Wegen ihrer hohen Ansteckungsfähigkeit hat die neue Variante des Coronavirus den Spitznamen "Cerberus" (Höllenhund) aus der griechischen Mythologie erhalten. Wissenschaftlich korrekt heißt die neue Subvariante: BQ.1.1.  (Foto: IMAGO, imago images/CHROMORANGE)

Neue Corona-Subvariante BQ.1.1

„Höllenhund“-Virusvariante breitet sich in Deutschland aus

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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)
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Antonia Weise

Die Virusvariante BQ.1.1 ist auch in Deutschland auf dem Vormarsch und könnte bald die dominate Variante sein. Das weiß man bisher über den neuen Omikron-Abkömmling.

Subvariante BQ.1.1 in Frankreich fast bei 20 Prozent

BQ.1.1 ist ein Abkömmling der Omikron-Subvariante BA.5 und sorgt derzeit in den USA für zahlreiche Neuinfektionen. Aber auch in Europa ist die mitunter als "Cerberus"- (= Höllenhund) bezeichnete Variante schon angekommen. Den höchsten Anteil in Europa hat sie derzeit in Frankreich. Die "Höllenhund"-Variante verursachte dort bereits im Oktober fast 20 Prozent der Infektionen. Gemeinsam mit BQ.1 ist BQ1.1 in den USA und Frankreich bereits die dominante Variante.

Die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC geht davon aus, dass die Variante BQ.1 einschließlich ihrer Unterlinien von Mitte November bis Anfang Dezember 2022 mehr als 50 Prozent der SARS-CoV-2-Infektionen ausmachen wird.

Auch in Deutschland breitet sich die Variante aus

Seit einigen Wochen breitet sich die Omikron-Sublinie auch zunehmend in Deutschland aus. Im aktuellen Lagebericht beschreibt das Robert-Koch-Institut (RKI), dass der Anteil von BQ.1.1 in der Stichprobe inzwischen bei über acht Prozent liegt. Das bedeutet, dass sich der Anteil in den letzten vier Wochen vervierfacht hat.

Da in Deutschland im weltweiten Vergleich eher seltener sequenziert wird, könnte die Zahl sogar schon weitaus höher sein.

Ein beruhigende Beobachtung: Obwohl die Variante zwar sehr ansteckend ist, kann trotz der Ausbreitung bislang keine Erhöhung der Krankheitslast beobachtet werden, so das RKI.

Die Corona-Infektionszahlen steigen im Herbst an. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, / CHROMORANGE)
Experten gehen davon aus, dass die Infektionen bald überwiegend auf die Coronavirus-Variante BQ.1.1. zurückzuführen sind.

BQ.1.1 voraussichtlich für nächste Corona-Welle verantwortlich

Viele Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass BQ.1.1 in Europa und Nordamerika noch vor Ende November für die nächste große Corona-Welle verantwortlich sein wird. Schließlich hat Cerberus gegenüber der aktuell dominierenden Omikron-Subvariante BA.5 einen Übertragungsvorteil von mehr als zehn Prozent – das bedeutet, dass Ansteckungen schneller geschehen. Das berichtet Cornelius Römer vom Biozentrum der Universität Basel Anfang Oktober auf Twitter.

While BQ.1.1 and XBB share a lot of spike mutations due to their ancestry - descending from BA.2, they each have a sizeable number of unique mutations, making limited cross-protective immunity and co-circulation a possibility. Delta is included for comparison. Data: @GenSpectrum https://t.co/w8yC7rcyAr

Deshalb überträgt sich BQ.1.1 schneller

Bioinformatiker Römer beobachtet Cerberus seit September und twittert: „Ihr relativer Anteil hat sich jede Woche mehr als verdoppelt“. Im Vergleich mit der Omikron-Variante BA.5 bringt die neue Subvariante weitere Mutationen am Spike-Protein mit.

