Um den Geschmack der Algen zu überdecken, werden sie in die Pestofüllung für die Tortellinis gerührt, tags: Inhaltsstoffe, Fischalternative

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Algen als Fischalternative in Verkostungsstudie getestet

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Stefan Troendle
Stefan Troendle, Reporter und Redakteur bei SWR Wissen aktuell und SWR2 Impuls.
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Elisabeth Theodoropoulos, Leila Boucheligua

Forschende der Universität Hohenheim arbeiten an einer Fischalternative aus Mikroalgen. Diese besitzen wertvolle Inhaltsstoffe und könnten einen wichtigen Beitrag zu einer gesunden und umweltbewussten Ernährung leisten.

In der Versuchsküche der Uni Hohenheim wird zu Forschungszwecken gekocht. Es gibt Tortellini mit einer Füllung, die man nicht kaufen kann, noch nicht: Mikroalgen. Biologin Lena Kopp erklärt, welche besondere Eigenschaft diese haben: 

Unsere Mikroalge hat sehr viele Proteine und auch die langkettigen Omega-3-Fettsäuren. Genau das, was Fisch enthält. Damit können wir durch unsere Alge eigentlich den Fisch ersetzen.

Gezüchtet werden die Mikroalgen beim Fraunhofer Institut Stuttgart. Dort stehen große Bioreaktoren in denen zu Forschungszwecken im Idealfall bis zu einem Kilo Algen pro Tag entstehen. Ein bisschen Salzwasser, Nährstofflösungen und viel Licht sind ideale Bedingungen für die Einzeller, um sich zu vermehren.  

Zu sehen ist ein Bioreaktor, in dem die Mikroalge als Fischalternative kultiviert wird
Die Mikroalge wird in einem Bioreaktor kultiviert und braucht zum Vermehren Salzwasser mit Nährstofflösung und viel Licht.

Mikroalge enthält ähnliche Inhaltsstoffe wie Fisch

Der Einsatzzweck von Algen ist je nach Typ unterschiedlich. Aus ihnen lassen sich verschiedene Stoffe herstellen wie Pigmente, Kohlenhydrate und Fettsäuren. Auch zur Verwertung von CO2 und zum Abbau von Stoffen wie Stickstoff in Abwasser können Algen eingesetzt werden.

Über die Einsatzmöglichkeit der Mikroalgen als Fischersatz schreibt Konstantin Frick am Institut für Ernährungsmedizin an der Uni Hohenheim seine Doktorarbeit.

Leergefischte Weltmeere: Algen als Fischalternative

Die Mikroalgo Phaeodactylum tricornutum, die Frick untersucht, enthält ganz ähnliche Inhaltsstoffe wie Fisch: Eiweiß, Carotinoide und wichtige Fettsäuren. Fische enthalten diese Inhaltsstoffe, weil sie Algen fressen. Die Idee der Forschenden ist es, die Algen direkt zur Ernährung zu nutzen. Denn diese kann man recht einfach züchten, auch dann, wenn die Weltmeere leergefischt sind.

Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir in Zukunft die Menschheit ernähren wollen. Die Proteine, die Eiweiße, das ist ein großes Thema und auch die Omega-3-Fettsäuren. Deswegen gibt es Fisch-Empfehlung. Aber, wir haben immer weniger Fisch und brauchen Alternativen dafür. Das hat das Algen-Projekt eröffnet. 

Makroalgen kennen wir aus dem Meer. Die Mikroalge, um die es geht, ist viel kleiner, nährstoffreich und hat den typischen Fischgeschmack – den viele Fische auch deshalb haben, weil sie sich von Algen ernähren.

Zu sehen ist ein getrocknetes Algenpulver der Phaeodactylum Tricornutum, tags: Fischalternative, Mikroalge
Aus der Mikroalge Phaeodactylum Tricornutum stellen die Forschenden ein getrocknetes Algenpulver her.

Bisherige Fischersatzprodukte sind keine Alternative auf Nährstoffebene

Fischersatz gibt es heute schon, meist aus Soja oder Erbse. Doch diese ersetzen vor allem Aussehen und Geschmack und liefern nicht die Nährwerte, die Fische enthalten.

Fischersatzprodukte imitieren Fisch im Moment, also zum Beispiel eine Thunfischdose. Solche Veggie-Produkte ersetzen aber noch nicht die Nährstoffe eines Fischs. Das heißt, sie sind noch keine Nährstoff-Alternative, sondern reine Convenience-Produkte, die Fisch imitieren.  

Zu sehen ist sein Veggie-Thunfischdose. tags: Inhaltsstoffe, Mikroalgen, Fischalternative
Die Fischalternativen, die bisher im Supermarkt erhältlich sind, sind meist auf eine Imitation von Geschmack und Aussehen von echtem Fisch ausgerichtet und weniger darauf, die in Fisch enthaltenen Nährstoffe zu liefern.

Algenprodukte sollen zukünftig auf den Markt kommen

Die Forschenden hoffen, in den nächsten Jahren die Algenprodukte auf den Markt bringen zu können und damit letztlich die Hälfte des Fischkonsums zu ersetzen. Wie genau sich die Algen zu verkaufbaren und essbaren Lebensmitteln verarbeiten lassen und in welcher Form sie dann verkauft werden, erklärt Instituts-Chef Bischoff: 

Da gibt es eine feste Matrix. Das wäre zum Beispiel so eine Art Fischstäbchen. Oder es gibt auch eine Matrix, die in flüssiger Form vorstellbar ist, also als Brotaufstrich, als Pesto oder Ähnliches. 

Welche Produkte hinterher tatsächlich in den Handel kommen – das steht noch nicht fest und hängt auch vom Industriepartner der Forschenden ab. Bisher fehlt auch noch die europaweite Zulassung als Lebensmittel. 

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Mikroalgen warten auf EU-Lebensmittel-Zulassung

Die EU-Zulassung der Mikroalgen als Lebensmittel läuft zwar gerade, doch der Prozess dauert mehrere Jahre. Bis dahin gibt es viele Versuche mit Zellkulturen und Verkostungen wie die der Algentortellinis.

Dabei geht es um eine mögliche Giftigkeit und um Allergien, was gerade im Hinblick auf Eiweiße wichtig ist. Daher erfolgen die Tests an Studierenden unter ärztlicher Aufsicht. Hierbei wird auch das Blut untersucht, um festzustellen, wie viele Nährstoffe im Körper ankommen.  

Zu sehen ist Algenpulver, das in Pesto gemischt wird, tags: Inhaltsstoffe, Mikroalgen, Fischalternative
Um den Geschmack der Mikroalgen zu überdecken, werden sie zur Verkostung an der Uni Hohenheim in ein Pesto gemischt.

Der pure Geschmack der Algen ist ungewohnt, weshalb sie für die selbst hergestellten Tortellini in ein Versuchspesto für die Füllung gerührt werden. Bärlauch, Basilikum und Parmesan überdecken den Geschmack der Algen, sagen die Testerinnen und Tester nach dem Probeessen. 

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