Der Tod eines Geflüchtetem auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft Kusel schlägt hohe Wellen. Eine Initiative mit Angehörigen des gestorbenen Kurden fordert bei einer Demo Mitte Januar Aufklärung und zieht vor den Eingang der AfA.

"Tod war tragisches Unglück"

Warum die Staatsanwaltschaft der Suizid eines Flüchtlings in Kusel besonders beschäftigt

Stand

Der Tod eines Bewohners in der Flüchtlingsunterkunft in Kusel war ein tragisches Unglück, sagt die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern. Vorangegangen waren Zweifel an dem Suizid.

Die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern, die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, der Kreis Kusel und die zuständige Polizeidirektion haben heute in einer gemeinsamen Pressekonferenz die Anschuldigungen gegen Mitarbeiter der Unterkunft und Versagen der Behörden entkräftet.

Eine Pressekonferenz wegen eines Suizids zu geben, sei unüblich, sagte der leitende Oberstaatsanwalt Udo Gehring aus Kaiserslautern. Man habe sich aber dazu entschieden, weil Demonstrationen und Kritik an den Behörden und der Einrichtung in Kusel zu öffentlichem Interesse geführt hätten und die Behörden dadurch gezwungen gewesen seien, die Presse zu informieren, hieß es.

Die Fakten zum Fall Hogir A. in Kusel

Der verstorbene Mann kam vor gut einem Jahr aus dem nordkurdischen Kızıltepe (Qoser) in der Türkei und war zunächst in Freiburg als Asylbegehrender erfasst worden, dann nach Trier gekommen und zuletzt in der Flüchtlingsunterkunft in Kusel untergekommen. Im Oktober verschwand er plötzlich. Die Angehörigen hatten zuletzt Kontakt zu ihm am 11. Oktober 2023. Seit diesem Datum wurde der 24-Jährige in der Flüchtlingsunterkunft nicht mehr gesehen.

Kurz später bat ein Angehöriger die Polizei mit einem Anruf um Hilfe, man möge den Sohn bitten, Kontakt zur Familie aufzunehmen. Die Beamten konnten Hogir A. aber nicht in seiner Unterkunft antreffen. Laut Staatsanwaltschaft haben Ermittler die letzten Textnachrichten auf dem Handy am 11. Oktober gefunden. Den Todeszeitpunkt hat auch der Gerichtsmediziner auf etwa diesen Tag berechnet. Erst Anfang November fand ein Bewohner der AfA den leblosen Körper, an einen Baum gelehnt, stranguliert.

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Keinerlei Hinweise auf Fremdverschulden im Todesfall in Kusel

Danach begannen für Polizei und Staatsanwaltschaft die Ermittlungen. Das Auswerten von Textnachrichten und Befragungen habe ergeben, dass er sich um den Todeszeitpunkt in einem psychischen Ausnahmezustand befunden habe. "Er sah sich am Ende seiner Kraft", wurde bei der Pressekonferenz aus einer Nachricht zitiert. Drogentests waren negativ ausgefallen. Aus Gründen des Persönlichkeitsrechts des Toten könnten aber keine weiteren Auskünfte zum psychischen Zustand gegeben werden.

Es war ein tragisches Unglück. Es gibt keinerlei Hinweise auf Fremdverschulden.

Schwere Vorwürfe von kurdischen und linken Gruppen gegenüber der AfA Kusel

Nach seinem Tod waren linke Gruppen und Kurden in Kusel gemeinsam auf die Straße gegangen, weil sie einen Suizid des 24-Jährigen in Frage stellten. In einigen Medien las man von einem System aus "Vernachlässigung und Repression, dem Schutzsuchende in Deutschland ausgesetzt sind".

Die Behörden hätten den jungen Mann nie gesucht, obwohl er längere Zeit nicht in der Flüchtlingsunterkunft anzutreffen war. Selbst nicht, nachdem der Vater des Toten bei der Polizei um Hilfe gebeten habe, den Kontakt wiederherzustellen, weil er seinen Sohn nicht mehr hatte erreichen können. Kritiker warfen der Ausländerbehörde vor, Hogir A. habe auf einer Liste von sogenannten "Abgängigen" gestanden, die längere Zeit nicht in der Flüchtlingsunterkunft gesehen wurden. Geschehen sei aber nichts, keiner habe sich bemüht oder Sorgen um den 24-Jährigen gemacht, so der Vorwurf.

Polizei, Staatsanwaltschaft und ADD entkräften Vorwürfe

Die Ermittlungen hätten keinerlei Hinweise dafür geliefert, dass ein Fremdverschulden für den Tod des damals 24-jährigen in Frage käme, so die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern. Die Vorwürfe, dass der junge Mann Ärger mit Mitarbeitenden der Flüchtlingsunterkunft hatte und ein Streit mit einem Security-Mitarbeiter eskaliert war, konnten nach Durchsicht der Kurznachrichten auf dem Handy des Toten nicht als Grund für den Selbstmord gewertet werden. Da beide Seiten sich versöhnt hätten, hieß es in der heutigen Pressekonferenz in Kusel.

Dass er sich das Leben genommen hat, habe niemand vorhersehen oder verhindern können, sagte Frank-Peter Wagner von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion. Man sehe hier keinen Fehler bei den Mitarbeitern der AfA. Es sei eine nicht zu verhindernde furchtbare Tragödie gewesen.

Wieso fand man die Leiche auf dem Gelände der AfA in Kusel erst Wochen später?

Wegen des unwegsamen Geländes war die Leiche mehr als drei Wochen später zufällig entdeckt worden, hieß es bei der Pressekonferenz. Der junge Mann sei bei seinem Fund hinter der Turnhalle auf dem AfA-Gelände in einem sehr abschüssigen Bereich gefunden worden. Er sei an einen Baum gelehnt gewesen. Bäume, Blätter und dichtes Gestrüpp hätten seinen toten Körper quasi versteckt. Auch die Security, die täglich mehrfach am Tag patrouilliert und das Gelände auf sicherheitsrelevante Probleme prüft - beispielsweise Löcher im Zaun - sei an diesem abschüssigen Bereich nie unterwegs.

Was lernt man aus dem Fall in der AfA in Kusel?

Flüchtlinge, die aus einer Flüchtlingsunterkunft abhauen, sind nicht selten. Dass die Ausländerbehörden - in diesem Fall der Kreis Kusel - den Namen des 24-Jährigen auf einer Liste von "Abgängigen" hatte, aber noch nicht weiter tätig geworden war, könne der allgemeinen Arbeitslast auf den Ämtern zugeschrieben werden. "Hunderte Fälle lassen sich eben nicht innerhalb von wenigen Tagen abarbeiten und lösen", sagte Birgit Schnorr von der Kreisverwaltung Kusel. "Es sei nichts Ungewöhnliches, dass jemand mal weg sei. Die meisten kämen wieder." Wer vor seiner Abschiebung fliehe, werde von der Polizei gesucht. In diesem Fall sei dieser Prozess aber noch nicht eingeleitet gewesen.

Die ADD sagt, es gebe in Flüchtlingsunterkünften Gewaltschutz-Konzepte, Beschwerdemanager, Sozialarbeiter und psychosoziale Zentren, die regelmäßig Sprechstunden anbieten. Dazu könne aber niemand gezwungen werden. Mehr hätte man im tragischen Fall Hogir A. nicht tun können.

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SWR