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Zur Erinnerung: Über das Spike-Protein dringen die Coronaviren in unsere Zellen ein. Und durch die Mutationen am Spike-Protein kann unser Immunsystem das Virus nicht mehr so gut erkennen. Die Folge: Das mutierte Virus kann unsere Immunabwehr noch besser umgehen als vorherige Varianten. Die „Immunflucht“-Variante macht BQ.1.1 so ansteckend – auch für Geimpfte und Genesene. Ein Infizierter steckt 60 bis 80 Prozent mehr Menschen an als mit BA.5 – so der Datenspezialist Gerstung gegenüber dem BR.

Auch der Bioinformatiker Richard Neher von der Uni Basel weist im Interview mit tagesschau24 auf das hohe Ansteckungspotential der BQ.1.1 Virusvariante hin:

Das Virus mutiert gerade an den Stellen, an denen Antikörper an das Spike-Protein binden. Und wenn das Virus sich an diesen Stellen verändert, dann binden diese Antikörper, die wir zum Beispiel durch Impfungen oder überstandene Infektionen gebildet haben, nicht mehr so gut. Die Viren werden also nicht mehr so gut erkannt und können dann zu einer Infektion führen, obwohl die Antikörper im Grunde da sind.

BA.5 Booster-Impfung kann vorteilhaft sein

In Israel zeigen sich durch die Ausbreitung von BQ.1 und BQ.1.1 derzeit viele Reinfektionen. Das heißt, dass sich auch Geimpfte und Genesene wieder infizieren können. Der Modellierer Barak Raveh von der Hebräischen Universität in Jerusalem veröffentlichte vor wenigen Tagen auf Twitter eine Grafik zur Reinfektionsrate:

Covid reinfection rate in Israel has increased from 20% to 35% over the last few weeks, coinciding with the rising prevalence of the new BQ.1.1 and XBB.1 variants. Over the last year, it has increased considerably along with every newly introduced Omicron variant. https://t.co/5N0tAr11Y4

Das positive an Cerberus ist: Es ist ein Nachkomme der Omikron-Variante und kein Subtyp von Delta – die als potenziell gefährlichere Mutation gilt und zu mehr Klinikeinweisungen geführt hat.

Da die Cerberus-Variante BQ.1.1 von BA.5 abstammt, kann die BA.5 Booster-Impfung von Vorteil sein. Der amerikanische Immunologe Anthony Fauci sagte gegenüber CBS-News: „Der bivalente BA.5-Impfstoff wirkt nicht nur gut gegen die dominante BA.5-Variante, sondern schützte auch vor neuen Omikron-Sublinien von BA.5.“

Außerdem schützen die derzeitigen Corona-Impfstoffe weiter vor schweren Verläufen und Todesfällen – das bestätigt die Präsidentin der deutschen immunologischen Gesellschaft, Christine Falk, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Falk erklärt, dass die Mutationen von BQ.1.1 zwar auf eine möglicherweise effektivere Ansteckung schließen ließen, aber nicht auf ein Unterlaufen aller Abwehrlinien. Auch Virologin Jana Schroeder erklärte gegenüber dem Deutschlandfunk, dass die BQ.1.1-Variante einen wichtigen Teil des Immunsystems wohl nicht umgehen kann:

Die B- und T-Zell-Immunität, also die zelluläre Immunität. Da ist die Chance sehr groß, dass die auch längerfristig und ziemlich variantenstabil bestehen bleibt.

Das bedeutet: Der Schutz vor schwerer Erkrankung und Tod dürfte laut Immunologen bei immungesunden Menschen mit den empfohlenen Impfungen in der Regel standhalten.

Fast jeder habe jetzt in einer gewissen Art Immunität, sei es durch Impfungen oder durch eine überstandene Infektion, erklärt Bioinformatiker Neher. Und diese Immunität gehe auch nicht wieder weg. Das heißt, diese schweren Verläufe, die es zum Beginn gab, als noch überhaupt keine Immunität in der Bevölkerung vorhanden war, seien nicht mehr zu erwarten.

Als problematisch sehen Fachleute vielmehr die drohenden Personalausfälle an, wenn sich sehr viele Menschen auf einmal anstecken. Diesen Ausfällen soll nun vor allem der Wegfall der Isolationspflicht entgegen wirken:

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