Der neue Verfassungsrichter am Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg, Rami Suliman, ist Unternehmer sowie Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Pforzheim und der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden. Er setzt sich seit Jahren aktiv für die jüdische Gemeinschaft und für den interkonfessionellen Austausch in Pforzheim und ganz Deutschland ein. Im Interview mit SWR-Reporterin Mirka Tiede spricht er über seine neue Herausforderung.
SWR Aktuell: Herr Suliman, Sie wurden jetzt frisch als Verfassungsrichter gewählt - wie war der Moment für Sie?
Rami Suliman: Für mich persönlich ist das ein großer Moment. Das ist eine Ehre. Ich hätte jetzt sogar gesagt, es ist ein neuer Abschnitt in meinem Leben. So eine Aufgabe ist groß und wichtig für mich als Person - auch als Vertreter der jüdischen Gemeinschaft in Baden und Deutschland.
SWR Aktuell: Sie besetzen den Platz von Sabine Reger, einer von der AfD unterstützten Kandidatin, die überraschend im Januar gestorben ist. Die Grünen, CDU, SPD und FDP hatten sich im Vorfeld auf Sie als Kandidaten geeinigt. Mit Ihrer Nominierung sollte ein klares Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt werden. Glauben Sie, Sie können diesem Anspruch gerecht werden?
Rami Suliman: Ich weiß es nicht, aber ich werde mein Bestes tun, um, so weit es als Verfassungsrichter geht, ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen.
SWR Aktuell: Waren Sie von Ihrer Nominierung überrascht?
Rami Suliman: Ja, ich war natürlich überrascht. Ich als Verfassungsrichter - das habe ich nicht gedacht. Das ist eine große Überraschung für mich, aber auch eine große Ehre.
SWR Aktuell: Wie haben Sie von Ihrer Nominierung erfahren?
Rami Suliman: Herr [Andreas] Schwarz, der Fraktionsvorsitzende der Grünen, hat es mir gesagt und [Hans-Ulrich] Rülke (FDP). Sie haben mir signalisiert, dass das passiert, dass das kommt. Und es war einen Tag später offiziell. Letzte Woche ist das alles passiert. Ich habe erstmal "ja" gesagt. Ich war bereit, das zu machen, ohne zu wissen, um was es genau geht. Ich war überrascht und wollte auf jeden Fall diese Aufgabe übernehmen.
SWR Aktuell: Vor der Wahl ist es zu einem Eklat gekommen. Die AfD-Fraktion hatte die Absetzung der Wahl beantragt, was von den anderen Parteien mehrheitlich abgelehnt wurde. Die Abgeordneten haben daraufhin auf ihren Plätzen Schilder mit der Aufschrift "undemokratische Wahl" aufgestellt und den Saal verlassen. Der von der AfD vorgeschlagene Kandidat Thomas Hartung erhielt nur eine Stimme. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Daniel Lindenschmid, hat angekündigt, die Wahl anzufechten. Schon im Vorfeld hatte die AfD betont, dass sie bei der Besetzung des Verfassungsrichters das Vorschlagsrecht hat. Wie sehen Sie die Situation?
Rami Suliman: Ich beteilige mich nicht an dieser Auseinandersetzung: AfD gegen andere. Ich habe auch keine Meinung dazu. Sie haben das gemacht. Und das war eine Wahl. Es hat für mich kein Gewicht, was sie gemacht haben. Das ist okay. Sie haben das Recht dazu und alles andere ist für mich schon Geschichte.
SWR Aktuell: Der Verfassungsgerichtshof von Baden-Württemberg hat insgesamt neun Richter. Drei von ihnen sind sind Laienrichter und müssen somit auch nicht Jura studiert haben. Sie besetzten jetzt einen Platz davon. Wissen Sie denn bereits, was jetzt auf Sie zukommen wird?
Rami Suliman: Nein, überhaupt nicht. Ich weiß nicht, was auf mich zukommt. Ich werde morgen schon mit dem Präsidenten [des Verfassungsgerichtshofs] reden und mich ein bisschen informieren. Ich werde mich dafür einsetzen. Ich weiß nicht, was genau auf mich zukommt. Aber wissen Sie, ich bin schon 68 Jahre alt. Ich habe schon etwas in meinem Leben erlebt. Ich bin Bürger dieses Staates. Ich bin seit mehreren Jahren Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden. Ich habe mit vielen Leuten Kontakt. Ich kenne die Probleme hier. Und das alles, meine Kenntnisse, meine Erfahrung, bringe ich hier mit. Ich bin kein Jurist. Aber ich glaube, in meinem Amt muss ich nicht Jurist sein.
SWR Aktuell: Also haben Sie keine Angst vor dieser Herausforderung?
Rami Suliman: Ich habe überhaupt keine Angst. Ich habe nur Angst davor, dass ich vielleicht nicht genug Zeit haben könnte. Ich habe das Amt als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Baden inne und ich bin auch im Zentralrat. Das alles frisst viel Zeit. Trotzdem will ich mir auch für das neue Amt als Verfassungsrichter Zeit nehmen. Denn es ist sehr wichtig für mich persönlich. Wenn ich dieses Amt wahrnehme, werde ich meine Bestes geben.
SWR Aktuell: Da haben Sie meine nächste Frage schon vorweggenommen. Ist ihr Terminkalender nicht ziemlich voll?
Rami Suliman: Ja, sehr voll. Aber ich habe auch Freizeit gehabt - bis jetzt. Ich habe Sport gemacht. Ich habe Golf gespielt. Ich habe Urlaub gemacht. Ich glaube, ich muss vielleicht ein paar Sachen streichen. Ich muss meinen Kalender anders organisieren. Ich habe gute Leute. Und ich werde es schaffen, alles in 24 Stunden pro Tag hinzubekommen. Das ist gar kein Problem.
SWR Aktuell: Als Mitglied des Verfassungsgerichtshofs werden Sie über verfassungsrechtlichen Streitigkeiten entscheiden. Was bedeutet denn die Verfassung für Sie?
Rami Suliman: Ich habe angefangen, ein bisschen die Verfassung zu lesen. Ich weiß noch nicht genau, um was es geht. Aber ich weiß, man hat mich vorgeschlagen, weil ich so bin, wie ich bin. Wegen meiner Persönlichkeit. Paragrafen oder die Verfassung, da kenne ich mich noch nicht aus. Aber ich bin mir sicher, dass ich mit der Zeit davon Ahnung bekommen werde. Erfahrung, meine Persönlichkeit und mein logisches Denken, das ist alles, was ich jetzt mitbringe. Der Rest kommt noch danach.
SWR Aktuell: Wie geht es jetzt weiter?
Rami Suliman: Ich gehe jetzt nach Hause und ruhe ein bisschen. Morgen wache ich auf, rufe den Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs an. Und dann schaue ich mal, was mir vorschwebt. Und ich werde, diese Herausforderungen mit zwei Händen, mit offenen Augen und einem offenen Herzen annehmen und dafür arbeiten, dass alles nach meinem Gewissen läuft. Ich weiß noch nicht, wann die nächste Sitzung ist. Ab morgen weiß ich alles.