Kinder in der Kita Klinikzwerge von der AWO Karlsruhe

Problemlage hat sich "weiter zugespitzt"

Studie: Viele Kitas in BW können Aufsichtspflicht nicht mehr erfüllen

Stand

Eine neue Studie belegt, wie dramatisch der Fachkräftemangel in Kitas in Baden-Württemberg ist. Viele Mitarbeitende können nicht mehr so auf die Kinder aufpassen wie vorgeschrieben.

Bei einem Drittel aller Kitas ist an mindestens vier von zehn Arbeitstagen nicht einmal mehr eine Minimalbesetzung vorhanden. Das zeigt eine neue Studie des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) , die am Montag vorgestellt wurde. Das entspreche nicht den Vorgaben, um der Aufsichtspflicht in Kitas nachzukommen, hieß es. Personalmängel, Gesundheitssorgen, Wertschätzung - diese Themen treiben die Kitaleiterinnen und Kitaleiter in Baden-Württemberg aktuell um. Die Landesergebnisse der bundesweiten Studie wurden dem Deutschen Kitaleitungskongress in Stuttgart im Detail vorgestellt.

"Es war noch nie schlimmer."

Verband fordert 80.000 neue Stellen für Kitas in BW

Für eine Betreuung in angemessener Qualität brauche es fast doppelt so viel pädagogisches Personal wie derzeit in den Einrichtungen vorhanden. Laut VBE-Landeschef Gerhard Brand sind das knapp 80.000 Stellen mehr. Die Verantwortlichen müssten jetzt unbedingt handeln. Viele Kitas könnten nicht mehr so auf die Kinder aufpassen, wie vorgeschrieben.

"Jede weitere Verschiebung wäre unterlassene Hilfeleistung."

Wenig Personal muss viele Kinder betreuen

Bei vier von zehn Kitas muss eine Fachkraft im U-3-Bereich laut den Ergebnissen der Studie fünf Kinder oder mehr betreuen. Die Zahl weicht damit deutlich von der wissenschaftlichen Empfehlung ab, die bei einer Relation von Fachkraft zu Kindern bei 1:3 liegt. Der U-3-Bereich umfasst die Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Für sie sind verlässliche Bindungen und Beziehungen für die Entwicklung besonders wichtig.

VBE-Landesvorsitzender: Starker Handlungsdruck

Bei fast jeder zehnten Kita in Baden-Württemberg muss eine Fachkraft sogar auf acht und mehr Kinder aufpassen. Im Ü-3-Bereich ist bei knapp drei Viertel aller Kitas die tatsächliche Fachkraft-Kind-Relation schlechter als die wissenschaftliche Empfehlung, die bei 1:7,5 liegt.

"Trotz aller angekündigten Fachkräfteoffensiven hat sich die Problemlage nicht verbessert, sondern im Gegenteil noch weiter zugespitzt", sagte VBE-Landesvorsitzender Gerhard Brand der Deutschen Presse Agentur im Vorfeld des Kongresses. Der Handlungsdruck sei jetzt massiv - vor allem mit Blick auf noch nicht gedeckte Betreuungsbedarfe. Andere Herausforderungen seien die Integration traumatisierter Flüchtlingskinder aus der Ukraine oder die Fachkräftekonkurrenz aus dem Grundschulbereich. Außerdem gebe es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter ab 2026, so Brand.

Überraschend kommt der Fachkräftemangel in den Kitas im Land aus Sicht des baden-württembergischen Kultusministeriums nicht. Man wolle das Problem gemeinsam mit Gewerkschaften und Kommunen angehen, heißt es aus dem Ministerium. Helfen solle unter anderem Werbung für den Beruf. Auch mit besseren Aufstiegsmöglichkeiten und Möglichkeiten zum Direkteinstieg will Staatsekretär Volker Schebesta (CDU) mehr Fachkräfte gewinnen. Für Kitas sei es bereits jetzt möglich, zur Entlastung sogenannte Zusatzkräfte einzustellen.

GEW fordert Kampagne für bessere Arbeitsbedingungen

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg überzeugt das nicht: Sie verlangt von der Landesregierung und den Kitaträgern eine eigene Kampagne für mehr Qualität in den Kitas. "Wenn ein großer Automobilkonzern sagen würde, dass er seine Produktion wegen Fachkräftemangel einstellen wird, könnte man sich sicher sein, dass am nächsten Tag der Ministerpräsident vor der Tür steht, Unterstützung und einen Strategiedialog anbietet", so die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein. Die GEW kommt zwar zu anderen Zahlen beim Fehlbestand, aber auch hier wird riesiger Nachholbedarf gesehen.

Alleine in Baden-Württemberg fehlen- in den kommenden Jahren laut der GEW-Chefin rund 40.000 Erzieherinnen und Erzieher. Grund sei der Ausbau des Kita-Angebots. Nur durch bessere Arbeitsbedingungen seien Kitas auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig.

"Baden-Württemberg muss Kita-Länd werden."

Viele Befragte aus Baden-Württemberg

Allein aus Baden-Württemberg nahmen rund 2.000 Kitaleitungen an der Studie teil - damit stammen die meisten der insgesamt 4.827 Teilnehmenden aus dem Bundesland. Die Studie gebe Antworten auf die Frage, was das Kitapersonal bewege und zeige ein umfassendes Bild der Arbeitsbedingungen und Herausforderungen, teilte der Verband mit.

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SWR