SSV Ulm Trainer Thomas Wörle lacht. (Foto: IMAGO, Langer)

Fußball | 3. Liga

Thomas Wörle beim SSV Ulm: Gesicht des Erfolgs und Klischeebekämpfer

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Michael Bollenbacher

Mit Trainer Thomas Wörle kehrte der Erfolg zum SSV Ulm 1846 Fußball zurück. Dem 42-Jährigen gelang mit den "Spatzen" der Durchmarsch von der Regionalliga in die 2. Bundesliga. Große Erfolge feierte Wörle auch mit den Frauen des FC Bayern - im Männerfußball stieß dies aber zunächst auf wenig Interesse.

425 Zuschauer und ein 11:1 beim Landesligisten TSV Nusplingen: Als Tomas Wörle vor knapp drei Jahren sein Debüt als Trainer des SSV Ulm 1846 Fußball gab, gehörte das zur Realität der "Spatzen". 1. Runde im Landespokal Württemberg, damals ein gewöhnlicher Saisonauftakt der Ulmer. Doch damit ist vorerst Schluss. Als Aufsteiger in die 2. Bundesliga kann der SSV sich Fahrten auf die schwäbische Alb zum Landespokal sparen, tritt in diesem Wettbewerb in der kommenden Spielzeit nicht an. Zum Saisonauftakt gibt es eine Ligapartie am ersten Augustwochenende. Mögliche Gegner sind große Traditionsvereine wie Schalke 04, der Hamburger SV oder auch der Karlsruher SC. Von Nusplingen in die großen Stadien der Republik. Dass den Ulmern in relativ kurzer Zeit dieser Sprung gelang, das hängt vor allem mit einem Namen zusammen: Thomas Wörle.

Seit Sommer 2021 trainiert der 42-Jährige den SSV. Bodenständigkeit und Besonnenheit sind für den früheren Zweitliga-Profi (97 Spiele für Kickers Offenbach und Greuther Fürth) ganz wichtig. Wörle weiß um den Größenwahn, der den SSV Anfang der Nullerjahre schnell aus dem Fußball-Himmel der Bundesliga auf die Dorfäcker der Oberliga warf. Und doch hat es schnell gepasst mit Ulm und Wörle. In der zweiten Saison gelang als Meister der Regionalliga-Südwest der Aufstieg in die 3. Liga - nach 22 langen Jahren des Wartens die Rückkehr in den Profifußball. Doch damit nicht genug. In Wörles dritter Spielzeit, gelang den Schwaben nun das, was kaum jemand für möglich gehalten hat: Der Durchmarsch in die 2. Bundesliga.

"Es ist außergewöhnlich und damit war nicht zu rechnen. Es ist dem geschuldet, dass die Mannschaft sich toll weiterentwickelt hat."

Mit den Frauen des FC Bayern: CL-Halbfinale und Meister

Selbst Wörle hätte vor dieser Saison einen weiteren Aufstieg nicht für möglich gehalten. Dabei war er selbst schon viel weiter oben. Als sein Vater Günther erkrankt, wird er 2010 mit erst 28 Jahren zu dessen Nachfolger als Trainer der Fußballerinnen des FC Bayern München. Aus einem ambitionierten Studentinnen-Team formt er schnell eine Vollprofi-Mannschaft mit großen Erfolgen.

2012 der Triumph im DFB-Pokal, 2015 holt Wörle mit den Bayern-Frauen die zweite Meisterschaft nach 39 Jahren, 2016 ungeschlagen die nächste. Der Erfolg bringt Aufmerksamkeit - auch aus dem eigenen Verein. "Da gab’s zwei, drei Mal eine Einladung von Uli Hoeneß an den Tegernsee oder ich hatte mal eine Unterhaltung mit Pep Guardiola." Die Begegnungen zu den männlichen Profis aber, so betont Wörle, gab es jedoch nur dosiert.

Jobangebote im Männerbereich? Fehlanzeige

Als Bayern München 2018 beschließt, dass Wörles im Jahr darauf auslaufender Vertrag nicht verlängert wird, coacht er sein Team dennoch ins Champions-League-Halbfinale. Nach seinem Engagement ist es erst Mal still. Mehr Zeit für die Familie, Zeit den Fußball-Lehrer fertig zu machen. Aber reihenweise Jobangebote aus den männlichen Profi-Ligen? Mitnichten.

"Wenn man wie ich aus dem Frauenfußball kommt und dann noch eine Zeitlang draußen ist, kräht im Männerfußball erst mal kein Hahn nach dir", erzählte der gebürtige Krumbacher dem Magazin "11 Freunde". Wörle fliegt unter dem Radar, es sind die üblichen Klischees. Ihm haftet offenbar das Stigma an, "nur" Frauentrainer gewesen zu sein.

Im Nachhinein zeigt er dafür sogar Verständnis. "Wenn’s den Thomas Wörle bisher nicht gab im Männerfußball als Trainer und man mit dem Frauenfußball noch nicht so viel anfangen konnte bis dato, tut man sich erst mal schwer, sich ne Meinung zu bilden. Deswegen ist es wichtig, dass man sich auch mit den Menschen beschäftigt, Gespräche führt, sich kennenlernt", sagt er. Für ihn sei das nie ein Problem gewesen, "weil ich wusste, wie die Welt zu dem Zeitpunkt tickte. Mittlerweile sieht man ja, dass der Frauenfußball brutal an Renomée gewinnt, an Aufmerksamkeit, weil das Niveau immer mehr gesteigert wird".

Ausgerechnet eine Frau als Anstoß zu Wörles ersten Job im Männerfußball

Es birgt als einer besonderen Ironie, dass ausgerechnet eine Frau Anstoß für Wörles ersten Job im Männerfußball war. Myriam Krüger, früher Bundesligaspielerin beim SC Freiburg, bis November 2023 Ulms Geschäftsführung und NLZ-Leiterin, kannte Wörle aus der damaligen Zeit. Es war ihr Vorschlag Wörle als neuen Trainer zu kontaktieren. Wörle überzeugte auf Anhieb. Und der Erfolg unter ihm überzeugte die Ulmer.

Schalenvergleich: Thomas Wörle feiert 2016 auf dem Münchener Rathausbalkon gemeinsam mit Pep Guardiola die Bayern-Meisterschaft  (Foto: IMAGO, IMAGO / MIS)
Schalenvergleich: Thomas Wörle feiert 2016 auf dem Münchener Rathausbalkon gemeinsam mit Pep Guardiola die Bayern-Meisterschaft

"Hier in Ulm hat’s mich total gefreut, dass sie einfach sehr offen waren mir gegenüber - egal, ob ich jetzt vom Frauenfußball oder vom Männerfußball kam. Deswegen hat das auf Anhieb hier glaub ich ganz gut gepasst", sagte Wörle schon vor rund einem Jahr.

Nach 23 Jahren, drei Insolvenzen und einem Wettskandal ist der SSV Ulm zurück in der 2. Bundesliga. Endlich wieder so richtig wahrgenommen werden im männlichen Profifbereich. Das gilt dann auch für den Fußballtrainer Thomas Wörle. Es ist womöglich auch ein Stück Genugtuung für ihn.

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Michael Bollenbacher