Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) erwartet vom Bund, dass dieser bei einer extrem zugespitzten Infektionslage im Herbst die epidemische Lage von nationaler Tragweite ausruft. Das machte er am Mittwoch nach der Konferenz der Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister von Bund und Ländern gegenüber dem SWR deutlich.
Lucha betonte zudem, dass es darum gehe, auf Bundesebene einen breiten Konsens zu finden, wie man ab Oktober mit der Pandemie umgehe. Der Schutz von vulnerablen Gruppen in Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie in Krankenhäusern stehe an oberster Stelle - Maskenpflicht und Testungen hält der Minister in diesem Bereich für unerlässlich.
Welche Maßnahmen zusätzlich zu den im Gesetzentwurf enthaltenen Basismaßnahmen ab Oktober eingeführt werden, werde laut Lucha von der Infektionslage abhängen. Hierzu habe sich die Beobachtung der Hospitalisierungen und Intensivkapazitäten bewährt.
Lucha: Vierte Impfung nicht auf Menschen ab 70 beschränken
Unabhängig davon forderte der Grünen-Politiker eine Impfempfehlung für mehr Bevölkerungsgruppen - es gelte, sich nicht nur auf die über 70-Jährigen und die vulnerable Bevölkerung zu beschränken. Man wolle in Baden-Württemberg weiterhin stark fürs Impfen werben, weil Impfen nachweislich in den allermeisten Fällen vor schweren Verläufen einer Erkrankung schütze.
So viele Menschen sind bereits gegen Corona geimpft:
"Jedem, der sich impfen lassen will, würde ich sagen: Tu es - nach Rücksprache mit dem Arzt - unabhängig von der STIKO-Empfehlung", sagte Lucha dem "Südkurier" (Mittwoch). Das Ministerium hat diese Aussage dem SWR bestätigt. Die STIKO ist die für Impfempfehlungen zuständige Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut (RKI).
Die STIKO empfiehlt die vierte Corona-Impfung derzeit nur für Menschen ab 70 Jahren oder mit bestimmten Vorerkrankungen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte Mitte Juli auch Menschen unter 60 Jahren zu einer vierten Corona-Impfung geraten, worauf er von STIKO-Chef Thomas Mertens scharf kritisiert wurde: "Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto 'Viel hilft viel' auszusprechen", so Mertens.
Diskussionen bei der Gesundheitsministerkonferenz
Am Dienstag (9. August) hatten sich die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder getroffen, um unter anderem über den aktuellen Entwurf für ein Corona-Schutzkonzept zu diskutieren. Das Infektionsschutzgesetz ist die Rechtsgrundlage dafür, dass die Länder Corona-Maßnahmen erlassen können. Es läuft Ende September aus.
Der neue Entwurf sieht vor, dass Länder eine Maskenpflicht erlassen können. Menschen in Restaurants oder bei Kultur- und Sportveranstaltungen müssen aber keine Maske tragen, wenn ihre Impfung nicht älter als drei Monate ist. Ausnahmen soll es auch für Getestete und frisch Genesene geben. Vor allem diesen Punkt sehen viele skeptisch: