aufgehalten hat, ließ sich laut der LKA-Ermittlerin nicht feststellen. Die Standortdaten seien nicht erfasst. Gegen 22.25 Uhr schrieb Pföhler demnach eine SMS an jene Frau, dass er evakuiert werden muss. "Hoffentlich stürzt das Haus nicht ein", endete die Nachricht.

Pföhler hat sich auch mehrmals an dem Abend auf Internetseiten verschiedener Medien, unter anderem des SWR, über die Hochwassersituation informiert, sagte die Polizistin. Die Seite des Hochwassermeldedienstes für Rheinland-Pfalz oder anderer Landesbehörden habe er dagegen nicht genutzt.

Landrat war kaum in der Einsatzleitung

Pföhler hatte die Einsatzleitung dem Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises (BKI) übertragen. Schon am frühen Nachmittag verließ der Landrat die Kreisverwaltung, berichtete zuletzt ein früherer Mitarbeiter im U-Ausschuss. Erich Seul, der als Pföhlers rechte Hand galt, sagte: Warum der Landrat den Amtssitz verlassen habe und wohin er gegangen sei, wisse er aber nicht.

Pföhler sei dann am Abend noch einmal in die Kreisverwaltung gekommen, weil Innenminister Roger Lewentz (SPD) einen Besuch angekündigt hatte. Andere Zeugen hatten im Ausschuss berichtet, dass Pföhler auch telefonisch kaum zu erreichen war, auch nicht für den Leiter der Einsatzzentrale.

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