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Angeklagter spricht von Krisenvorsorge und Nachbarschaftshilfe

Prozess um Prinz-Reuß-Gruppe: Angeklagter distanziert sich von "Reichsbürgern"

Stand

Ein Angeklagter aus Ettlingen hat sich im Prozess um die Prinz-Reuß-Gruppe vor Gericht geäußert. Schon sein Vater habe sich vor Krisen wappnen wollen.

Im Prozess gegen die mutmaßliche Terroristengruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß hat sich einer der Angeklagten deutlich von den Verschwörungstheorien der sogenannten Reichsbürger distanziert. Der 55-jährige Ingenieur aus Ettlingen (Kreis Karlsruhe) ist der erste der neun Angeklagten im Prozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart, der sich zu den Vorwürfen äußert. Er erklärte, man habe ihn damals kontaktiert, weil mehrere Leute "Heimatschutzkräfte" aufbauen wollten für den Fall eines Systemzusammenbruchs. Dafür hätten sie einen IT-Experten gebraucht.

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Aber mit den Erzählungen rund um einen angeblichen "Tag X" oder eine internationale politische "Allianz" habe er nichts zu tun gehabt. Er höre bei sowas lediglich gerne lange zu, auch wenn es für viele andere daneben klingt." Er selbst habe aber nur Leute vernetzen und Strukturen aufbauen wollen für den Katastrophenschutz. Auf Nachfrage eines Anwalts bezeichnete er seine politische Haltung als links-grün. Einen Schamanismus-Lehrgang habe er auch absolviert. Mit Gewalt jedenfalls wolle er nichts zu tun haben. "Ich habe ja mit Camouflage-Klamotten schon Schwierigkeiten." Trotzdem traf er sich nach eigenen Angaben mit den Männern der mutmaßlichen Terroristengruppe, der blutige Putschpläne vorgeworfen werden.

Ich habe keine Affinität zu Waffen.

"Extremvorsorge" vom Vater übernommen

Der Ingenieur soll die IT-Infrastruktur für die Gruppe geplant und aufgebaut haben. In der Verhandlung erzählte er von seinem ausgeprägten Hang zur Krisenvorsorge. Bereits sein Vater, ein Kriegsveteran, habe stets "Extremvorsorge" betrieben und einst etwa ein Angebot eingeholt für einen kleinen Atomschutzbunker im Garten, berichtete der Mann vor Gericht. Das habe der Vater an seine Schwester und an ihn weitergegeben. So habe ihn das Thema Stromausfälle sehr beschäftigt. "Bei solchen Szenarien kriege ich ein mulmiges Gefühl."

Todesstrafe in Prinz-Reuß-Dokument: "Da musste ich lachen"

Der Angeklagte stellte sich als computeraffiner Mensch dar, der sich für "digitale Souveränität" und gegen "Überwachungskapitalismus" durch große Tech-Firmen eingesetzt habe. Er habe geplant, Menschen in seiner Heimat über eine Dorfcafé-Plattform zu vernetzen. Bei einem frühen Treffen mit einer Verbindungsperson zu der Gruppe um Reuß sei ihm dann eine Verschwiegenheitserklärung vorgelegt worden. Darin sei es um eine "Reaktivierung Deutschlands" gegangen. Sollte er gegen die Erklärung verstoßen, sei mit der Todesstrafe gedroht worden. Der Angeklagte berichtete, dass er das nicht ernst genommen habe. "Da musste ich lachen." Gerade deshalb habe er sie unterschrieben. Ihm habe die Erklärung nichts bedeutet, so der 55-Jährige - und er habe sich gedacht: "Wenn sie mich umbringen, dann haben sie halt auch keine IT."

Wenn sie mich umbringen, dann haben sie halt auch keine IT.

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Ermittler: Reuß-Gruppe wollte Erfahrung mit Waffen abfragen

Die Gruppe wollte den Ermittlern zufolge zudem mit Fragebögen durch Ortschaften ziehen, um Anhänger anzuwerben. Der 55-Jährige sollte die Bögen demnach bearbeiten. Darin wurde zunächst der Covid-Impfstatus abgefragt, dann persönliche Daten, dann die eigene Erfahrung mit Waffen und die "Kontakte zu Behörden der BRD". Auch das interessierte den Angeklagten nach seinen Worten nicht weiter. Mit Blick auf die Vertreter der "Reichsbürger"-Ideologie sprach er vor Gericht vom "Schwurbelkreis". Er räumte aber ein, einen Tag vor dem "Tag X" noch Fernwartungssoftware auf die Rechner gespielt zu haben.

Der Richter machte keinen Hehl daraus, dass er die Argumentation des Angeklagten nicht durchgängig für nachvollziehbar hielt. Er habe sich doch als Mensch dargestellt, der studiert habe, der sich mit Kommunikation beschäftige, der "immens nachdenkt", so Richter Joachim Holzhausen. Der Ingenieur argumentiert hingegen mit seiner angeblich katastrophalen Allgemeinbildung, vor allem in Geschichte und Politik, und damit, dass er sich nur mit Dingen befasse, die eine Auswirkung auf sein Leben hätten.

Prozess in Stammheim einer von drei Mammutprozessen

Der Prozess in Stuttgart ist der erste von drei Mammutprozessen gegen die Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Die insgesamt 26 Angeklagten sollen einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant haben. Als Oberhaupt einer neuen Staatsform hätte Reuß fungieren sollen. Auch Ex-Soldaten gehören zu den Beschuldigten. In Stuttgart geht es vor allem um den militärischen Arm der Gruppe, der die Machtübernahme mit Waffengewalt hätte durchsetzen sollen. Dazu ist laut Anklage schon mit dem Aufbau eines deutschlandweiten Systems von mehr als 280 militärisch organisierten "Heimatschutzkompanien" begonnen worden. Der Präsident des Oberlandesgerichts, Andreas Singer, sprach im Vorfeld von einem der größten Staatsschutzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik.

Ein Angeklagter wegen versuchten Mordes vor Gericht

Den Angeklagten wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen und die sogenannte "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens". Einer der Angeklagten steht in Stuttgart zudem wegen versuchten Mordes vor Gericht. Es handelt sich um den Mann, der im März 2023 bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Reutlingen mehrfach mit einem Gewehr auf Polizisten eines Spezialeinsatzkommandos geschossen und dadurch zwei Beamte verletzt haben soll. Der Bundesanwaltschaft gilt dieser Vorfall als Beleg für die Gefährlichkeit der Gruppe. 

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Ursprünglich sollten am Montag Polizisten befragt werden zur Schießerei in Reutlingen. Zwei der neun in Stuttgart angeklagten Männer hatten beim Prozessauftakt vor einer Woche mitgeteilt, dass sie sich zur Person und zur Sache äußern wollen. Der Senat hatte deshalb die Einlassungen der beiden Männer vorgezogen. 

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