Cannabis und ein Joint auf einer weiblichen Hand. Welche Folgen hat Rauchen, Cannabis- & Alkoholkonsum bei Jugendlichen?

Gegenwind kommt von Innenministern

Geplante Cannabis-Legalisierung bringt Social Clubs viele Mitglieder

Stand

Der Besitz und Anbau von Cannabis soll in Deutschland ab April legalisiert werden. Vereine für die Abgabe von Cannabis wachsen seit der Ankündigung deutlich, auch in Heilbronn.

Cannabis Social Clubs bekommen immer größeren Zulauf, seit die Bundesregierung die Pläne zur Legalisierung von Cannabis angekündigt hat. Der Heilbronner Social Club zählt nach eigenen Angaben bereits über 200 Mitglieder aus dem Stadt- und Landkreis Heilbronn. Die Legalisierung wird sowohl bei Konsumentinnen und Konsumenten als auch bei Suchtmedizinerinnen und -medizinern teils positiv aufgenommen, alle sehen jedoch noch viel Nachholbedarf. Und jetzt haben sich unter anderem die Innenministerien der Länder eingeschaltet und warnen.

Entkriminalisierung ist Meilenstein

In Baden-Württemberg gibt es bereits über 15 sogenannte Cannabis Social Clubs. Seit den Ankündigungen der aktuellen Bundesregierung ist die Anzahl gewachsen. In Heilbronn hat Julian Steiner den TenTen Cannabis Social Club Heilbronn e. V. im März 2023 gegründet. Seither steigt die Mitgliederzahl deutlich, sagte er im SWR-Interview. Mit dem Verein will Steiner einen verantwortungsbewussten und möglichst sicheren Konsum sowie Prävention und Bildung zum Thema Cannabis fördern. Mit der Gesetzesänderung gebe es viele Verbesserungen, vor allem die Entkriminalisierung sei dringend notwendig.

Ich denke, wir werden einen bestimmten Anteil dem Schwarzmarkt entziehen. Aber natürlich können wir den Schwarzmarkt so mit dem Gesetz nicht austrocknen.

Das liege vor allem daran, dass nicht alle nachgefragten Substanzen angebaut werden dürfen und für manche Konsumentinnen und Konsumenten die erlaubten 50 Gramm pro Monat zu wenig seien.

Zudem wünscht sich Steiner einen Ort, an dem gemeinsam konsumiert werden darf. Das sei von der Regierung momentan nicht vorgesehen. Deshalb erwartet der Club-Gründer, dass die meisten Menschen weiter zu Hause kiffen werden. Der gemeinsame Konsum in Vereinsheimen habe jedoch den Vorteil, dass man sich gegenseitig beobachten kann, meint Steiner. Und man könne Menschen ansprechen, die möglicherweise ein Problem mit der Droge haben.

Cannabis-Qualität soll steigen durch Legalisierung

Da Cannabis aktuell fast ausschließlich auf dem Schwarzmarkt gehandelt wird, kann die Qualität nicht überprüft werden. Das birgt jedoch regelmäßig auch gesundheitliche Gefahren. Werden Besitz und Konsum legal, kann die Qualität viel besser kontrolliert werden, so Steiner. In Anbauvereinen werde man dann die Chargen auf Toxine und Verunreinigungen prüfen lassen.

Weinsberger Suchtmediziner wägt ab

Angesichts der bisherigen Bilanz der deutschen Drogenpolitik begrüßt Suchtmediziner Robert Prager Loos, Chefarzt an der Klinik für Suchttherapie im Klinikum am Weissenhof in Weinsberg (Kreis Heilbronn), die Veränderung.

Die Drogenpolitik in ihrer bisherigen Form ist gescheitert. Die Zahl der Drogenkonsumierenden beziehungsweise Abhängigen ist trotz restriktiver Gesetze unverändert hoch geblieben. Fest steht, dass man da etwas ändern muss an den Rahmenbedingungen.

"Anbau sollte staatlich reguliert werden"

Wenn der Cannabiskonsum nicht mehr grundsätzlich verboten ist, könnte das zu einem offeneren Umgang mit Therapiemaßnahmen führen, so die Hoffnung von Prager Loos. Probleme sieht der Suchtmediziner jedoch bei der Abgabe von Cannabis. Anstatt in Clubs würde er den Verkauf in staatlich autorisierten Geschäften begrüßen. Dort könnte die Qualität oder beispielsweise der CBD-Anteil kontrolliert werden und eine Präventions- und Beratungsarbeit stattfinden.

"Falsches Signal für Jüngere"

Eine Gefahr befürchtet Prager Loos durch die Neuerungen vor allem für Jugendliche. Bei ihnen könnte die Legalisierung, zumindest in den ersten Jahren, zu einem erhöhten Probierkonsum führen. Besonders kritisch sei aber, dass die Bundesregierung zwar Jugendschutz für wichtig erklärt habe, wie konkret dieser aussehen solle, sei jedoch offen. Und es werde aktuell sogar bei der Suchtberatung und Prävention gespart.

Und auch die Innenministerien der Bundesländer appellieren parteiübergreifend an die Bundestagsfraktionen und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wegen den Konsequenzen der geplanten Cannabis-Legalisierung. Das schreibt die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA). Demnach könne es in der Altersgruppe der unter 25-Jährigen zum Risiko von unheilbaren psychischen Erkrankungen kommen. Kriminalpolizeiliche Expertinnen und Experten warnen, dass der Gesetzentwurf der Ampelkoalition den illegalen Handel mit Cannabis sogar noch erleichtere. Das könnte der organisierten Kriminalität noch in die Karten spielen.

Viele offene Fragen

Wie die gesetzlichen Vorgaben nach der Gesetzesänderung kontrolliert werden sollen, ist Suchtarzt Prager Loos momentan noch völlig unklar. Die Weitergabe sei beispielsweise verboten, das könne gerade im privaten Raum jedoch nicht kontrolliert werden. Außerdem sei die Regelung für den Straßenverkehr nach einer Legalisierung zu überdenken. Hier müsse man über neue Grenzwerte nachdenken. Aktuell dürfe nichts nachgewiesen werden, um am Straßenverkehr teilzunehmen. Nachweisbar ist Cannabis jedoch deutlich länger als die Wirkung.

Gerade im Straßenverkehr sehen aber die Innenministerinnen und -minister große Gefahren. Das Ziel der Ministerien ist klar: keine getöteten und schwer- verletzten Menschen im Straßenverkehr. Eine Legalisierung stehe dem entgegen: Wird Cannabis legal, werden mehr Menschen es konsumieren - die Zahl der Verkehrsunfälle unter dem Einfluss der Droge wird wahrscheinlich steigen, heißt es.

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Auch wenn die Legalisierung von Cannabis und das Ende der strafrechtlichen Verfolgung von Konsumentinnen und Konsumenten teilweise begrüßt wird, ganz unkritisch sehen sowohl Cannabis-Clubs als auch Ärzteschaft diese nicht. Und auch der Nachbesserungsbedarf ist hoch. Und so kamen am Freitag auch von der Bundesärztekammer eher kritische Töne: Statt Cannabis zu legalisieren, sollte der Fokus auf Aufklärung und Prävention liegen. Dem hingegen zeigt sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zuversichtlich, dass durch das Gesetz der Schwarzmarkthandel zurückgehen wird.

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