Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) macht im Interview eine abwehrende Handbewegung. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Marijan Murat)

Nach Schüler-Forderung

Streit um Religionsunterricht: Kretschmann kritisiert Landesschülerbeirat

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Der Landesschülerbeirat hatte in seinem Grundsatzprogramm weniger Religionsunterricht und dafür mehr "politische Bildung" gefordert. Der Ministerpräsident hält davon gar nichts.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat den Landesschülerbeirat für seine Forderung nach mehr "politischer Bildung" zulasten des Religionsunterrichts schwer kritisiert. Der Religionsunterricht sei das einzige Schulfach, das eine grundgesetzliche Garantie habe, sagte Kretschmann. Diesen könne man nicht einfach abschaffen, nur weil man selbst nicht religiös sei. Kretschmann bezeichnete den Vorschlag der Schüler als "Schnellschuss", der weder verfassungsrechtlich möglich noch sinnhaft sei.

Landesschülerbeirat fordert "Alltagsunterricht"

Allerdings hatte der Landesschülerbeirat Baden-Württemberg lediglich eine Reduktion der Stundenanzahl beim Religionsunterricht zugunsten politischer Bildung gefordert und nicht dessen komplette Abschaffung. Ihrem Grundsatzprogramm zufolge wünschen sich die Schülervertreter und Schülervertreterinnen mehr "Alltagsunterricht". Sie wollen zum Beispiel lernen, wie man eine Steuererklärung macht oder sich mittels Kapitalanlagen eine private Altersvorsorge sichert. Es sei "höchst absehbar, dass die unsrige Generation um die private Altersvorsorge nicht herumkommt", schreibt der Landesschülerbeirat in seinem Grundsatzprogramm.

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Seit Jahren fordern Schülerinnen und Schüler in BW, dass sie mehr praktisches Finanzwissen beigebracht bekommen. Viel bewegt hat sich seit dem nicht, sagt der Landesschülerbeirat.

Kretschmann: Damit schützt man die Demokratie nicht

Kretschmann hingegen berief sich in seiner Argumentation auf den Staatsrechtler und Rechtsphilosophen Ernst-Wolfgang Böckenförde, demzufolge der freiheitliche, säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst nicht garantieren kann. Damit seien Werte gemeint, so Kretschmann, die eben auch im Religions- und Ethikunterricht vermittelt würden.

Es nütze wenig, wenn man im Politikunterricht nur Schaubilder gezeigt bekomme, sagte der frühere Lehrer Kretschmann. Damit schütze man die Demokratie nicht. "Wir sehen überall in der Welt, dass Werte rutschen, grundlegende Werte des Zusammenlebens und der Demokratie. Da ranzugehen halte ich für wenig durchdacht", sagte der Ministerpräsident. "Aber das sind junge Leute - die haben ja noch viel, viel Zeit, das zu durchzudenken."

Staatsministerium sieht keinen Widerspruch

Ein Sprecher des Staatsministeriums ergänzte auf SWR-Anfrage: "Die politische Bildung in den Schulen zu stärken ist richtig. Dafür den Religionsunterricht oder analog den Ethikunterricht zu kürzen, ist aber der falsche Weg. Denn es gibt keinen Gegensatz zwischen Demokratieerziehung und Religions- beziehungsweise Ethikunterricht. Viel mehr sind die dort vermittelten Werte Grundlage unseres Zusammenlebens und unserer demokratischen Ordnung. Wir brauchen beides."

Der Landesschülerbeirat ist der Meinung, Schülerinnen und Schüler müssten sich in Zeiten globaler Umbrüche besser wappnen. So wüssten zum Beispiel nur die wenigsten, bei wem in Deutschland im militärischen Verteidigungsfall die Oberbefehlsgewalt liegt.

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